Kolumne: Gegenpressing Seltsames Demokratieverständnis bei der Fifa

Düsseldorf · Obwohl gesperrt, bleibt Uefa-Präsident Platini im Amt. Der neue Fifa-Chef Infantino hat es geschafft, dass er sich selbst kontrollieren kann.

 RP-Sportchef Robert Peters.

RP-Sportchef Robert Peters.

Foto: Peters

Es ist an der Zeit, mal wieder von Herzen danke zu sagen. Diesmal den internationalen Fußballverbänden, die in diesen Tagen die Welt mit neuen Proben ihres außerordentlichen Demokratie-Verständnisses verwöhnen.

Der europäische Dachverband Uefa weigert sich, den durch Sportgerichte erzwungenen Rücktritt des Präsidenten Michel Platini zur Kenntnis zu nehmen. Der große Vorsitzende aus Frankreich hat seine Demission zwar öffentlich erklärt, der Postbote hat das entsprechende Schreiben aber noch nicht in die Zentrale in Nyon ausliefern können. Das könnte so ganz nebenbei den bösen alten Witzen über das Tempo der Schweizer tüchtig Auftrieb verleihen.

Bis zur Neuwahl des Präsidenten im September schlingert das Dickschiff Uefa führungslos übers weite Fußballmeer, denn das Amt ausüben darf Platini wegen seiner höchstrichterlich festgestellten Sperre natürlich nicht. Und wenn der Verband so bedeutend ist, wie er manchmal tut, dann ist das kein wünschenswerter Zustand. Wenn er allerdings gar keiner politischen Führung bedarf, dann ist das ganze Theater um die Fürsten an der Spitze fast ebenso schwer zu verstehen wie die Tagesordnung eines Funktionärstreffens.

Leicht zu verstehen ist hingegen, was Gianni Infantino für eine Rundumerneuerung des Weltverbands Fifa hält. Er ließ sich anstelle des wegen seiner Verstrickung in äußerst undurchsichtige Finanzaktionen ebenfalls gesperrten Sepp Blatter ins Präsidentenamt wählen, brachte ein paar nach Transparenz klingende Satzungsänderungen durchs Fifa-Parlament. Und er erklärte zu Beginn des Kongresses in Mexiko-Stadt in bester Blatter-Manier die Krise für beendet.

Zuvor hatte er sich von den Delegierten ermächtigen lassen, dass der neue Rat, so etwas wie die Fifa-Regierung, für ein Jahr über die Besetzung und Abberufung der Mitglieder in den sogenannten unabhängigen Überwachungskommissionen entscheiden darf. Damit kontrolliert er sich nun selbst. Besser hätte es auch Blatter nicht haben können. Aus großer Freude über diesen hochdemokratischen Schachzug trat Domenico Scala, der Compliance-Beauftragte der Fifa, begeistert zurück. Er sieht seine Aufgabe, den Reformkurs der Fifa zu überwachen, offenbar als erledigt an. Es ist seine Einsicht in die Wirklichkeit im Verband. Große Philosophen, von denen es im Fußball nur so wimmelt, würden von der "normativen Kraft des Faktischen" sprechen.

Gottlob gibt es den DFB-Präsidenten Reinhard Grindel. Der hat sich vom ersten Sturm der Entrüstung außerhalb der Fifa in die Kritiker-Rolle wehen lassen. Er ging auf Distanz zu Infantinos Alleingang. Vorerst. Bis auch ihn die Wirklichkeit im Weltverband erreicht.

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(RP)
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