Strippenzieher aus Kuwait Platinis Taktik auf dem Weg zum Fifa-Chef

Zürich · Schon auf dem Platz bewies Michel Platini taktisches Gespür. Zuletzt schien dem Franzosen das Fortune auf Funktionärsbühne aber abhandengekommen zu sein. Ein einflussreicher Strippenzieher könnte nun die nötigen Stimmen für die Wahl zum Fifa-Chef besorgen.

Fragen und Antworten zu Platinis Fifa-Kandidatur
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Foto: afp, fc/lv/tlr

Michel Platini weiß noch aus seiner aktiven Zeit als genialer Lenker der französischen Nationalmannschaft, wie wichtig der Dank für einen Vorlagengeber sein kann. Nach der jüngsten Sitzung der Fifa-Exekutive küsste der Präsident der Europäischen Fußball-Union Uefa im Foyer des Weltverbands die Stirn von Scheich Ahmad al Fahad al Sabah. Zuvor wurde Platini bereits mehrfach mit dem Kuwaiti abends im Züricher Luxushotel Baur au Lac ins Gespräch vertieft gesichtet.

Die Indizien sind deutlich: Wie schon Thomas Bach bei der Wahl zum IOC-Präsidenten vertraut Platini beim Griff nach dem Fifa-Thron auf den einflussreichen Strippenzieher.

Zuletzt wurde mehrfach kolportiert, dass Platini für die angestrebte Nachfolge seines Widersachers Sepp Blatter auf die voraussichtlich notwendige Unterstützung aus Asien bauen kann. Dieses Stimmenpaket soll al Sabah kontrollieren. Wie schon früher auf dem Spielfeld agiert Platini derzeit mit präzisem taktischen Gespür — dies schien ihn jedoch in den Wochen zuvor verlassen zu haben.

Zuerst traute er sich nicht, gegen Blatter zu kandidieren. Mit seinem Versuch, den Schweizer vor der Wiederwahl zum Rücktritt zu animieren, scheiterte er kläglich. Beim Kongress am 29. Mai in Zürich lümmelte sich der Fifa-Vize genervt oder gelangweilt auf dem Ehrenpodium und ließ die letztlich doch noch zur Makulatur gewordene Wiederwahl des umstrittenen Schweizers über sich ergehen. Und selbst beim jüngsten Fifa-Exkotreffen kassierte sein Lager in der Debatte um den Termin der Wahl, die nun am 26. Februar stattfindet, eine krachende Niederlage.

Michel Platini: Weltklasse-Spielmacher, Ex-Uefa-Präsident
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Von Platini war man als Spitzenfunktionär andere Führungsstärke und höheres Durchsetzungsvermögen gewohnt. In mittlerweile acht Jahren an der Uefa-Spitze hat er den europäischen Fußball mit maximalem Expansionsdrang zu ökonomischen Topwerten geführt. Krude wirkende Ideen, wie eine EM mit 24 Teams oder ein Pan-Europa-Turnier 2020 in 13 Ländern, setzte er — auch gegen verhaltenen deutschen Widerstand — ebenso durch wie die Nationenliga ab 2018.

Durch Platini würde nun aber eine deutlich größere Skepsis gegenüber dem Einsatz von technischen Hilfsmitteln in das Home of Fifa am Zürichberg einziehen. Während Blatter nach dem erneuten Wembley-Tor durch Englands Frank Lampard bei der WM 2010 gegen Deutschland auf einen Fortschrittskurs schwenkte und die Torlinientechnologie auf den Weg brachte, ist sein früherer Intimus deutlich zurückhaltender.

Und auch seine Unterstützung für Katar als WM-Gastgeber 2022 wird als Schwachpunkt Platinis gewertet. Wenn er sich der Fußball-Welt als große Hoffnung präsentieren werde, "darf nicht vergessen werden, dass er eine Schlüsselfigur des beschämendsten Moments in der Geschichte des Spiels war", schrieb jüngst die britische Zeitung "Independent".

(dpa)
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