Robert Pinior "Lars Unnerstall ist unser Königstransfer"

Mönchengladbach · Der Deutschland-Verantwortliche von VVV-Venlo spricht über den Aufstieg, die Beziehungen nach Deutschland und den Stadion-Umbau.

 Vier Spieltage vor dem Saisonende in der Jupiler League reichte VVV am Karfreitag ein knapper 2:1-Erfolg beim RKC Waalwijk, um die Rückkehr in die niederländische Ehrendivision perfekt zu machen.

Vier Spieltage vor dem Saisonende in der Jupiler League reichte VVV am Karfreitag ein knapper 2:1-Erfolg beim RKC Waalwijk, um die Rückkehr in die niederländische Ehrendivision perfekt zu machen.

Foto: imago (Archiv)

VVV-Venlo ist nach vier Jahren Zweitklassigkeit in die erste Klasse des niederländischen Fußballs zurückgekehrt. Als Meister der Jupilier League stieg das Team aus der Grenzstadt in die Eredivisie auf. Karsten Kellermann sprach mit Venlos Deutschland-Beauftragtem Robert Pinior über den Aufstieg, die Frage, ob der Klub erstligatauglich ist, und über die deutschen Sponsoren des Vereins.

Herr Pinior, es war ein langer Weg zurück in die Eredivisie. Warum ging es nicht schneller?

Robert Pinior Das erste Jahr nach dem Abstieg war unglücklich. Wir wollten gleich wieder hoch, sind aber in den Aufstiegs-Play-offs gescheitert. Der neue Trainer Maurice Steijn hat dann anschließend einen Umbruch eingeleitet und das Team aufgebaut, das nun aufgestiegen ist. Das erste Jahr unter Steijn war ein Anpassungs-Jahr, im zweiten sind wir wieder knapp in den Play-offs gescheitert. Nun hatte Steijn gesagt: Das ist mein Kader, davon bin ich überzeugt. Wenn wir es jetzt nicht schaffen, ist meine Mission hier gescheitert. Es war schon eine Art Ultimatum an sich selbst.

Ist der Aufsteiger Venlo erstligatauglich?

Pinior Der Verein ist genau zwischen Eredivisie und der Jupiler League anzusiedeln. Von der Infrastruktur her ist VVV nur bedingt erstligatauglich. Von der sportlichen Kompetenz des Klubs und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Stadt aber definitiv. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Standorts ist groß. Und in Stan Valckx als Sportdirektor, der in Eindhoven und Krakau sehr erfolgreich gearbeitet hat, haben wir einen Mann in der sportlichen Leitung, der viel Knowhow hat - und Herzblut, denn er kommt aus Venlo. Er ist ein Glücksgriff. Maurice Steijn hat seine sehr eigene Philosophie, aber er hat mit seiner geradlinigen Art großen Erfolg. Er ist sehr ehrlich, das schätzen die Spieler an ihm. Valckx und Steijn funktionieren in der Kombination super.

VVV hat sich mit dem Schalker Torwart Lars Unnerstall verstärkt. Ist er der Königstransfer für die neue Saison?

Pinior Das kann man so sagen. Vor ein paar Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass er bei Venlo spielt, er Stammkeeper bei Schalke und spielte Champions League. Jetzt war bei Fortuna Düsseldorf er fast eineinhalb Jahre ohne Wettkampfpraxis auf hohem Niveau — das war unsere Chance. Dass er finanzielle Zugeständnisse machen muss, ist klar.

Wie hoch ist der Etat für die Eredivisie?

Pinior Für den Gesamtverein rund 6,5 Millionen Euro, das wäre in Deutschland etwa im oberen Drittel der dritten Liga anzusiedeln. Für den Gehaltsetat haben wir zirka drei Millionen Euro für das gesamte Team. Wenn man es auf Deutschland übersetzt, wären wir Außenseiter in der Zweiten Liga oder ein Team aus dem oberen Drittel der dritten Liga. Wir haben im Vergleich zum Abstiegsjahr allerdings finanziell deutlich zurückgeschraubt, damals lag der Gesamtetat bei neun Millionen Euro. Dennoch: Der Verein ist wirtschaftlich gesundet. Wir haben vor einem Jahr einen Entwicklungsplan für die nächsten drei Jahre geschrieben. Darin stand, dass wir innerhalb von drei Jahren aufsteigen wollen. Wir haben Arbeitsgruppen gegründet, in denen Vereinsvertreter, Fans, Sponsoren und Politiker sitzen, die sich um verschiedene Themenbereiche kümmern. Mit dem Aufstieg sind wir dem Zeitplan voraus - und auch sonst trägt die Arbeit erste Früchte.

Zum Beispiel?

Pinior Wir haben jetzt Video-Leinwände im Stadion, zur neuen Saison bekommen wir eine feste Fan-Zone vor dem Stadion, eine E-Sport-Corner, weil in Holland das Thema E-Sports eine große Rolle spielt. Wir werden bald sogar einen festen E-Sportler haben, der gegen andere Klubs antritt. Gerade wird eine unserer zwei Business-Logen renoviert, wir bekommen einen neuen Kunstrasen. Ab nächstem Sommer wollen wir dann das Stadion komplett umbauen, etwa so, wie es der FC St. Pauli gemacht hat, Tribüne für Tribüne. Dafür müssen wir allerdings erst das bisher gepachtete Stadiongelände von der Stadt kaufen. Das wollen wir bis Ende des Jahres realisieren. Dann sollen im Sommer 2018 die ersten Bagger rollen und 2019 soll die neue "Koel" mit bis zu 12.000 Zuschauern fertig sein. Das Umbauprojekt wird gut zehn Millionen Euro kosten. Das Stadion soll komfortabler werden, aber wir wollen den Charme, den es hat, beibehalten. Die nostalgische steile Treppe vom Umkleidebereich zum Rasen soll zum Beispiel unter Denkmalschutz gestellt werden.

