Ethik-Kammer Die Fifa entlässt ihre Korruptionsjäger

Manama · Die Fifa hat sich ihrer unbequemen Spitzen-Ethiker um den deutschen Richter Hans-Joachim Eckert entledigt und neue, heftige Zweifel am propagierten Reformprozess ausgelöst.

Fragen und Antworten zum Fifa-Kongress in Bahrain
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Foto: dpa, wb hm jai vge

Eckert und der Schweizer Chef-Ermittler Cornel Borbely wurden vom Council des Fußball-Weltverbands am Dienstag in Manama nicht wieder für ihre Posten in der unabhängigen Ethikkommission vorgeschlagen. Damit können sie vom Kongress am Donnerstag in der bahrainischen Hauptstadt nicht gewählt werden.

DFB-Präsident Reinhard Grindel hatte sich vor seiner ersten Sitzung als Mitglied der Fifa-Regierung um Präsident Gianni Infantino deutlich für einen Verbleib der renommierten Juristen ausgesprochen. "Ich bin dafür, dass Eckert und Borbely ihre Arbeit fortsetzen, weil sie zur Wiederherstellung der Integrität der Fifa einen entscheidenden Beitrag geleistet haben", sagte er.

Die beiden Juristen kritisierten die Fifa-Entscheidung in einer gemeinsamen Stellungnahme. "Scheinbar hat die Fifa-Spitze eigene und politische Interessen höher gewichtet als die langfristigen Interessen der Fifa", hieß es in der Mitteilung. "Dabei hat sie in Kauf genommen, dass die Integrität der Fifa gefährdet wird und damit deren Zukunft aufs Spiel gesetzt."

Direkt nach der mehr als fünfstündigen Mammut-Sitzung im Fünf-Sterne-Hotel Diplomat Radisson BLU äußerte sich keines der Council-Mitglieder, Infantino war nicht mehr zu sehen.
Fifa-Generalsekretärin Fatma Samoura hatte vor anderthalb Monaten noch erklärt, sie stehe "zu 100 Prozent" zu beiden Ethikhütern.

Eckert saß der rechtsprechenden Kammer seit knapp fünf Jahren vor, Borbely war seit zwei Jahren Chef der Untersuchungskammer. Die beiden wollten ihre Posten für vier weitere Jahre behalten und wurden noch in der Kongresswoche in Manama erwartet. Am Mittwoch werden sie sich voraussichtlich auf einer Pressekonferenz äußern.

Als neue Chefermittlern schlug das Fifa-Council die Kolumbianerin María Claudia Rojas vor, die rechtsprechende Kammer soll der frühere Präsident des Europäischen Gerichtshofs Vassilios Skouris aus Griechenland leiten. Auch der frühere Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof, Luís Miguel Poiares Maduro, aus Portugal wurde nicht wieder als Vorsitzender der Governance Kommission vorgeschlagen. DFB-Chef Grindel ist Mitglied des Gremiums, das die politische Integrität der Fifa-Strukturen überwacht.

Die Ethik-Kammer um Borbely und Eckert hatte in den vergangenen Jahren knapp 200 Voruntersuchungen im Fifa-Korruptionsskandal durchgeführt und unter anderen den ehemaligen Verbandschef Blatter sowie den früheren Uefa-Boss Michel Platini zu mehrjährigen Sperren verurteilt.

Intern soll Infantino sich und seine Council-Kollegen als "Geiseln" der Kontrollgremien bezeichnet haben, was er öffentlich bestreitet. Die Ethikkommission hatte vergangenes Jahr auch gegen den Fifa-Chef ermittelt, die Untersuchungen aber nach mehreren Wochen eingestellt, weil der Schweizer nicht gegen Verhaltensregeln verstoßen habe.

Eine sofortige Vorvergabe der XXL-WM 2026 an die USA, Kanada und Mexiko lehnte die Fifa-Regierung hingegen ab - andere Kandidaten sollen weitere drei Monate Zeit für eine Kandidatur bekommen. Das Amerika-Trio hat beantragt, dass der Kongress das Bewerbungsverfahren noch weiter beschleunigt, so dass die drei schon in Bahrain unter Bedingungen den Zuschlag erhalten würden.

Nun kann ein anderer Anwärter binnen drei Monaten sein Interesse bekunden. Verbände aus Europa und Asien sind wegen der WM 2018 in Russland und 2022 in Katar ausgeschlossen. Allerdings ist derzeit kein weiterer Kandidat für die von 32 auf 48 Teams ausgeweitete Weltmeisterschaft in Sicht.

Die Zahl der europäischen Teilnehmer bei der WM in neun Jahren wird von zuvor 13 auf 16 steigen. Wie das Fifa-Council beschloss, werden alle Konföderationen mehr Startplätze als bei den bisherigen Weltturnieren mit 32 Teams erhalten. Afrika stellt neun Mannschaften, Asien acht, Nord-/Mittelamerika sowie Südamerika schicken jeweils sechs Vertreter, zudem ist ein ozeanisches Team dabei.

(dpa)
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