Grlic Ich habe häufiger betont, dass es sehr schwer werden würde, ihn nach Duisburg zu holen. Deshalb verstehe ich die Aufregung, die um Stefan herrscht, nicht. Ich war in Österreich, bin seine Situation mit ihm durchgegangen und habe unsere Chancen abgeklopft. Fakt ist: Stefan hat einige Angebote vorliegen, und es ist bekannt, dass unsere finanziellen Mittel beschränkt sind. Damit dürfte die Antwort klar sein. Stefan müsste auf einen Großteil seines Gehaltes verzichten. Unabhängig davon werde ich versuchen, im Rahmen meiner Möglichkeiten Verstärkungen des Kaders zu realisieren.

Die wirtschaftliche Situation hat die Personalplanungen erheblich beeinflusst. Wie froh sind Sie, dass die Finanzlage vorerst geklärt ist?

Grlic Sehr froh, und ich möchte mich auch bei allen bedanken, die unserem Verein geholfen haben. Zum Glück hat sich zur finanziellen Aufhellung auch der sportliche Erfolg eingestellt.

Die Insolvenz ist abgewendet. Was heißt das für Ihre Arbeit? Auf dem Wunschzettel des Trainers stehen ein Stürmer und ein Abwehrspieler.

Grlic Es gibt finanziell auch weiterhin wenig Spielraum für Transfers. Wir können nur Leute verpflichten, die uns keine Ablöse kosten. Daher müssen wir interessante Spieler besonders intensiv beobachten, um sicherzugehen, dass sie zu uns passen. Ich werde in den kommenden Wochen den Markt sondieren. Im Moment bekomme ich von allen Seiten Namen zugeworfen. Bei einigen Spielern aus dem Ausland muss ich erst einmal schauen, wer das überhaupt ist.

Nochmal gefragt. Sind Verstärkungen im Winter realistisch?

Grlic Dazu kann ich noch nichts sagen. Wenn man aber die Statistik betrachtet und sieht, dass unsere Stürmer lediglich sechs Mal trafen, darf man wenigstens über Neuzugänge nachdenken. Trotzdem haben sich unsere Stürmer in den letzten Wochen gesteigert. Beispielsweise Ranisav Jovanovic zeigt immer mehr, warum wir ihn zum MSV geholt haben.

Es heißt, von Sponsoren wurde Geld für Transfers in Aussicht gestellt.

Grlic Wenn das so kommt, bin ich froh. Im Moment kann ich dazu nichts sagen. Wir haben eine Handvoll Spieler im Auge, die wir beobachten und über die wir uns in den kommenden Wochen weitere Infos einholen. Ob am Ende dann ein oder zwei von ihnen für uns realisierbar sind, ist aber längst nicht konkret.

Es wurde vor Weihnachten viel über drohende Verkäufe spekuliert. Was macht Sie sicher, dass diese im Zuge der Konsolidierung vermieden werden können?

Grlic Wir müssen ehrlich sein. Der MSV wird es sich nicht leisten können, ein Millionenangebot abzulehnen. Aber Stand heute können wir alle Leistungsträger halten. Es ist bekannt, dass Andre Hoffmann Angebote von Erstligisten hat. Aber das Schöne ist, er hat einen Vertrag bis 2015.

Dennoch: Ein vorzeitiger Verkauf könnte dem MSV wichtiges Geld in die Kasse spülen.

Grlic Im Fußball ist nichts auszuschließen. Aber wir wollen versuchen, im Winter alle Spieler zu halten, um nicht Gefahr zu laufen, ähnlich schlecht in die Rückrunde zu starten wie letztes Jahr. Ich denke nur an das vergangene Wintertrainingslager. Danach haben wir fünf Spiele in Folge verloren. Ich habe die Jungs direkt nach dem letzten Spiel gegen Regensburg noch einmal davor gewarnt.

Sie haben angekündigt, den Kader im Winter verkleinern zu wollen. Valerie Domovchiyski und Dzemal Berberovic liegen angeblich Angebote aus Bulgarien vor. Werden beide zum Trainingsauftakt am 3. Januar noch in Duisburg sein?

Grlic Sie kennen mich doch. Ich gebe keine Wasserstandsmeldungen ab. Wenn was passiert, werde ich mich dazu äußern. Aber Spieler abzugeben wird nicht einfach. Das haben wir bei Emil Jula und Florian Fromlowitz gesehen. Wenn wir es schaffen, den Kader um zwei Spieler zu verkleinern, dann wäre das aus wirtschaftlicher Sicht sicher gut.

Flamur Kastrati wird mit Aue in Verbindung gebracht. Wie weit sind in seinem Fall die Verhandlungen?

Grlic Da sind wir wieder bei der Wasserstandsmeldung (lacht). Ich sage nur so viel: Aue hat Interesse, das bedeutet aber noch nichts.

Im Sommer laufen 18 Verträge aus, Darunter auch die von Goran Sukalo oder Branimir Bajic, die ebenso in den Fokus anderer Klubs geraten sind. Werden Sie die Leistungsträger halten können?

Grlic Wenn jemand auf so einem Niveau spielt, ist das Interesse anderer Vereine normal. Goran weiß, dass wir ihn unbedingt behalten wollen. Das Trainingslager ist der perfekte Zeitpunkt, um mit den Jungs zu sprechen. Dort sind wir 24 Stunden am Tag zusammen. Da werde ich sicherlich Gespräche suchen.

Fürchten Sie einen zu großen Umbruch?

