Internes Torwart-Duell Bravo will ter Stegen bei Barca verdrängen

Mönchengladbach/Barcelona · Marc-Andre ter Stegen hat sich mit seinem Wechsel zum FC Barcelona einen Traum erfüllt. Doch sein neuer Kontrahent, Chiles Nationaltorwart Claudio Bravo, will keineswegs die Nummer zwei hinter dem Ex-Gladbacher sein.

Ter Stegen in Barcelona angekommen
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Es wird auf dem Podium an diesem Tag viel gelacht. Claudio Bravo sitzt dort oben und stellt sich als der "Neue" vor. Der chilenische Nationaltorwart wurde vom FC Barcelona verpflichtet. "Mir hat niemand gesagt, dass ich als Nummer zwei oder drei gekommen bin, es geht bei Null los. Ich bin immens ehrgeizig und will hier den großen Victor Valdes ersetzen", verkündet Bravo. Es bedarf keiner intensiveren Analyse, um diese Aussage als Kampfansage an Marc-André ter Stegen zu interpretieren. Denn der ist ebenfalls zu den Katalanen mit der finsteren Absicht gewechselt, dort Stammkraft zu werden.

Als solche habe man ihn auch geholt, versicherte Barca-Sportdirektor Andoni Zubizaretta bei der Vorstellung des Deutschland-Imports dann auch artig. Ob es sich dabei nur um eine branchenübliche Floskel gehandelt hat, wird sich ziemlich schnell herausstellen. Der neue Trainer Luis Enrique, der zwei Tage vor ter Stegen vorgestellt wurde, stellte indes gleich klar, dass er noch einen weiteren starken Torhüter holen werde. Claudio Bravo, Torwart der chilenischen WM-Mannschaft, kommt von Real Sociedad. Bravo passe genau ins Profil, das der Klub für den zweiten Torhüter erstellt habe, sagt der spanische Journalist Isaac Lluch: Mit 31 Jahren ist er ein Mann mit Erfahrung, zudem kennt er die spanische Liga. Seit 2006 spielt er für San Sebastian in der Primera Division. Ganz sicher wird Bravo, der in San Sebastian eine gute Saison spielte und so dazu beitrug, dass sich der Klub für das internationale Geschäft qualifizierte, sich nicht bei Barca einfach nur auf die Bank setzen.

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Foto: dpa, apc ks

Ter Stegen indes wusste, als er sich für den Wechsel entschied, dass der Konkurrenzkampf um den Platz im Tor ein anderer sein würde als in Gladbach. Bei Borussia, wo er 18 Jahre spielte, war er unumstritten der erste Mann. Isaac Lluch geht davon aus, dass er auch bei Barca zunächst gesetzt sein wird, allein schon, weil Bravo wegen seines WM-Engagements erst später ins Training einsteigen wird. Zudem hat Luis Enriques Co-Trainer Juan Carlos Unzué ter Stegen schon zu Zeiten von Pep Guardiola gescoutet und hält viel vom 22-Jährigen. "Ter Stegen hat am Anfang sicher einen Vorteil, aber er hat natürlich viel Druck von hinten", sagt Lluch. Fehler, vermutet er, sind nicht erlaubt.

Ter Stegen hat indes gelernt, auch in schwierigen Situationen konzentriert zu bleiben und Top-Leistungen zu bringen. Und er hat die Qualität, es mit jedem Konkurrenten aufzunehmen. Doch er weiß auch, dass er künftig in einer anderen Welt unterwegs sein wird, als Mönchengladbach es für ihn war - fast schon eine Wohlfühloase. "Borussia", sagte er, "war für mich immer ein großer Rückhalt". In Barcelona muss er sich seinen Status neu verdienen.

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Foto: dpa/Marco Steinbrenner

Dass sein Konkurrent ebenfalls gern spielen will, davon ist auszugehen. Und die Tatsache, dass er zwölf Millionen Euro kostet, eben die Summe, die Barcelona laut Zubizarreta auch für ter Stegen zahlte, lässt vermuten, dass es eher keine Garantien für irgendetwas gibt. "Wir Chilenen haben eine Siegermentalität", ließ Bravo wissen. Und tat seine Einstellung zur Reservistenrolle kund, von der er offenbar nicht viel hält: "Ein Torhüter muss im Wettkampf stehen und sich jede Woche lebendig fühlen."

Ter Stegen hat sich zurückgezogen. Seit seiner Präsentation in Barcelona Ende Mai hat der Ex-Gladbacher nicht mit den Medien gesprochen. Er wird auch in diesem Punkt umdenken müssen. Die Erfahrung lehrt, dass es nicht nur darauf ankommt, wie sportlich talentiert jemand ist, sondern ob er sich auch dementsprechend verkaufen kann - deutsche Keeper werden in Spanien mitunter doppelt kritisch beäugt. Robert Enke beispielsweise hatte 2002 in Barcelona keine Chance gegen die nicht gerade übermäßig begabten Roberto Bonano und Victor Valdes. Timo Hildebrand biss sich 2007 in Valencia an Klub-Ikone Santiago Canizares die Zähne aus. Und Bodo Illgner wurde bei Real Madrid (1996 bis 2001) schließlich auch vom aufstrebenden Iker Casillas verdrängt. Ter Stegen könnte bei Barca Ähnliches drohen.

(RP)
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