US-Nationaltrainer Jürgen Klinsmann "Alle in der Welt schauen nach Deutschland"

Köln · Der US-Trainer spricht exklusiv mit unserer Redaktion über die Entwicklung seines Teams, den deutschen Fußball und Stuttgarts Abstiegskampf. Am Mittwoch testet die deutsche Nationalmannschaft in Köln gegen die Elf des Wahl-Amerikaners.

Das ist Jürgen Klinsmann
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Foto: dpa/Robert Michael

Herr Klinsmann, am Mittwoch misst sich die US-Nationalmannschaft mit Weltmeister Deutschland. Zuvor gab es in den Niederlanden einen überraschenden 4:3-Sieg. Welchen Wert haben diese Spiele für Sie?

Jürgen Klinsmann Sie sind unheimlich wichtig für uns. Darum bin ich dem DFB und dem niederländischen Verband dankbar, dass wir die Spiele machen können. Für unsere Spieler ist es eine gute Chance, sich mit Mannschaften auf höchstem Niveau zu messen. Und es ist eine optimale Vorbereitung auf den Gold-Cup.

Der Sieg in Holland dürfte eine gute Außenwirkung haben.

Klinsmann Absolut. Und er zeigt uns, dass wir mit den besten zehn der Welt mithalten können. Ich denke, das haben wir auch bei der WM in Brasilien gezeigt. Gute Ergebnisse gegen Top-Nationen steigern zudem natürlich auch das Selbstvertrauen. Und andere schauen mit Respekt darauf. Dass amerikanische Teams eine guten Spirit haben, ist bekannt. Aber inzwischen haben wir auch richtig gute Fußballer bei uns. In Amsterdam haben wir toll herausgespielte Tore erzielt.

Viele Ihrer Spieler spielen in den großen europäischen Ligen. Bringt das Ihre Mannschaft voran?

Klinsmann Das ist für uns von großer Bedeutung. Die Spieler aus Europa sind dort durch die Leistungszentren gegangen, ob in der Bundesliga oder in England, und haben darum eine tolle Grundausbildung. Sie sind taktisch hervorragend geschult und wissen, worauf es ankommt, um erfolgreich zu sein. Darum müssen wir die Ressourcen nutzen, die sich durch Familien mit amerikanischem Hintergrund ergeben. Ich finde es klasse, dass sich viele Spieler, die einen doppelten Pass haben, entscheiden, für die USA zu spielen. Und sie bringen ja noch etwas mit: Sie kommen aus fußballverrückten Ländern.

Das sind die USA noch nicht?

Klinsmann Der Fußball wächst bei uns, aber es ist noch ein weiter Weg. Oft wird der Fußball noch genutzt, um an Universitätsstipendien zu kommen, aber nicht richtig betrieben. Es gibt in diesem riesigen Land viele, viele Talente. Doch das Scouting ist durch die Größe der USA eine Riesenaufgabe. So ist es gut, dass die amerikanischen Spieler, die in Europa leben, sich auf ihre Wurzeln besinnen. Und es kann ja auch für die Zukunft nicht schaden. Eine Profikarriere dauert 15, maximal 18 Jahre - und danach ist es doch vielleicht attraktiv, in den USA zu leben.

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Es gibt aber auch kritische Stimmen, was die "Legionäre" angeht. Es heißt, so kämen die guten Spieler der Major League Soccer nicht zum Zug.

Klinsmann Letztlich entscheidet doch nur die Leistung. Die Besten spielen, ob sie in der Bundesliga oder in der MLS aktiv sind. Dass darüber diskutiert wird, ist klar. Aber wenn die Leute dann sehen, wie beispielsweise ein Timothy Chandler die Linie entlang rennt in Amsterdam, dann verstummen die Kritiker schnell. Die Messlatte in den USA wird der Gold-Cup sein. Wenn die Jungs mit dem doppelten Pass da gut sind, wird Ruhe sein.

2006 waren Sie der Macher des deutschen Sommermärchens. Wenn Sie nun auf den deutschen Fußball schauen, was ist noch davon da?

Klinsmann Ich freue mich einfach riesig, wie sich der deutsche Fußball in den letzten zehn, 15 Jahren entwickelt hat. Die Arbeit in der Bundesliga ist vorbildlich, alle in der Welt schauen nach Deutschland. Die Nationalmannschaft ist der Vorreiter. Sie ist verdient Weltmeister geworden. Wichtig ist aber, das Niveau konstant zu halten.

Wie fühlen sich für Sie als Deutschen Spiele gegen Deutschland an? Ist es immer noch ein komisches Gefühl?

Klinsmann Allemal. Ich kenne alle im Trainerstab, es ist mein Heimatland. Ich genieße diese Momente. Aber wir wollen am Mittwoch ein unangenehmer Gegner sein und gewinnen. Wir wollen offensiver sein als vor einem Jahr bei der WM in Recife und zeigen, dass wir den nächsten Schritt gemacht haben. Gerade für die Spieler mit deutschem Hintergrund ist es ein besonderes Spiel.

Besonders war auch die Saison für Ihren VfB Stuttgart. Er wäre fast abgestiegen. Haben Sie mitgezittert?

Klinsmann Oh ja. Ich bin extra morgens um halb sieben aufgestanden, um das Spiel in Paderborn im Fernsehen zu sehen. Dass Klubs wie Stuttgart unten dabei waren, zeigt, wie eng die Bundesliga ist, welche Qualität sie hat. Gerade diese Spannung im Abstiegskampf gibt es in der US-Liga leider nicht. Das wäre für die Investoren der Klubs noch ein zu großes Risiko, plötzlich zweitklassig zu sein. Aber es würde sportlich gut tun. Unsere Spieler aus Europa kennen das. Das bringt unser Nationalteam voran. Es geht Woche für Woche um etwas, oben und unten, man muss immer wieder seine Leistung bestätigen.

(RP)
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