Grlic So weit will ich im Moment nicht denken. Oberstes Ziel ist, die Saison unbeschadet zu überstehen und den Klassenerhalt möglichst schnell zu sichern. Dann haben wir die Möglichkeit, gemeinsam mit unserem Trainer das Team zu formen. Aber um ein Fundament zu errichten, wird auch dieses Team Zeit benötigen. Langfristig werden wir damit aber Erfolg haben. Es wird drei - vier Jahre dauern, bis wir wieder so weit sind, uns ernsthaft über höhere Ziele Gedanken zu machen.

Öfter wird Kritik laut, Sie seien als Sportdirektor zu unerfahren.

Grlic (lächelt) Ich bin vielleicht ein junger Sportdirektor, der nicht so viel Erfahrung in dieser Funktion hat. Aber ich bin seit 18 Jahren im Profigeschäft zu Hause und verfüge über gute Verbindungen in die Bundesliga. Das lässt sich an meinen Transfers sehen, die langsam greifen.

Lassen Sie uns konkret werden. Sie haben Sören Brandy sehr früh als ersten Zugang bekanntgegeben.

Grlic Mit vier Treffern ist er unser bester Torschütze. Er ist ein Kämpfer, arbeitet viel für die Mannschaft und passt, wie ich finde, zu hundert Prozent nach Duisburg. Er zählt zu den Gewinnern der Hinrunde.

Mit der erneuten Ausleihe des damals noch verletzten Julian Koch sind Sie ein hohes Risiko gegangen.

Grlic Natürlich wussten wir nicht, wie sich seine Genesung entwickelt. Aber wir kennen Julian und wussten, dass er alles geben würde, um schnell zurückzukehren. Er hat einen tollen Charakter und ist ein absoluter Führungsspieler mit großen Sympathien in Duisburg. Er wird von Spiel zu Spiel besser und ist ein enorm wichtiger Baustein in unserem Team. Ich würde mich jederzeit wieder um ihn bemühen. Auch Timo Perthel wird noch ganz wichtig für uns werden. Leider hat er sich in der Vorbereitung verletzt, aber er hat sein Potenzial bereits gezeigt.

Dagegen gibt es leise Kritik an der Verpflichtung von Antonio da Silva.

Grlic Leider bleibt er bisher noch hinter meinen Erwartungen zurück. Ich hoffe, dass er sein Können noch unter Beweis stellt. Zuletzt spielte er — auch aufgrund von Verletzungen — unter Kosta Runjaic nicht mehr.

Suchen Sie ihm schon im Winter einen neuen Verein?

Grlic Toni hat einen Vertrag bis zum 30.06.2013 und alles andere werden wir sehen.

Mit Rückblick auf den schlechten Hinrundenstart: Hätte sich der MSV früher von Oliver Reck trennen müssen?

Grlic Im Nachhinein ist es immer einfach zu sagen, dass wir den Schritt eher hätten gehen müssen. Aber Olli hatte sich seine Chance verdient. Er und Uwe Schubert haben den MSV in der Vorsaison mit viel Einsatz vor dem Abstieg bewahrt. Wenn es sportlich dann nicht läuft, ist es aber eine nicht unübliche Konsequenz im Profifußball, dass Trainer gewechselt werden. Umso mehr freut es mich, dass Kosta Runjaic es geschafft hat, die Mannschaft zu stabilisieren.

Wobei er anfangs seine liebe Mühe hatte und gehörig Aufbauarbeit leisten musste.

Grlic Kosta kam ohne Vorbereitung in einer noch dazu sportlich schwierigen Situation mit unfassbar vielen Verletzten zum MSV. Wenn man die letzten elf Spiele betrachtet, dann können wir mit der Entwicklung zufrieden sein. Sind wir doch mal ehrlich: Niemand von uns hatte nach dem miserablen Start daran geglaubt, dass wir bis zur Winterpause mehr Punkte erreichen, als zum gleichen Zeitpunkt der vergangenen Saison. Ich glaube, dass wir mit Kosta Runjaic nicht nur an den kurzfristigen Erfolg, sondern auch an die Zukunft gedacht haben.

Andererseits war es schon mutig, als Tabellenletzter einen noch unbekannten Trainer zu verpflichten, um die Kehrtwende einzuleiten.

Grlic Mit Sicherheit. Kosta hatte bis dato in der zweiten Liga keine Erfahrung als Cheftrainer. Doch ich war von ihm wie auch von Ilia Gruev als Co-Trainer zu hundert Prozent überzeugt. Obwohl sich beide zuvor nicht kannten, klappt die Zusammenarbeit super. Sie sind fußballverrückt, reden 24 Stunden am Tag über nichts anderes und geben alles für den MSV. Das ist das, was wir brauchen. Dazu besitzen sie ein enormes taktisches Fachwissen.

Brauchte die Personalie Runjaic viel Überzeugungsarbeit?

Grlic Man muss wissen, was der MSV in Zukunft haben möchte. Wir wollen zukunftsorientiert arbeiten, brauchen einen hungrigen Trainer, der Visionen hat. Ich habe immer betont: Wir brauchen drei - vier Jahre, um wieder eine Mannschaft für höhere Ambitionen aufzubauen. Das geht nicht so schnell. Dann können wir sagen: Wir greifen wieder an. Wir wollen doch junge Spieler nach vorne bringen. Ein Team haben, von dem der Zuschauer sagt: Damit kann ich mich identifizieren.

Man läuft dann aber Gefahr, gute junge Spieler schnell zu verlieren.

Grlic Der MSV hat auch in seiner guten Zeit immer die besten Spieler abgegeben. Das ist das Geschäft. Aber es ist trotzdem möglich, Leistungsträger zu halten. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, dass wir sagen: Jetzt ist der Angriff auf die erste Liga wichtiger, und daher geben wir diese Spieler auch nicht her.

STEFANIE SANDMEIER FÜHRTE DAS GESPRÄCH