Porträt des scheidenden Fifa-Präsidenten Wie aus Joseph Blatter erst Sepp und dann Joseph S. wurde

Zürich · Er kam als Frühchen auf die Welt, machte seine ersten beruflichen Schritte in einem Fremdenverkehrsamt in seiner idyllischen Heimat und wurde 1998 zum mächtigsten Mann im Weltfußball: Am Dienstag hat Joseph S. Blatter, der das 'S' im Namen aus purer Eitelkeit trägt, überraschend seinen Rücktritt als Fifa-Präsident erklärt.

Sepp Blatter: 17 Jahre an der Spitze der Fifa
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Das ist Sepp Blatter

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Foto: dapd, Alessandro Della Bella

Am Ende wurde der Druck durch die Korruptionsermittlungen zu groß. Aber Blatter wäre nicht Blatter, würde er nicht noch das Eingeständnis seiner schwersten persönlichen Niederlage mit einer Kampfansage verbinden. Bis zum außerordentlichen Kongress zur Wahl seine Nachfolgers werde er grundlegende Reformen voranbringen, sagte er.

Joseph Blatter wurde am 10. März 1936 in Visp im Kanton Schweiz geboren. Er erzählte gerne die Geschichte, dass eine seiner Großmütter ihm keine Überlebenschance gegeben habe, weil er zwei Monate zu früh auf die Welt gekommen sei. "Ich bin ein Kämpfer", erklärte er das Überleben als Frühchen. Er war nicht der einzige Joseph Blatter in seiner Gegend. Ein Anwalt in Sion war zunächst bekannter, deshalb entschied er sich für die Kurzform Sepp. Später fügte er das Initial dem formelleren "Joseph S. Blatter" hinzu. "Das 'S' ist nur für die Galerie", erklärte er einmal.

Sepp Blatter: "Skript für Hollywood" - Pressestimmen
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Pressestimmen zum Blatter-Rücktritt

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Dass er für den Fußball lebte, ist bestimmt keine Übertreibung — obwohl seine Karriere in anderen Gefilden begann. Zunächst arbeitete er in der Pressestelle des Fremdenverkehrsamtes des Wallis. Er war Generalsekretär des Schweizer Eishockeyverbandes. Er war Sprecher des schweizerischen Leichtathletikverbandes und managte Events für den Luxusuhrenhersteller Longines. Zum Fußball kam er als Assistent von Adidas-Gründer Horst Dassler, der bei der Fußball-WM 1970 Fifa-Sponsor wurde.

Seit 1975 bei der Fifa

1975 übernahm Blatter die Leitung eines Entwicklungsprogramms der Fifa, das von Coca Cola finanziert wurde. Seine erste offizielle Fifa-Station war Addis Abeba in Äthiopien — auch das eine der Anekdoten, die Blatter gerne erzählte, um seinen Rückhalt in Afrika zu erklären.

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Foto: afp, vd/SB

Blatter lernte viel von seinem Vorgänger, dem Brasilianer Joao Havelange, der 24 Jahre Fifa-Präsident war. 17 Jahre war er unter Havelange Generalsekretär und von 1990 bis 1998 zusätzlich Exekutivdirektor. 1998 wurde er zum ersten Mal zum Fifa-Präsidenten gewählt.

Blatter führte die Fifa aus einer Finanzkrise und machte sie — vor allem mit den alle vier Jahre stattfindenden Weltmeisterschaften — zu einer Geldmaschine, die auch Skandale fast am laufenden Band generierte: Vorwürfe über Bestechlichkeit, Stimmenkäufe und Ticketskandale begleiteten den Aufstieg der Fifa zum finanzstarken Global Player des Sports. Bislang konnten aber auch seine schärfsten Kritiker Blatter nie beweisen, dass er selbst korrupt sei.

"Die Leute wollen natürlich einen Sündenbock, aber wie konnten die Dinge so pervertiert werden?", fragte er 2013 ein Publikum englischer Studenten. Der Mann hatte Charme, Charisma, um ein Publikum für sich einzunehmen — und ein großes Selbstbewusstsein, gepaart mit Eitelkeit.

Lange ließ sich alle Prominenz der Welt gerne mit Blatter, dem mächtigen Boss der Fußballwelt, sehen und ablichten. Er liebte es, im Rampenlicht zu stehen. Ob Staatsoberhäupter, Regierungs- oder Konzernchefs — Blatter konnte mit allen. Und die fühlten sich zum Fifa-Boss von der unglaublichen Popularität des Fußballs und seiner Events magisch angezogen — und das wohl auch nicht immer uneigennützig.

In seiner Rücktrittsrede teilte Blatter noch einmal in mehrere Richtungen aus: Etwa gegen die — oft exotischen — Verbände, die nicht der Kontrolle der Fifa unterstünden und für deren Verhalten dann doch der Weltverband verantwortlich gemacht werde. Oder gegen das Exekutivkomitee, in dem die Amtszeiten der Mitglieder ebenso begrenzt werden müssten wie die des Präsidenten. Dafür habe er gefochten, sei aber — "wie jedermann weiß" — blockiert worden.

Blatter tritt ab, aber den Kampf für seine Sache gibt er deshalb noch lange nicht verloren. Mit 79 Jahren bleibt er sich damit bis zuletzt treu, wie es scheint.

(ap)
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