Die Klasse von 2009 Löw übernimmt Hrubeschs Achse

Hamburg · Sechs Profis, die 2009 mit der U21 Europameister wurden, zählen in der laufenden WM-Qualifikation zum Gerüst der Nationalelf. Dennoch dürfen sich die Etablierten herausgefordert fühlen.

Mesut Özil und Co. – Das wurde aus den U21-Europameistern von 2009
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Das wurde aus den deutschen U21-Europameistern von 2009

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Foto: dpa, frg jai

Wer in diesen Tagen durch Hamburg fährt, dem fällt auf, dass Haarverlängerung offenbar schwer in Mode ist, und dass es reichlich Baustellen gibt. Ob sich die Spieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft deswegen gleich zum Friseur ihrer Wahl begeben, ist nicht heraus. Zumindest aber bekommen sie vor der Haustür ihrer hanseatischen Nobelherberge mit Alsterblick schon in elementaren Fragen des Tiefbaus und der Abbrucharbeiten einiges geboten. Die Straße wird bald bestimmt noch schicker.

Bundestrainer Joachim Löw muss sich derweil weder mit den neuesten Haarmoden herumplagen, noch denkt er vor dem Doppelspieltag in der WM-Qualifikation gegen Tschechien (heute, 20.45 Uhr in Hamburg/Live-Ticker) und Nordirland (Dienstag, 20.45 Uhr in Hannover) über Abbruch- und Umbaumaßnahmen im Kader nach. Das muss er auch nicht. Denn im Unterschied zu anderen bedauernswerten Kollegen muss er sein Team nach der Europameisterschaft nicht durch einen Umbruch führen. Seine wichtigsten Spieler hat er behalten. Und das verdankt er auch Horst Hrubesch. Der nämlich führte 2009 eine große Nachwuchs-Generation zur U-21-Europameisterschaft.

U21-EM 2009: das deutsche Zeugnis
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U21-EM 2009: das deutsche Zeugnis

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Sechs aus der erfolgreichen Klasse von 2009 wurden fünf Jahre später Weltmeister in Brasilien, und auf dem Weg zur Titelverteidigung sind sie heute immer noch dabei. Inzwischen sind sie aber logischerweise keine jungen Hüpfer mehr, sie stehen in ihren besten Fußballjahren. Und sie bilden die Achse in Löws Auswahl. Es sind Manuel Neuer (30), Jerome Boateng (28), Benedikt Höwedes (28), Mats Hummels (27), Sami Khedira (29) und Mesut Özil (27). Mindestens fünf (Neuer, Boateng, Hummels, Khedira und Özil) haben ihren Platz auf dem Feld sicher. Und mit Ausnahme von Özil, der in diesem Leben kein Festredner mehr wird, fühlen sie sich als Sprecher ihrer Kollegen genauso wichtig wie auf dem Platz.

Khedira ist da ein leuchtendes Beispiel. So wie er auf dem Rasen mit stolz durchgedrücktem Rücken und ernstem Blick sein beherrschendes Wesen ausspielt, so selbstverständlich empfindet er sich auch als Leitfigur in der Öffentlichkeitsarbeit. Zweifel an seiner herausgehobenen Position sind ihm fremd. Und stets wiederkehrende Diskussionen um seinen Stammplatz wischt er locker vom Tisch. Neuerdings ist ihm in Ilkay Gündogan wieder mal ein Konkurrent in der zentralen Mittelfeldrolle erwachsen. Das quittiert Khedira mit einer Bemerkung, die lässig und gereizt zugleich klingt. Er sagt: "Ich bin schon neun Jahre dabei, da gab es immer wieder mal die Diskussionen, die interessieren mich nullkommanull. Ich bin dafür da, meine Leistung zu bringen, so wie immer." Klartext: "Mir ist egal, wer neben mir spielt."

DFB-Team trainiert unter den Augen von Horst Hrubesch
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Promi-Gast beim Training der Nationalmannschaft

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Foto: afp, PST

Löw findet es seit jeher ganz gut, wenn sich die Etablierten im Team ein bisschen herausgefordert fühlen. "Mir ist am liebsten, wenn ich viel Konkurrenz auf den Positionen habe", sagt er, "so habe ich mehrere Varianten." Die Variante "Gündogan statt Khedira" aber wählt er nicht. "Es ist schon mal klar, dass wir in der Mitte mit Kroos und Khedira anfangen", versichert der Bundestrainer.

Gündogan, der nach einer verletzungsbedingten Pause von einem Jahr wieder im Aufgebot steht, macht er dennoch Hoffnung auf einen Einsatz. "Das hängt vom Spielverlauf ab", erklärt Löw, "und am Dienstag gegen Nordirland könnte ich mir schon auch vorstellen, dass der Ilkay von Anfang an spielt." Die Platzhirsche in der DFB-Auswahl wird der Mittelfeldmann zunächst mal nicht beerben. "Ich glaube", sagt sein Coach aber, "dass er für unser Spiel in Zukunft noch wichtig wird."

Die Gegenwart bestreitet im Wesentlichen die genannte Hrubesch-Klasse von 2009. Die Gewichte innerhalb dieser Gruppe haben sich in den vergangenen Jahren jedoch ein wenig, aber spürbar verschoben. Während Khedira beim Titelgewinn der U21 noch der unbestrittene König in der Mannschaft war, zu dem alle aufschauten, sind ihm Neuer und Boateng inzwischen mindestens ebenbürtig. Weil sie sich das Schulmeistern der Kollegen ersparen, sind sie auf jeden Fall beliebter als Khedira, der immer ein wenig den grimmigen Feldherrn gibt. Trotzdem zählt sein Wort natürlich. Deshalb hören alle hin, wenn Khedira Löws rücksichtsvollen Führungsstil lobt.

Deutschland - Tschechien: die Fakten
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Der Trainer hat seiner Mannschaft vor den anstehenden Qualifikationsspielen einen freien Tag mehr als üblich gegönnt, und Khedira wertet genau das als Beleg dafür, "dass Löw ein moderner Trainer ist. Er hat erkannt, dass man den Kopf benutzen muss. Man muss im Kopf so frisch sein, dass einen die Beine tragen". Durch den Erholungstag sei "Mittwoch und Donnerstag extrem gut" trainiert worden, erklärt Khedira, "da will die Mannschaft dem Trainer etwas zurückgeben". Löw lässt darum den Vorwurf, er gehe das alles ein bisschen arg lässig an, ebenso lässig an sich abprallen. "Ich hatte das Gefühl, dass der eine oder andere einen Tag Pause mehr braucht", sagt er. Und er hat noch ein Gefühl: "Ich gehe davon aus, dass wir die Punkte einfahren."

Eine Vorgabe von seiner Seite gibt es dann nämlich doch: "Sechs Punkte aus den beiden Spielen." Ganz locker.

(pet)
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