Neue Erkenntnisse für Jogi Löw Ein Spiel als Anschauungsunterricht

Köln · In der WM-Qualifikation waren die Gegner klar unterlegen, gegen Frankreich mussten sich die Deutschen Kicker ordentlich ins Zeug legen. Für Bundestrainer Jogi Löw war es ein Spiel, "wie man es sich wünscht als Trainer".

Deutschland - Frankreich: Das DFB-Team in der Einzelkritik
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Deutschland - Frankreich: Einzelkritik

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Das Länderspieljahr war fast vorbei. Und es schien so, als sollte sich die deutsche Fußballnationalmannschaft auf den letzten Metern doch mal wieder eine Niederlage eingehandelt haben. Die Nachspielzeit im Kölner Stadion war beinahe abgelaufen, Frankreich führte nach einem interessanten Spiel mit 2:1. Da kam die DFB-Auswahl noch mal vors Tor. Mesut Özils Pass wurde von Mario Götze zu Lars Stindl verlängert. Und der Mönchengladbacher behielt die Nerven. Sein Schuss ins sogenannte kurze Eck war der Ausgleich zum 2:2. Die Franzosen durften nur noch den Mittelanstoß ausführen. Dann war die Partie zu Ende, und die stolze Serie der deutschen Mannschaft hatte doch gehalten. Seit dem EM-Halbfinale in Frankreich 2016 ist das Team ungeschlagen. Die Franzosen waren die Mannschaft, die den Deutschen die letzte Niederlage beigebracht hatten.

Sie waren hauchdünn davor, dieses Kunststück im Weltfußball zu wiederholen. Und sie boten lange eine sehr beeindruckende Vorstellung. Vor allem in der ersten Halbzeit waren sie die bessere Elf. Sie schlossen die Räume für das deutsche Aufbauspiel, das zunächst überhaupt nicht auf Touren kam, sie blockierten sogar Spielmacher Toni Kroos ziemlich wirkungsvoll. Die Sprinter im Angriff, Anthony Martial, Alexandre Lacazette und Kylian Mbappé, ließen die deutsche Abwehr gelegentlich ein bisschen tapsig aussehen. Für den mal wieder rechts verteidigenden Emre Can ging vieles viel zu schnell. Und vor der verdienten Führung ließen Martial und Lacazette die gesamte Innenverteidigung buchstäblich alt aussehen.

Uefa-Nations-League 2018: Deutschland  gegen Frankreich: Die Pressestimmen
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Foto: dpa/Federico Gambarini

Die Franzosen deckten deutsche Probleme auf, die in der lockeren WM-Qualifikation gegen unterlegene Gegner nicht aufgetreten waren. Und das war ganz im Sinne ihres Trainers. Eine "Fehlerkultur" wolle er zulassen, hatte Joachim Löw gesagt, "denn nur aus Fehlern kann man lernen". Weite Strecken der ersten Hälfte boten ordentlich Lernstoff.

Die kleine Vorführung vor dem 1:0 war aber auch eine Art Weckruf für den Gastgeber, der sich nun doch nicht so herspielen lassen wollten. Zwei Chancen für Timo Werner, beide ein bisschen fahrig vergeben, brachten die Deutschen noch vor dem Wechsel besser ins Rollen.

Nach der Pause verlegten sie ihren Arbeitsschwerpunkt tiefer in die französische Hälfte. Kroos kam mit seinen Pässen viel mehr zur Geltung, Julian Draxler wurde im Angriff aktiver und wirkungsvoller. Özil wurde Anspielstation von schnellen Gegenangriffen. Und ein solcher Konter führte zum Ausgleich, den Werner diesmal sehr kühl erzielte.

Länderspiel: Deutschland - Frankreich: die Bilder des Spiels
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Frankreich schlug noch einmal zurück, als die Deutschen das Kommando auf dem Platz übernommen zu haben glaubten. Kroos hatte gerade einen Freistoß sehenswert ans Lattenkreuz gesetzt, als Lacazette fehlende Abstimmung beim Versuch einer Abseitsfalle zum zweiten Treffer nutzte. Martial hätte die Begegnung freistehend vor dem überzeugenden Torhüter Kevin Trapp endgültig entscheiden können, aber er scheiterte am deutschen Schlussmann.

Trapp erhielt seinem Team die Chance, die es in der Nachspielzeit ergriff. Es war ein Unentschieden, das dem Selbstbewusstsein der DFB-Auswahl noch einmal Nahrung gibt, weil Fußballer aus späten Treffern immer ein gutes Gefühl beziehen. Es wies aber auch nach, woran gearbeitet werden muss. "So bringen die Testspiele wichtige Erkenntnisse. Es war ein hochinteressantes, spannendes Spiel auf hohem Niveau", sagte Löw. Er sah seine Einschätzung bestätigt, nach der "Frankreich noch gefährlicher ist als die Engländer" beim 0:0 am vergangenen Freitag in London.

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Foto: dpa, rwe gfh

Beide Testspielgegner waren viel härtere Brocken als die überwiegend klar schwächeren Kontrahenten in der WM-Qualifikation. Auch das ist sehr nach Löws Geschmack, der den Anschauungsunterricht gegen Weltklasse-Gegner geradezu genießt. Seinen Spielern wird an diesem Abend in Köln bewusst geworden sein, dass der Weg zur Titelverteidigung in Russland ziemlich steinig wird. Die Franzosen unterstrichen mit ihrer Ballsicherheit, ihrer Eleganz und ihrer Schnelligkeit, dass sie auf jeden Fall mit guten Karten ins Turnier gehen werden. Deutschland muss sich allerdings nicht grämen. Wenn es die Lektion aus dem Freundschaftsspiel in Köln lernt, ist mit Löws Team natürlich ebenfalls zu rechnen. "Mit dem Jahr kann man hochzufrieden sein", sagte Löw, "und mit der zweiten Halbzeit natürlich auch. Es war ein Spiel, wie man es sich wünscht als Trainer. Wir haben gesehen, was uns erwartet bei einem großen Turnier." Er klang sehr gelassen.

(pet)
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