Für Ihre Arbeit als Deutschland-Verantwortlicher des Vereins: Macht der Aufstieg es Ihnen leichter?

Pinior Ehrlich gesagt spielt das für den deutschen Markt keine so große Rolle. Wir haben jetzt rund 50 deutsche Sponsoren und Partner, und die Zahl steigt kontinuierlich. Ein Aufwärtstrend war trotz des Abstiegs vor vier Jahren schon zu erkennen, und nun nach dem Aufstieg explodiert es auch nicht überproportional. In erster Linie kommen die Firmen zunächst wegen der Kontakte zu niederländischen Firmen zu uns, sie werden meist erst im Laufe der Zeit zu Sympathisanten oder Fans des VVV. Aber es gibt mittlerweile auch deutsche Unternehmer, die VVV auf der Tribüne mehr anfeuern, als die Venloer selbst. Grundsätzlich ist es für meine Arbeit aber natürlich von Vorteil, wenn man nun gegen Ajax und nicht mehr gegen Almere spielt.

Ajax kommt am dritten Spieltag - ein Feiertag für VVV?

Pinior Absolut. Da stehen dann bei uns plötzlich Spieler auf dem Platz, die gerade in Europa für Furore gesorgt haben und es auch weiter tun werden. Ein Kasper Dollberg, ein Klaas-Jan Huntelaer, der zurück zu Ajax gegangen ist. Nach solchen Spielen dürsten unsere Fans natürlich, alle sind heiß auf die neue Saison.

VVV versucht immer auch Kooperationen mit deutschen Profi-Klubs zu knüpfen - das ist als Erstligist vermutlich schwieriger wegen der gefühlten Konkurrenz-Situation?

Pinior Es ist sicherlich so, dass wir nun mehr auf den deutschen Spielermarkt schauen können, weil wir für deutsche Spieler interessanter geworden sind als Plattform. Wir haben für die neue Saison vermutlich drei bis vier deutsche Spieler im Kader - und rund 25 deutsche Spieler im Nachwuchsbereich. Dass sich deutsche Spieler in Holland gut entwickeln können, zeigt das Beispiel Amin Younes bei Ajax. Für ihn ist das niederländische System, das 4-3-3, das wir in Venlo auch von der jüngsten Jugend an spielen, Gold wert. Genauso wie der Ajax-Hype derzeit für den niederländischen Fußball. Richtige Kooperationen sind schwer zu realisieren, aber ein guter Kontakt schadet nie ...

Wäre gerade wegen des Beispiels Younes nicht eine Kooperation mit Vereinen wie Borussia oder Fortuna Düsseldorf sinnvoll?

Pinior Natürlich kann man sich vorstellen, dass Spieler, die in diesen Klubs nicht zum Zuge kommen, in den Niederlanden auf Leihbasis Spielpraxis sammeln. In meinen Augen ist die Eredivisie da perfekt geeignet. Zum Beispiel leiht Manchester City viele junge Spieler an NAC Breda oder Twente Enschede aus, Chelsea arbeitet mit Vitesse Arnheim zusammen, und wir haben eine lose Verbindung zu West Ham United. Aber wir sind nicht nur für Nachwuchsspieler interessant. Wahnsinn, was uns derzeit an Anfragen von Beratern deutscher Spieler erreicht.

VVV Venlo, der "duitse" Verein in Holland?

Pinior Das sagen die Leute über uns, ja. Wegen der Grenznähe, aber auch wegen anderer Details. Wir sind der einzige Klub in den Niederlanden, der in der Loge kostenfrei Essen und Getränke anbietet, so wie es in Deutschland üblich ist. Und wir haben rund fünf Prozent deutsche Dauerkarten-Inhaber, inklusive der Tageskarten sogar bis zu zehn Prozent deutsche Zuschauer.

Das Saisonziel ist der Verbleib in der Eredivisie. Ist das realistisch?

Pinior Wir gelten als Abstiegskandidat Nummer eins und haben hinter Excelsior Rotterdam den kleinsten Etat der Liga. Weitere Konkurrenten wie Sparta Rotterdam, Heracles Almelo, ADO Den Haag oder Roda Kerkrade verfügen alle etwa über den doppelten Etat. Allerdings sind die letzten acht Zweitliga-Meister im ersten Jahr nicht abgestiegen. So etwas macht uns Mut. Zudem hat bis auf Nils Röseler kein Spieler von uns je eine Sekunde in der Eredivisie gespielt. Das war im Aufstiegsjahr das Credo von Trainer Maurice Steijn. Alle Jungs waren heiß auf den Aufstieg, das war eine Extra-Motivation, die schon im Aufstiegsrennen geholfen hat. Daraus ist ein echtes Team erwachsen. Wir haben keine herausragenden Spieler, aber alle zusammen funktionieren super. Früher hatten wir Stars wie Keisuke Honda oder Ahmed Musa, von denen wir aber auch abhängig waren. Das ist nun anders.

Wenn der Klassenverbleib klappt, wird dann, künftig auch mit einem moderneren Stadion, aus dem Eineinhalbligist VVV ein konstanter Erstligist?

Pinior Im Moment sind wir zwischen Platz 15 und 22 der Klubs in Holland anzusiedeln. Wenn es gut läuft, sind wir in der Eredivisie, wenn nicht in der Zweiten Liga. Ziel ist es, langfristig zwischen zwölf und 18 zu stehen, das heißt: im Schnitt von zehn Jahren acht Jahre Eredivisie zu spielen. Aktuell sind es fünf von zehn Jahren in der Ersten Liga.

(RP)
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