Niederlande Advocaat neuer Bondscoach, Gullit Assistent

Amsterdam · In die Zukunft mit einem Mann der Vergangenheit: Der fast 70 Jahre alte Dick Advocaat soll als neuer Bondscoach den Absturz der niederländischen Nationalmannschaft stoppen.

 Der neue Bondscoach Dick Advocaat.

Der neue Bondscoach Dick Advocaat.

Foto: dpa, PDJ hak

Am Dienstag wurde der Ex-Trainer von Borussia Mönchengladbach offiziell vorgestellt, er geht damit in seine insgesamt dritte Amtszeit mit Oranje. Als Assistent an seiner Seite: Volksheld Ruud Gullit.

Als Ersatzlösung für die Ersatzlösung ist Advocaat umstritten. "Es gab zwei Szenarien", sagte KNVB-Sportdirektor Hans van Breukelen auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz am Verbandssitz in Zeist: "Entweder entscheiden wir uns für eine langfristige Lösung, oder wir versuchen alles, um uns noch für die WM 2018 zu qualifizieren. Wir haben uns für die zweite Möglichkeit entschieden. Dafür musste ein sehr erfahrener Trainer her, vorzugsweise eine Autorität."

Advocaat, dem als Übergangslösung damit sogleich der Stempel mit einem nicht näher definierten Verfallsdatum verpasst wurde, fehlte bei seiner Vorstellung: Noch bis zum 1. Juni ist er als Trainer des türkischen Tabellendritten Fenerbahce Istanbul unter Vertrag und war damit unabkömmlich.

Laut van Breukelen werde Advocaat trotz seines noch bis zum 1. Juni laufenden Vertrages bei Fenerbahce die "Elftal" bereits am 31. Mai im Länderspiel gegen Marokko betreuen. Auch Gullit, seit seinem Rauswurf 2011 bei Terek Grosny in Tschetschenien vereinslos, fehlte in Zeist.

Als Nachfolger des glücklosen Danny Blind, der Ende März nach einem 0:2 gegen Bulgarien gehen musste, nachdem er schon die Teilnahme an der EM 2016 verspielt hatte, wartet ein mittleres Himmelfahrtskommando auf Advocaat. In der Qualifikations-Gruppe A zur WM 2018 liegen die Niederlande nur auf Platz vier. Selbst für den Sprung auf Play-off-Rang zwei darf in den fünf verbleibenden Spielen eigentlich nichts mehr schief gehen, will der Vizeweltmeister von 2010 nicht das zweite große Turnier in Folge als Zaungast verfolgen.

Van Breukelen, als Torwart neben Kapitän Gullit zentrale Figur bei Oranjes EM-Triumph 1988, machte keinen Hehl daraus, dass Advocaat nicht unbedingt die erhoffte Lösung ist. Beim mutmaßlichen Favoriten Roger Schmidt, zuvor bei Bayer Leverkusen entlassen, holte sich der Verband aber ebenso einen Korb wie bei der zweiten Wahl, dem 62-jährigen Henk ten Cate (Al-Jazira Abu Dhabi), in den Neunzigern kurzzeitig Trainer beim KFC Uerdingen.

Also musste eine mehr oder minder bewährte Variante von dereinst her - in seiner ersten Amstzeit (1993 bis 1995) hatte Advocaat die "Elftal" immerhin ins WM-Viertelfinale, in seiner zweiten (2002 bis 2004) ins EM-Halbfinale geführt. Doch deutlicher als mit Advocaats Reinstallation lässt sich Oranjes Ratlosigkeit kaum ausdrücken.

Seit 1993 durften sich unter anderem zweimal Louis van Gaal und zweimal Guus Hiddink als Bondscoach versuchen, nun tritt zum dritten Mal Advocaat an. Seit dem EM-Titel 1988 wechselte in den Niederlanden 16-mal der Trainer. Zum Vergleich: Joachim Löw ist erst der zehnte deutsche Nationalcoach seit 1926.

Oranje droht eine Phase der internationalen Bedeutungslosigkeit wie zuletzt in den Achtzigern, als sie drei große Turniere (WM 1982, EM 1984, WM 1986) in Serie verpassten - damals allerdings noch bei weit kleineren Teilnehmerfeldern. Advocaat, eigentlich kurz vor der Rente, soll nun für die Wende sorgen. "Wir haben vollstes Vertrauen in Dick", sagte van Breukelen.

(sid)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort