Auslosung der EM-Qualifikation Programmierte Langeweile

Nizza · Cote d'Azur, Staraufgebot, neuer Modus, neue Vermarktung, neuer TV-Sender - doch das ganze Brimborium um die Auslosung der EM-Qualifikation am Sonntag (12.00 Uhr) in Nizza kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass für die Top-Nationen Langeweile auf dem Weg zur Fußball-Europameisterschaft 2016 in Frankreich programmiert ist.

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Foto: dpa, Andreas Gebert

"Der Wettbewerb wird sicher nicht interessanter. Es gibt eine gefühlte Verwässerung", sagte Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff mit Blick auf die zehn Partien zwischen September 2014 und Oktober 2015.

Die Skepsis Bierhoffs kommt nicht von ungefähr. Die Aufblähung des Endrunden-Teilnehmerfelds von 16 auf 24 Mannschaften nimmt der Qualifikation jede Spannung. Für die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) wird es nur darum gehen, wie früh sie sich für das Turnier vom 10. Juni bis 10. Juli qualifiziert. Schließlich schaffen es in den neun Qualifikationsgruppen die ersten beiden Teams und sogar noch der beste Gruppendritte direkt zur Endrunde. Die restlichen acht Gruppendritten spielen in Play-offs weitere vier EM-Teilnehmer aus.

Spannungsverluste in der Qualifikation

Selbst die Spitze der Organisationskomitees gab vor der Auslosung im Akropolis-Kongresscenter zu, dass die Qualifikation kaum noch etwas Wert ist, wenn es 24 von 54 Ländern zur Endrunde schaffen. "Die Qualifikation verliert etwas von ihrer Spannung und ihrem Charme", sagte OK-Chef Jacques Lambert.

Nach Ansicht des DFB versprühte der neue Modus der Europäischen Fußball-Union (UEFA), einem Lieblingskind von Präsident Michel Platini, noch nie Charme. Verbandsboss Wolfgang Niersbach hat immer wieder erklärt, dass ihm die bisherige Austragungsform wesentlich besser gefällt. Nicht zuletzt wegen der Qualifikation. Denn zukünftig drohen dem DFB am Ende der Qualifikation Partien ohne sportlichen Wert. Ob "Freundschaftsspiele" die großen Arenen füllen werden, ist mehr als fraglich.

Bierhoff teilt diese Bedenken. "Wichtig ist, dass das Produkt interessant und gut bleibt", äußerte der Europameister von 1996, der lediglich möglichen Personal-Experimenten für Bundestrainer Joachim Löw oder dessen Nachfolger etwas Positives abgewinnen kann: "Vielleicht gibt es die Möglichkeit, das ein oder andere mehr auszuprobieren."

Diese Chance wird es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit geben. Da Deutschland in Topf 1 gesetzt ist, verbreiten selbst die schwerstmöglichen Gegner (Schweden oder die Schweiz aus Topf 2, die Türkei oder Serbien aus Topf 3) nicht gerade Angst und Schrecken.

Da ist es fast schon egal, wie die 13 ehemaligen Weltklasse-Torhüter (darunter Andreas Köpke, Dino Zoff, Fabian Barthez, Peter Schmeichel) unter Anleitung der Moderatoren Ruud Gullit und Bixente Lizarazu (früher Bayern München) losen werden. Die Teams aus den Töpfen 4 bis 6 dürften allesamt Punktelieferanten sein.

Bierhoff versucht deshalb gar nicht erst, auf Spannung zu machen. "Unser Anspruch ist es ohnehin immer, unsere Qualifikationsgruppe zu gewinnen. Deshalb gibt für uns keinen großen Unterschied bei der Herangehensweise", sagte der Manager: "Da die Qualifikation für uns schon immer Pflicht war, ist sie jetzt erst Recht Pflicht."

Eine Millionen Euro mehr pro Spiel

Immerhin darf sich der DFB aufgrund der neuen TV-Zentralvermarktung durch die UEFA auf mehr Einnahmen freuen. Zukünftig gibt es fünf statt der bisherigen vier Millionen Euro pro Spiel, zudem behält der Verband die Marketingrechte (Bandenwerbung).

Neu sind auch die Spielpläne, die nun von der UEFA unter dem Motto "Nationalmannschafts-Wochen" erstellt werden. Von Donnerstag bis Dienstag werden jeweils acht bis zehn Partien pro Tag stattfinden, feste Spieltage gibt es nicht mehr. Damit will die UEFA den Fernsehsendern an jedem Tag mindestens ein Top-Spiel bieten.

Die Spiele der deutschen Mannschaften werden von RTL übertragen. Der Kölner Privatsender setzte sich (wie auch bei der Qualifikation zur WM 2018 in Russland) gegen die Platzhirsche von ARD und ZDF durch. Wegen der bestehenden TV-Verträge wird Deutschland in jedem Fall in eine der acht Sechsergruppen gelost.

Gastgeber Frankreich füllt die einzige Fünfergruppe auf und dient den Teams als Testspielgegner an ihren eigentlich spielfreien Terminen. Die Fünfergruppe ist auch der Grund dafür, dass am Ende der Qualifikation die Spiele in den Sechsergruppen gegen die Tabellenletzten nicht gewertet werden. Nur so ist der beste Gruppendritte ohne ein verzerrtes Bild zu ermitteln.

(sid)
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