Nur die Stürmerfrage plagt Löw DFB-Team ist ein Versprechen auf die Zukunft

Düsseldorf · Vier Monate nach dem Ausscheiden bei der EM steht die Nationalmannschaft so breit und kraftvoll da wie Cristiano Ronaldo vor seinen ihm eigenen Freistößen. Trotz vieler jugendlicher Hoffnungsträger muss Joachim Löw aber eine wichtige Frage beantworten.

Italien-Deutschland wird niemals ein Freundschafts-Match sein: Pressestimmen
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Italien - Deutschland: Pressestimmen

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Foto: dpa, fpt

Die italienische Nationalmannschaft durchbrach im Vorlauf des Länderspiels gegen den ewigen Rivalen aus Deutschland kurz die bekannte Bildregie. Während die deutschen Spieler teils mitsangen, teils irritiert schmunzelten, klatschte "Squadra Azzurra" gegen das Pfeifkonzert der italienischen Fans an — allen voran natürlich Torwart-Ur-Urgestein Gianluigi Buffon. Sollte die italienische Nationalmannschaft eines Tages tatsächlich ihre Hymne ohne den 38-Jährigen schmettern, man wäre beinahe versucht, einen Regelverstoß anzumelden. Als Buffon nach einer Halbzeit gegen seinen 21 Jahre jüngeren Vertreterer Donnarumma ausgewechselt wurde, der in Ehrerbietung zumindest schon mal denselben Vornamen ins italienische Tor trug, da hatte Buffon gerade sein 167. Länderspiel beendet. Und damit genauso viele wie die deutsche Startelf ohne Thomas Müller an diesem Abend zusammenbrachte.

Nun ginge es völlig fehl, dieses 0:0 gegen Italien als Achtungserfolg einer aufmüpfigen Teenager-Truppe gegen alternde Granden einzuordnen. Immerhin ist auch Italien gerade dabei, einen markanten Umbruch zu bewerkstelligen. Und doch war das torlose Remis eine wichtige Bewährungsprobe für die neuen Hoffnungsträger im DFB-Team. Für den forschen Leon Goretzka, den Löw schon vorab mit großen Worten als neue Führungspersönlichkeit in die Spur brachte oder den umsichtigen Ballverteiler Julian Weigl. Oder Serge Gnabry, der nach seinen zum Teil beeindruckenden Auftritten bei Werder Bremen und zuletzt mit drei Toren gegen San Marino auftrumpfte und erneut die Frage aufbrachte, was es denn nun genau mit diesem nebulösen Vorvertrag bei den Bayern auf sich hat, falls es den denn überhaupt gibt. Alle drei sind sie Hoffnungsträger, Leistungsträger in ihren Vereinen und kommen zusammen gerade mal auf neun Einsätze in der Nationalmannschaft.

Nun schwelgt der DFB schon seit geraumer Zeit in dem Luxus eines großen Pools hoffnungsvoller U-Nationalspieler und doch formulierten die Nachwuchskräfte ihre Ansprüche als Leistungsträger in ihren Vereinen schon lange nicht mehr so dringlich wie in diesen Tagen. Für Herthas Mitchell Weiser etwa war trotz bestechender Leistungen in der Bundesliga bisher noch nicht einmal Platz im dicht besetzten Kader.

So erfreulich die Breite, so bedenklich jedoch die Spitze. Auch wenn der Neustart nach dem EM-Aus geglückt ist, wenn sechs Spiele ohne Gegentor einen neuen Rekord bedeuten, steht die Stürmerfrage noch immer im Raum. Die schmale Antwort lautet im Wesentlichen Mario Gomez. Der beim VfL Wolfsburg zuletzt wieder etwas treffsicherere Angreifer ist der einzige weit und breit, der den jüngst wieder gefragten Typus des klassischen Stürmers verkörpert. Zwar ist er im Kreise der Nationalmannschaft umringt von einer Schar zumindest potenziell torgefährlicher falscher Neuner, Neuneinhalber und Zehner — einen Konkurrenten auf seiner Position kann man aber auch im weiteren Fokus kaum ausmachen. Was umso deutlicher zutage tritt, wenn der fußballerisch überall und nirgends beheimatete Thomas Müller an einer Torflaute krankt, wie zuletzt in Frankreich zu beobachten.

Kritischen Geistern mag die Rückschau des Bundestrainers auf das Länderspieljahr 2016 also vielleicht ein wenig zu versöhnlich ausgefallen sein, als er befand: "Wir haben bei der EM viele Chancen ausgelassen, daran haben wir gearbeitet. Wir haben gesagt, dass wir die Qualifikation anders angehen müssen, als nach der WM. Das ist uns gelungen." Es bleibt zwar die Erkenntnis, dass der erweiterte Mannschaftskreis wohl vielleicht noch nie aus so vielen hoffnungsvollen Spielern bestand wie im Herbst 2016. Zufriedenstellend beantwortet ist die Frage, wer bei diesem so vielseitig befähigten Kollektiv am Ende die Tore schießen soll, aber immer noch nicht.

Die Lösung kann vermutlich am besten der Erfahrenste finden. Der einzige, der Buffon darin Konkurrenz machen kann, ist Joachim Löw. Seit 143 Spielen trägt der "Bundes-Jogi" die Verantwortung für die Geschicke der Nationalteams. Schaut man sich an, in welcher Verfassung der 56-Jährige die DFB-Elf im November 2016 präsentiert, scheint auch die jüngste Vertragsverlängerung wie ein erneutes Versprechen auf die Zukunft. Sollte die Mannschaft auch nur den größten Teil dessen einlösen, hätten wenige etwas gegen einen ewigen Jogi beim DFB einzuwenden. Die Nationalhymne ohne ihn kann man sich schon jetzt nicht mehr vorstellen.

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