"Traurig" und "alternativlos" Sammer gehörte Wachregiment der Stasi an

Berlin · Die Stasi-Akte von Ex-Nationalspieler Matthias Sammer ist aufgetaucht. Europas Fußballer des Jahres von 1996 war Mitglied im Wachregiment Feliks Dzierzynski. Als Spitzel arbeitete er aber nicht.

 Matthias Sammer im Trikot der DDR-Nationalmannschaft. (Archivbild)

Matthias Sammer im Trikot der DDR-Nationalmannschaft. (Archivbild)

Foto: dpa, hrad hpl dpa nic

Die Biographie von Matthias Sammer ist um ein pikantes Detail reicher. Der frühere Weltklasse-Fußballer und Sportvorstand von Bayern München hat sich im Alter von 19 Jahren in der DDR dem Wachregiment Feliks Dzierzynski verpflichtet und unterstand damit dem DDR-Ministerium für Staatssicherheit. Spitzeltätigkeiten leistete der "Unteroffizier auf Zeit" aber nicht, der Eintritt diente allein dem reibungsloseren Verlauf der Fußballkarriere.

"Es gab Zwänge, denen du dich nicht entziehen konntest. Das war natürlich traurig und ein Bestandteil eines falschen Systems. Und: Es war auch alternativlos", sagte Sammer der "Sport Bild". Die Zeitschrift hatte den früheren Bundesliga-Profi mit der Stasi-Akte konfrontiert und den 50-Jährigen "für einen Moment" sprachlos gemacht. Bis dahin soll Sammer noch nie in seine Akte geschaut haben.

Das Wachregiment Dzierzynski unterstand in den 1980er Jahren einer Arbeitsgruppe von Stasi-Chef Erich Mielke, galt politisch als besonders zuverlässig. "Die Spieler von Dynamo wurden generell dem Wachregiment zugeteilt", sagte Sammer, der mittlerweile als TV-Experte von Eurosport arbeitet. Es sei im Prinzip "ein Alibi" gewesen, um "keinen aktiven Wehrdienst leisten zu müssen".

Die Repressalien des Systems bekam die Familie Sammer früh zu spüren. Vater Klaus, ebenfalls ein Ausnahmespieler, weigerte sich lange, in die SED einzutreten und durfte nicht zu Olympia 1972 und zur WM 1974, obwohl er in der Qualifikation alle Spiele bestritten hatte. "Mein Vater ist bestimmt durch das System beschädigt worden", sagte Sammer junior.

Keine Waffe, keine Übungen

Im Wachregiment konnte sich Sammer intensiv seiner Fußballkarriere widmen. Lediglich bei der Einkleidung und am Tag des Austritts nach 17 Monaten habe er mit dem Regiment zu tun gehabt. "Ich sah weder eine Waffe, noch musste ich an irgendeiner Übung teilnehmen", berichtete Sammer, der für die DDR 23 Auswahlspiele bestritten hatte, ehe er Nationalspieler der Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) wurde und 1996 den EM-Titel gewann.

Sammer betonte, dass er mit dem Eintritt ins Wachregiment keinerlei Verpflichtung eingegangen sei, jemanden zu denunzieren. Dass er jedoch von Mitspielern bespitzelt wurde, sieht Sammer heute "überhaupt nicht problematisch". Im Mannschaftskreis habe man über Dinge wie Politik oder Verwandtschaft im Westen nicht geredet. "Ich wusste, dass dies gefährlich ist. Davor hatte mich mein Vater gewarnt", so Sammer.

Im Frühjahr 1989 war Sammer in den Fokus der Stasi gerückt, weil er sich nach einem Europapokalspiel mit Dynamo Dresden beim VfB Stuttgart mit dem damaligen VfB-Trainer Arie Haan unterhalten hatte. Haan sagte ihm, dass er in die Bundesliga gehöre. Eineinhalb Jahre später war es so weit. Der temperamentvolle Rotschopf wechselte tatsächlich zum VfB, die Weltkarriere nahm Schwung auf. Mit Borussia Dortmund gewann er 1997 als Spieler die Champions League und 2002 als Trainer den Meistertitel. Auch als Sportdirektor beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) und Sportvorstand bei Bayern München war er sehr erfolgreich. Mit den Bayern holte er zahlreiche Titel, unter anderem die Champions League im Jahre 2013.

(sid)
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