Kolumne: Gegenpressing Löw lebt in seiner eigenen Trainerwelt

Düsseldorf · Der Schwarzwälder ist maßgeblich am Aufschwung der Nationalmannschaft nach den schrecklichen Jahren des deutschen Rumpelfußballs beteiligt. Mit dem Gewinn des WM-Titels hat er sich endgültig in andere Sphären verabschiedet.

 RP-Sportchef Robert Peters.

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Als Joachim Löw noch ein normaler Fußballtrainer war, sagte er auf Fragen nach der Leistung seiner Spieler Sätze wie: "Ich werde mich in der Öffentlichkeit nicht zur Leistung einzelner Spieler äußern." Das ist so üblich in der Branche. Kritik bleibt in der Kabine, öffentliche Zurechtweisungen gelten als unfein.

Joachim Löw ist aber kein normaler Fußballtrainer mehr. Er ist maßgeblich am Aufschwung der Nationalmannschaft nach den schrecklichen Jahren des deutschen Rumpelfußballs beteiligt. Und er hat sich durch den Gewinn der Weltmeisterschaft endgültig in andere Sphären verabschiedet.

Deshalb gönnt er sich Abweichungen von den Gebräuchen der Branche. Vorerst letzter Beweis war die öffentliche Zurechtweisung des ehemaligen Dortmunder Fußballers Kevin Großkreutz. Er habe nur begrenzt Verständnis für dessen Karriereplanung, sagte der Bundestrainer. Das wird einigen so gehen. Gesagt haben es nur nicht alle.

Löw kann sich das leisten, weil er sich in jeder Hinsicht einen Freifahrtschein durch die Fußballgeschichte erworben hat. Er zählt zu den großen deutschen Bundestrainern. Und seinen Ruf kann allenfalls das Ausscheiden aus dem EM-Turnier in der Vorrunde beschädigen.

Lächelnd erträgt er die Diskussionen um das Leistungstal, durch das die DFB-Auswahl nach der WM gehen musste. Freundlich genervt verweist er ängstliche Zeitgenossen auf die gemeinsame Vorbereitung vor dem Turnier, die noch immer in seiner Amtszeit Unebenheiten geglättet hat. Und bis zum Beweis des Gegenteils kann er sogar behaupten, die EM sei lediglich eine Durchgangsstation zur WM in Russland 2018.

Löw ist nämlich irdischen Maßstäben schon so weit entrückt, dass er ganz offen von der Titelverteidigung in zweieinhalb Jahren träumt. Erstaunlich, dass sich darüber noch niemand aus der "Wir-schauen-von-Spiel-zu-Spiel-Fraktion" aufgeregt hat. Ihre Anmerkungen würden den Schwarzwälder vermutlich auch nicht erreichen. Dass ihn wegen seiner notorischen Weitsicht schon ein paar Kollegen im befreundeten Ausland für befremdlich arrogant halten, ficht ihn ebenfalls nicht an.

Es ist die Frage, ob man ihm ein bisschen mehr Bodenhaftung wünschen sollte. Die ereilte ihn wohl nur bei einer herben EM-Pleite. Und das wollen wir dann doch nicht.

Auch weil Löw im Fall Großkreutz sicher richtig lag.

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(RP)
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