Länderspiel gegen die USA in Köln WM-Helden spielen um Löws Gunst

Köln · Es waren für den ungeliebten Termin erstaunlich wenig Absagen, die Joachim Löw ereilten. Denn zahlreiche Weltmeister haben ihren Bonus aufgebraucht und müssen sich beweisen.

Nationalmannschaft: Weltmeister buhlen um die Gunst von Jogi Löw
Foto: ap

Die einen haben was gutzumachen, die anderen brauchen Spielpraxis, die nächsten kämpfen um ihren Platz: Obwohl eine Handvoll Weltmeister am Mittwoch das Länderspiel gegen die USA von der heimischen Couch oder aus dem Urlaub verfolgte, hat Bundestrainer Joachim Löw angesichts des denkbar ungünstigen Termins eine erstaunlich namhafte Mannschaft zusammen.

19 Spieler, darunter zwölf Weltmeister, unterbrachen extra ihren Urlaub, um einen Test und ein Qualifikationsspiel gegen den kleinstmöglichen Fußball-Zwerg Gibraltar zu absolvieren. Das mag zum einen an der guten Stimmung im Team liegen, hat seinen Grund aber ganz sicher auch in der schwierigen persönlichen Situation vieler Helden von Rio. Ihr Weltmeister-Bonus ist aufgebraucht, sie spielen nun um die weitere Gunst Löws.

Fast 500 Pflichtspiel-Einsätze haben die 23 Weltmeister wegen Verletzungen oder aus Leistungsgründen in dieser Saison verpasst. Dass Löw ausgerechnet Manuel Neuer, Thomas Müller oder Toni Kroos einen längeren Urlaub zugestand, ist kein Zufall: Diese drei sind derzeit die einzigen Spieler, die sich ihres Platzes wirklich sicher sein können, weil sie nach dem Triumph von Brasilien weder ein Leistungsloch ereilte, noch der Körper nach den physisch und mental anstrengenden Monate streikte. Allen anderen passierte mindestens eines von beidem.

Und so hat Löw eben eine deutlich bessere Mannschaft zusammen als beim letzten Juni-Termin vor zwei Jahren, als er – wenn auch zusätzlich erschwert durch das deutsche Champions-League-Finale zwischen Bayern München und Borussia Dortmund – danach nie wieder berücksichtigte Spieler wie Nicolai Müller, Philipp Wollscheid oder Aaron Hunt mit in die USA nahm.

Krisen-Stars hoffen auf Spielpraxis

Diesmal sind fast alle gekommen. Denn sie wollten sich bei der erst zweiten Zusammenkunft der "Mannschaft" 2015 noch einmal beweisen. Damit sie auch wirklich dabei sind, wenn im Herbst das längst noch nicht sichere EM-Ticket eingefahren werden soll. Kriselnde Stars wie Sami Khedira, Lukas Podolski oder Andre Schürrle hofften gar, sich beim Nationalteam Spielpraxis zu holen, die beiden Torhüter Roman Weidenfeller und Ron-Robert Zieler müssen sich angesichts der nachrückenden U21-Konkurrenz um Champions-League-Sieger Marc-Andre ter Stegen, Bernd Leno und Timo Horn richtig beweisen. Sonst könnte sie das Schicksal von Kevin Großkreutz oder Matthias Ginter ereilen, die ein Jahr nach der WM überhaupt keine Rolle in Löws Planungen spielen.

"Wir haben nach der WM eine Zeit des Luftholens gebraucht", merkte der Bundestrainer an Dienstag an: "Es war eine emotional schwierige Zeit. Wir brauchen jetzt die Regenerationsphase." Gleichzeitig schürte Löw aber auch gleich schon wieder den Konkurrenzkampf: "Ich will ein bisschen frisches Blut in die Mannschaft bringen. Von der U21-EM erhoffe ich mir wichtige Erkenntnisse. Und dann gibt es nächsten Jahr einen heißen Kampf um die Plätze. Richtung EM wird es uns sicher guttun, wenn ein oder zwei junge Spieler nachrücken."

Neben den Torhütern stehen Spieler wie Robin Knoche (VfL Wolfsburg), Johannes Geis (FSV Mainz 05), Emre Can (FC Liverpool), Max Meyer (Schalke 04) oder Kevin Volland (1899 Hoffenheim) beim Junioren-Turnier vom 17. bis 30. Juni in Tschechien unter besonderer Beobachtung des Bundestrainers. Der hat schwankenden Weltmeistern wie Podolski oder Khedira bisher stets die Treue gehalten, doch im Jahr vor der EM wird er streng nach Leistungskriterien nominieren.

Und weil der Weltmeister-Bonus aufgebraucht ist, dachten die meisten auch gar nicht dran, Löws Einladung auszuschlagen. Für diejenigen, die weiter zum Team gehören war es wegen EM 2016, Confed Cup 2017 und WM 2018 zwar die letzte Chance auf eine ausführliche Sommerpause. Doch wer sich nun nicht beweist, hat vielleicht in den kommenden drei Sommern ausreichend Zeit zum Urlaub machen.

(sid)
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