"Er wusste auch nicht, was er da anrichtet" Gomez gibt Scholl Teilschuld an seinem Image in Deutschland

Köln · Sein peinlicher Fehlschuss bei der EM 2008 hat eine Rolle gespielt. Der "coole Mehmet Scholl" trägt auch einen Teil der Schuld. Sein Image als "Schönling" macht es nicht leichter, und viele Chancen vergeben hat er auch. Doch so ganz genau weiß niemand, warum die deutschen Fußball-Fans ausgerechnet Mario Gomez in Länderspielen mit schöner Regelmäßigkeit einen Spießrutenlauf bereiten.

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Der 29-Jährige hat sich in den letzten Tagen und Monaten den Kopf darüber zerbrochen, warum sich die Fans so auf ihn eingeschossen haben. Warum sie ihn immer wieder auspfeifen, inzwischen sogar bei der Verkündung der Mannschaftsaufstellung oder bei Ein- oder Auswechslungen. Warum "die Pfiffe gegen mich schon fast Kult geworden" sind.

Am Wochenende hat er dann geredet. Ruhig, sachlich, reflektiert. Aber die eine Antwort hat er nicht gefunden. "Die Frage für mich ist: Wieso?", meinte er: "Ich kann nichts dafür, dass manche Leute sagen, ich sei schön. Ich kann nichts dafür, dass manche Leute sagen, ich sei groß." Manche, so Gomez, "mögen mich einfach nicht. Zwischen nicht mögen und respektlos sein, gibt es aber einen großen Unterschied."

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Ihm persönlich mache es "nicht ganz so viel aus, wenn sie pfeifen, ich kriege das hin. Ich mache das seit 2008 mit", versuchte Gomez zu beschwichtigen. Das dies nicht ganz stimmt, sieht man ihm an. Glauben kann man ihm, dass für ihn das größte Problem ist, wie sehr seine Eltern unter den Schmähungen des Sohnes leiden. "Für meine Eltern tut es mir richtig leid", versicherte er: "Ich kann mir vorstellen, dass sie am Mittwoch eine schwere Nacht hatten. Sie haben immer alles für mich getan."

Vor allem wegen ihnen ist er nun an die Öffentlichkeit gegangen. Eine direkte Anklage an die Fans vermied er. Namentlich genannt hat er nur einen: Mehmet Scholl, den er auch schon mal "meinen Freund Experte" nennt: An seiner Rolle als Sündenbock "war der so coole Mehmet sicher nicht ganz unschuldig", meinte der Stürmer des AC Florenz.

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Bei der EM 2012 - bei der Gomez nur wegen mehr Einsatzminuten im Gegensatz zum Spanier Fernando Torres nicht Torschützenkönig wurde - hatte Ex-Nationalspieler Scholl als ARD-Experte die Sorge geäußert, "dass er sich wund liegt". "Aus meinem Kopf ist das längst raus", meinte Gomez: "Nur aus vielen anderen Köpfen nicht. Er wusste auch nicht, was er da anrichtet. Es ist einfach, dort zu stehen und einen flapsigen Spruch zu machen, ohne die Auswirkungen zu kennen in der heutigen Zeit."

Einen Rücktritt aus der Nationalmannschaft schloss der frühere Münchner und Stuttgarter zum jetzigen Zeitpunkt aber aus: "Nein, weil solange ich fit und gesund bin, so wie es am Mittwoch war, will ich spielen. Es hört sich vielleicht komisch an, weil ich jedes Mal ausgepfiffen werde, wenn ich hier bin - aber es macht mir immer Spaß, hier zu sein mit der Mannschaft!" Allerdings sei es nicht einfach, unbeschwert zu bleiben: "Wenn man mit Pfiffen aufs Feld geht, weiß ich nicht, welcher Fußballer da befreit aufspielt."

Am Sonntag wird er sehen, ob seine Aussagen und die Appelle der gesamten DFB-Spitze von Bundestrainer Joachim Löw über Generalsekretär Helmut Sandrock bis Manager Oliver Bierhoff erste Wirkung zeigen. Löw glaubt, dass der Stürmer diesmal nicht ausgepfiffen wird. "Dortmund steht für Unterstützung, wir haben dort gute Erfahrungen gemacht", sagte er, wohl auch ein wenig beschwörend. Löws Aussagen deuten aber darauf hin, dass Gomez zunächst wohl eher auf der Bank sitzen wird.

(sid)
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