Abschied wegen "politischer Situation" Mit Gomez beginnt die Flucht der Fußballer

Istanbul/Düsseldorf · Nationalstürmer Mario Gomez verlässt Besiktas Istanbul aus politischen Gründen, wie er sagt: Er zieht die Konsequenzen aus dem Putschversuch in der Türkei und Erdogans Reaktionen darauf. Doch die Erklärung des Fußballers wirft Fragen auf.

 Mario Gomez verlässt Besiktas Istanbul.

Mario Gomez verlässt Besiktas Istanbul.

Foto: afp

Mario Gomez wird sich wohl kaum von der Unesco auf die Liste der bedrohten Kulturgüter setzen lassen können. Und als politisch Verfolgter geht ein Profifußballer in aller Regel auch nicht durch. Dennoch beteuert der deutsche Nationalspieler, er werde aus politischen Gründen nicht mehr für Besiktas Istanbul spielen.

In den Sozialen Medien schrieb er: "Schweren Herzens will ich euch Besiktas-Fans persönlich mitteilen, dass ich in der kommenden Saison nicht für diesen tollen Verein, vor euch überragenden Fans spielen werde. Der Grund dafür ist ausschließlich die politische Lage." Gomez ist der erste prominente Sportler, der nach dem gescheiterten Putsch und Präsident Erdogans Reaktionen in der Türkei Konsequenzen zieht.

Seine Erklärung wirft Fragen auf. Die naheliegende stellen skeptische Zeitgenossen: Ist sie nur vorgeschoben? Dafür spricht, dass Gomez seit der Europameisterschaft mit Wechselabsichten unterwegs ist. Sein Klub ist zwar noch der AC Florenz, der ihn vergangene Saison an Besiktas ausgeliehen hat, aber auch der Verein will mit Gomez an einem Transfergeschäft verdienen. Der deutsche Stürmer soll zehn Millionen Euro im Jahr erhalten, das ist den Italienern zuviel. Sie haben mit Wonne gesehen, dass der 31-Jährige bei der EM mit guten Leistungen auf die große Bühne zurückkehrte. Das macht ihn wieder zu einem interessanten Spekulationsobjekt. Der VfL Wolfsburg hat sich bereits in Stellung gebracht. Gomez sieht seine Zukunft eher in England. Besiktas war nie ernsthaft ein Thema.

Die zweite Frage: Bleibt Gomez der einzige Fußballer, der wegen der politischen Lage und der Unsicherheit im öffentlichen Leben der Türkei den Rücken kehrt? Das ist unwahrscheinlich. Obwohl Profisportler in einem goldenen Käfig leben, bekommen sie natürlich mit, was im Land vorgeht. Vor allem die Zunahme von Anschlägen wird sie verunsichern. Der ehemalige Münchner José Sosa, heute ebenfalls bei Besiktas, hat schon laut über seine Zukunft nachgedacht. "Meine Ehefrau hat Angst, in Istanbul zu leben. Ich habe Angst um meine Töchter. Meine Priorität ist die Familie", sagte er. Und Lukas Podolski (Galatasaray), der wegen seiner zahlreichen Heimflüge nach Köln ständig auf dem Istanbuler Flughafen zu Gast ist, hatte bereits im Frühjahr nach Anschlägen in der Türkei einen Wechsel erwogen.

Die dritte Frage: Bleibt die Türkei das wichtigste Wintertrainingsland der deutschen Fußballer? In der Türkei gibt es eine regelrechte Trainingslager-Industrie. Allein sieben der 18 Bundesligisten bereiteten sich im vergangenen Winter in Belek oder Antalya auf die Rückrunde vor. Ob sie die Türkei auch künftig für ein sicheres Land halten, ist nicht heraus. Vielleicht verhalten sie sich wie die Touristen, die dem Land bereits vor dem Putsch und den politischen Umwälzungen den Rücken kehrten. Im Mai waren die Buchungen im Vergleich zum Vorjahr um 34,7 Prozent zurückgegangen.

(pet)
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