Drei Tore zum Debüt Liebling Gnabry

Düsseldorf/Rimini · Serge Gnabry bestimmte nach dem Sieg gegen Fußball-Zwerg San Marino die Schlagzeilen. Für ihn waren die drei Treffer so etwas wie die Krönung eines erstaunlichen Karriere-Aufschwungs.

Serge Gnabry: Sein Dreierpack-Debüt im DFB-Team in Bildern
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Gnabrys Dreierpack-Debüt im DFB-Team

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Foto: ap, MV

Jean-Hermann Gnabry muss ein begnadeter Fußballer gewesen sein. Man erzählt sich gern, dass er seine Landsleute und die Trainer der Elfenbeinküste mächtig beeindruckte und zum Nationalspieler aufstieg. Das ist allerdings nicht die ganze Wahrheit. Genau genommen ist es gar nicht wahr, sondern nur eine nette Geschichte. Wahr ist, dass Jean-Hermann Gnabry der Vater von Serge Gnabry ist. Wahr ist auch, dass Serge Gnabry mit der Legende um die sportliche Vergangenheit seines Vaters im Herbst aufräumte. Der Papa sei weder Nationalspieler noch überhaupt Profi gewesen, sagte er. Wahr ist aber auch, dass der Sohn ein beeindruckendes Debüt als deutscher Nationalspieler hinlegte. Drei Tore erzielte der 21-Jährige beim lockeren 8:0-Erfolg in San Marino. Das hatte seit 40 Jahren kein Debütant mehr hinbekommen. Die große Trommel schlug Gnabry dennoch nicht. "Klar kann ich zufrieden sein", stellte er fest, "aber das war ein Spiel gegen einen Gegner, der jetzt nicht gerade Italien ist."

Das war eine sehr korrekte Feststellung. Die Auswahl des 30.000-Einwohnerlandes San Marino würde es in der vierten deutschen Liga wahrscheinlich ziemlich schwer haben. Die Deutschen spielten immerhin so konzentriert, dass die Treffer zwangsläufig fielen. Gegen den Ablauf der Begegnung hatte Bundestrainer Joachim Löw sicher nichts einzuwenden, gegen die Begleitumstände schon. Er hatte die Kapuze seines Regenmantels tief ins Gesicht gezogen, und er trug im Dauerregen eine Miene irgendwo zwischen Beethoven und Happel zur Schau. Ähnlich wie sein Spieler Thomas Müller wird er sich gefragt haben, "ob man solche Spiele braucht".

Gnabry könnte die Frage mit einem klaren Ja beantworten. Denn er stellte sich erneut ins Schaufenster - schließlich erlebten knapp 7,5 Millionen Menschen das fröhliche Preisschießen in San Marino am Fernseher mit. Für Gnabry waren die drei Treffer so etwas wie die Krönung eines erstaunlichen Karriere-Aufschwungs, den er in den vergangenen vier Monaten erlebte.

Alles fing mit den Olympischen Spielen an. Gnabrys Treffer hielten eine anfangs vergeblich nach Struktur und Zusammenhang suchende deutsche Auswahl im Wettbewerb. Als das Team von Horst Hrubesch dann auf Touren kam und die Welt beeindruckte, war Gnabry eine der Schlüsselfiguren. "Er hat das super gemacht", erklärte der Trainer.

In der Vaterfigur Hrubesch fand der Stürmer den Rückhalt, den jeder Fußballer braucht, um sein Potenzial auszuschöpfen. Gnabry stand in diesem Sommer, als sein Stern aufzugehen schien, bereits am Scheideweg der Laufbahn. Und es deutete nicht viel darauf hin, dass er die richtige Ausfahrt zum Erfolg finden würde. Als 16-Jähriger hatte er einen Vertrag beim großen FC Arsenal unterschrieben, doch die erwartete Weltkarriere geriet ins Stocken, bevor sie so recht beginnen konnte. Die Konkurrenz bei Arsenal war groß für den talentierten Jungen. Und seine Einstellung entsprach auch nicht unbedingt dem Lehrbuch. Hinter vorgehaltener Hand beklagten sich seine Vorgesetzten über den Lebenswandel des Nachwuchs-Profis, Vater Jean-Hermann trug offenbar auch nicht zu einer durchgreifenden Änderung bei, obwohl er mit dem Sohn nach London gezogen war und alle Möglichkeiten gehabt hätte.

Im Transfertheater, das nach den Olympischen Spielen für ein paar Wochen die Nachrichtenspalten belebte, spielte der Vater wieder eine wichtige Rolle. Er brachte die Meldung in Umlauf, nach der die Bayern Rechte an dem Spieler halten, der nun bei Werder Bremen unter Vertrag steht. Ein paar Tage später wollte Jean-Hermann Gnabry davon nichts mehr wissen. Er fand nun, dass Bremen genau die richtige Adresse sei. Von den Bayern sprach er nicht mehr.

Sein Sohn ist ebenfalls davon überzeugt, dass der vergleichsweise kleine Bundesligist in Bremen deutlich besser geeignet ist, der Karriere Fahrt zu verleihen als das große Arsenal. Die persönliche Bilanz bestätigt das. Gnabry ist Stammspieler bei Werder, er ist torgefährlich (schon vier Treffer), und er hat sich bei seinem Trainer Alexander Nouri den Ruf eines "absoluten Teamspielers" erworben. Es sieht so aus, als habe er die Zeichen der Zeit richtig gedeutet. Seine Lektion im bescheidenen DFB-Sprech hat er jedenfalls gelernt. "Ich finde, man sollte nicht zu viel draus machen", sagte er nach den drei Debüttoren. Es wäre schön, wenn er das wirklich glaubt.

(pet)
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