FBI, EU und Rauball Korruptions-Chaos bringt Fifa-Imperium ins Wanken

FBI, EU und der deutsche Ligaverband fahren im Korruptions-Chaos beim Fußball-Weltverband Fifa schwere Geschütze auf. Ob allerdings die ersehnte Aufklärung jemals erfolgen wird, steht weiter in den Sternen.

Sepp Blatter: 17 Jahre an der Spitze der Fifa
24 Bilder

Das ist Sepp Blatter

24 Bilder
Foto: dapd, Alessandro Della Bella

In der schwersten Krise seiner 110-jährigen Geschichte wankt das korruptionserschütterte Imperium des Fußball-Weltverbandes wie ein Kartenhaus. Durch die immer verworrenere Debatte über den umstrittenen Bericht von Fifa-Ethikchef Hans-Joachim Eckert (München) zum Manipulationsverdacht bei den WM-Vergaben für 2018 und 2022 hat die völlig ohnmächtig wirkende Fifa-Spitze scheinbar komplett die Kontrolle verloren. Bezeichnend: Weltverbands-Chef Joseph S. Blatter ist bisher komplett abgetaucht!

Die Lage nach dem völlig misslungenen Befreiungsschlag von allen Korruptionsvorwürfen gegen die nächsten WM-Gastgeber Russland (2018) und Katar (2022) stellt sich für Blatter und Co. momentan jedenfalls desaströs wie niemals zuvor dar: Chefermittler Michael J. Garcia (USA) legte wie angekündigt offiziell Protest gegen Eckerts Report ein, die US-Bundespolizei verstärkte ihre Ermittlungen, die Europäische Union (EU) drohte mit Konsequenzen, und in Deutschland brachte Liga-Präsident Reinhard Rauball sogar eine Abspaltung Europas ins Gespräch.

"Die Fifa kann gar nicht mehr anders als Garcias ursprünglichen Bericht mit den Ergebnissen seiner Ermittlungen zu veröffentlichen. Sonst kommt die Fifa aus dieser Situation nicht mehr heraus", fasste die Frankfurter Anti-Korruptions-Expertin Sylvia Schenk von Transparency International am Sonntag auf SID-Anfrage das Chaos zusammen und schlussfolgerte: "Es gibt ja gar kein Krisenmanagement. Die Fifa scheint führungslos und handlungsunfähig."

Im Kreuzfeuer der Kritik behalf sich denn auch schon Eckert krisenerprobter Verschleierungstaktik: In einem FAZ-Gespräch bezeichnete der Landgerichts-Richter seinen Bericht, in dem der Jurist das WM-Vergabeverfahren für die Ethikkommission wegen mangelnder Anhaltspunkte für Korruption für abgeschlossen erklärt hatte, nur als "Zwischenstand" und gestand Garcia vordergründig weitere Ermittlungen "für den Abschlussbericht" zu.

Was wie Distanzierung klingt, ist jedoch für Schenk nur Augenwischerei: "In Eckerts Bericht steht eindeutig, dass die Bewertung der Vergabeverfahren abgeschlossen ist. Ich denke nicht, dass er dass zurückgenommen sehen will. Die erwähnte Möglichkeit zu Ermittlungen für den Abschlussbericht bezieht sich sicher auf Einzelpersonen, aber nicht mehr auf das Vergabeverfahren."

Aus Schenks Sicht jedoch scheint eine abermalige Wende nicht ausgeschlossen: "Meines Erachtens hat die Ethikkommission überhaupt nicht die Befugnis, in der Vergabe-Frage mitzureden. Die Kommission kann die WM nicht wegnehmen, also kann sie die WM auch nicht in Russland und Katar lassen. Das kann nur die Exekutive."

An der Kraft der "Weltregierung des Fußballs" zur radikalen, weil auch milliardenteuren Kurskorrektur im selbst angelegten Sumpf aus Manipulationen und Intrigen zweifelt Jurist Rauball nach Eckerts Report mehr denn je. "Das Ergebnis erschüttert die Grundfesten der Fifa, wie ich es noch nicht erlebt habe. Wenn diese Krise nicht glaubwürdig gelöst wird, muss man sich auch über die Frage unterhalten, ob man in der Fifa überhaupt noch gut aufgehoben ist. Eine Option, über die ernsthaft nachgedacht werden müsste, ist sicherlich, dass die Uefa sich von der Fifa löst", sagte der Dortmunder bei kicker.de.

Theo Zwanziger – DFB-Präsident, Gladbach-Sympathisant, Sportfunktionär
10 Bilder

Das ist Theo Zwanziger

10 Bilder
Foto: AFP

Auch wenn Europas Abspaltung nicht realistisch erscheint, sieht der Präsident von Bundesligist Borussia Dortmund die Fifa wie Schenk oder das deutsche Fifa-Exekutivmitglied Theo Zwanziger zur Veröffentlichung von Garcias Erkenntnissen in der Pflicht. Es müsse deutlich werden, "was angeklagt und was wie beurteilt worden ist. Und auch, was nicht beurteilt wurde, und ob es gerechtfertigt war, diese Dinge wegzulassen".

Scharf auf Garcias Akten ist auch das FBI. Die US-Agenten wollen nach Angaben des Nachrichtensenders CNN auf offiziellen Wegen in den Besitz der bislang von der Fifa unter Verschluss gehaltenen "Anklageschrift" des früheren US-Bundesanwaltes gelangen.

Die Politik hat vom Versteckspiel der Fifa um den Garcia-Report ebenfalls genug. "Es ist an der Zeit, dass die Fifa alle Karten auf den Tisch legt und alle Zweifel ausräumt", sagte EU-Sportkommissar Tibor Navracsics (Ungarn) der Financial Times. Das Londoner Finanzblatt zitierte außerdem einen hohen EU-Offiziellen, der einen "massiven Vertrauensverlust" beklagte und Drohszenarien für die Fifa aufbaute: "Jede Regierung und Regulierungsbehörde wird natürlich neu überlegen, wie bestehende Vorschriften angewendet werden können. Die Leute verlieren die Geduld."

Im Zuge von Garcias Untersuchungen laufen mittlerweile angeblich auch wieder Ermittlungen gegen Deutschlands Ikone Franz Beckenbauer. Laut Informationen der Welt am Sonntag, die am Wochenende unbestätigt blieben, überprüfen die Fahnder eine Katar-Reise des "Kaisers" im Jahr 2009. 14 Monate vor Katars Wahl zum WM-Gastgeber sollte Beckenbauer, damals Mitglied der FIFA-Exekutive, die Araber offenbar auch im Sinne einer Vereinbarung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) mit Katars Konkurrenz Australien zu einem Verzicht auf die Kandidatur für 2022 bewegen.

(sid)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort