EM-Kapitän wird 65 Bernard Dietz — der kleine Arbeiter aus dem Ruhrpott

Duisburg · Dass sein Klub einst kurzerhand in "MSV Dietzburg" umgetauft wurde, sagt einiges über den Stellenwert von Bernard Dietz. Der Schmiedegeselle hat sich bis zum Kapitän der EM-Siegerelf von 1980 gekämpft. Am Freitag wird der Prototyp des Fußball-Malochers 65.

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Wenn Bernard Dietz über den historischen Moment redet, als er 1980 den EM-Pokal zuerst in den Himmel von Rom recken durfte, schwingt immer noch viel Ehrfurcht mit. "Kaum zu glauben, da stand der kleine Arbeiter aus dem Ruhrpott plötzlich ganz oben und war Europameister", erzählt Dietz. In Italien führte er als Kapitän die deutsche Nationalelf im EM-Finale zum 2:1-Sieg über Belgien. An diesem Freitag (22. März) feiert er seinen 65. Geburtstag, reif für die Rente fühlt sich Dietz aber noch lange nicht. "Wichtig ist, dass ich den Rasen riechen kann."

Dietz, den alle nur "Ennatz" rufen, ist lieber im Einsatz. Vom nächsten Dienstag an engagiert er sich in Duisburg-Rumeln in der Fußballschule, die er regelmäßig mit seinem Sohn Christian veranstaltet. Noch dringender ist sein Engagement beim Zweitligisten MSV Duisburg gefragt. Dietz steht als Berater des Vorstands für alle Fußballfachfragen zur Verfügung. Und nicht nur das: Als der Klub im August 2012 nach der Beurlaubung von Oliver Reck plötzlich ohne Trainer dastand, übernahm Dietz für eine Woche mit die Verantwortung.

"Ich brauche den Trainerjob nicht mehr"

Das tat er nur, weil es "sein" MSV war. Eigentlich hatte er mit dem Trainergeschäft schon in November 2006 nach einem Engagement beim damaligen Regionalligisten RW Ahlen desillusioniert abgeschlossen:
"Ich brauche den Trainerjob nicht mehr." Seine Werte seien nicht mehr gefragt. Dietz konnte es nicht ertragen, dass Spieler ohne Freude zum Training kamen und er sich vor den Beratern für seine Aufstellungen rechtfertigen musste. "Mir ging es nie ums Geld, aber heutzutage wird um jeden Cent gefeilscht, obwohl Einsatz und Leidenschaft nicht stimmen", meint Dietz, der nie einen Berater hatte.

Dass er in Duisburg den Rang einer Fußball-Ikone hat, macht Dietz allerdings sehr stolz. 394 Bundesligaspiele bestritt der gelernte Schmied, der während seiner Gesellenzeit zwei Finger verlor, zwischen 1970 und 1982 für die "Zebras". Er wurde zum Prototyp des Malochers. "Marschieren, kämpfen und den Fußball genießen, das war meine Welt", erklärt Dietz, der als Linksverteidiger am 5. November 1977 sein erfolgreichstes Ligaspiel absolvierte. Beim 6:3-Sieg gegen Bayern München gelangen ihm vier Tore. "Dabei sollte ich als Gegenspieler von Karl-Heinz Rummenigge Tore verhindern. Aber dann habe ich eben die Bayern abgeschossen", sagt "Ennatz" - und muss selbst schmunzeln.

Der "MSV Dietzburg"

Mit dem MSV erreichte der im westfälischen Bockum-Hövel geborene Dietz das DFB-Pokalendspiel (1975) und das Uefa-Cup-Halbfinale (1979). Seinerzeit tauften die Zeitungen den Club kurzerhand in "MSV Dietzburg" um. Als er nach dem Erstliga-Abstieg 1982 kein neues Angebot erhielt, weinte er. Und wechselte dann zum Reviernachbarn Schalke 04, für den er auch noch 101 Bundesligaspiele bestritt. "An den ersten Trainingstagen bin ich immer an Gelsenkirchen vorbeigefahren und steuerte in Gedanken versunken Duisburg an."

Mit 221 Niederlagen in 495 Bundesliga-Einsätzen hält er einen bemerkenswerten Rekord. Kein Fußballer verlor in der Eliteklasse häufiger. "Sensationell, aber ich habe mit Duisburg und Schalke halt fast jede Saison gegen den Abstieg gespielt. Folglich wurden mehr Spiele verloren als gewonnen", erklärt Dietz, der es nicht tragisch nimmt: "Niederlagen gehören zum Sport dazu."

Seinen größten Triumph feierte Dietz 1980 im EM-Finale in Rom. "Wir hatten eine tolle Truppe und das nötige Glück, in der 89. Minute durch Horst Hrubesch das 2:1 gegen Belgien zu erzielen", sagt Dietz, der wohl als einziger Duisburger Fußballer je mit goldenem Essbesteck speisen durfte. "1980 beim Empfang im Feinschmecker-Restaurant Alfredo vor dem Finale in Rom wurde mir diese Ehre als Kapitän zu teil." Dass der Kellner ständig hinter ihm stand, hat er ebenfalls nicht vergessen: "Der hatte wohl Angst, dass ich die Löffel klaue."

(lnw/seeg/csi)
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