2:3 im Klassiker gegen England Weltmeister noch mit Sand im Getriebe

Bei Weltmeister Deutschland ist zweieinhalb Monate vor Beginn der EM-Endrunde in Frankreich noch reichlich Sand im Getriebe. Im prestigeträchtigen Klassiker gegen England verspielte die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw in Berlin eine 2:0-Führung und startete mit einer 2:3 (1:0)-Niederlage ins EM-Jahr.

Deutschland - England: Die Bilder des Spiels.
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Dabei offenbarte der Weltmeister besonders im Abwehrverhalten Schwächen. Für den nächsten EM-Härtetest am Dienstag (20.45 Uhr/ARD) in München gegen Italien konstatierte Löw nach der "Lehrstunde" denn auch Steigerungsbedarf in nahezu allen Bereich. "Auch bis zum 2:0 haben wir kein gutes und dynamisches Spiel gemacht, wir hatten auch nicht immer die Kontrolle. Ein 2:3 nach einem 2:0 ist zwar ärgerlich, aber es hatte sich angedeutet. Wir hatten große Probleme, von hinten heraus über das Mittelfeld nach vorne zu spielen. Das haben wir nicht gut gelöst. Nach dem 2:0 war die gesamte Mannschaft nicht in der Lage, Ruhe zu bewahren. Insgesamt haben wir die Organisation verloren", sagte der Coach im ZDF.

Nach der falschen Abseitsentscheidung bei einem Treffer des insgesamt überzeugenden Rückkehrers Mario Gomez (27.) brachte Toni Kroos die deutsche Elf in Führung: Zwei Minuten vor der Pause nutzte der Mittelfeldstar von Real Madrid vor 72.000 Zuschauern im ausverkauften Olympiastadion einen seltenen Freiraum zu einem Linksschuss aus gut 25 Metern zum 1:0. Zwölf Minuten nach dem Seitenwechsel erhöhte Gomez, der sich durch starke Leistungen bei Besiktas Istanbul für sein Comeback in der Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) empfohlen hatte, per Kopf auf 2:0. Für den 30-Jährigen bedeutete der Treffer das erste Länderspiel-Tor seit seinem Doppelpack im EM-Spiel am 13. Juni 2012 gegen die Niederlande.

England kam allerdings danach durch Harry Kane (61.) schnell ins Spiel zurück und durch das erste Länderspiel-Tor des kurz zuvor eingewechselten Shootingstars Jamie Vardy (74.) auch zum durchaus verdienten Ausgleich. In der Nachspielzeit besiegelte Eric Dier die deutsche Niederlage (90.+1.).

Deutschland - England: Einzelkritik
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Foto: ap, SO GB, FO

"Wir wollen Europameister werden. Deswegen war das eine dumme und unnötige Niederlage, denn wir haben in der zweiten Halbzeit völlig die Ordnung verloren", sagte Weltmeister Sami Khedira als Vertreter des verletzt fehlenden Kapitäns Bastian Schweinsteiger nach dem Abpfiff enttäuscht und verärgert. Nachdem seine Elf erstmals seit fast 21 Jahren nach einer 2:0-Führung noch als Verlierer vom Platz gegangen war (2:3 am 7. Juni 1995 im EM-Qualifikation in Bulgarien), nannte Gomez das Ergebnis "ein Stück weit unerklärlich".

Vor allem in der Defensive des Weltmeisters hakte es 78 Tage vor dem ersten EM-Vorrundenspiel am 12. Juni in Lille gegen die Ukraine lange an allen Ecken und Enden. Ohne die verletzten Abwehrspieler Jerome Boateng und Benedikt Höwedes wirkte aber besonders die Viererkette gegen mutig agierenden Engländer nicht besonders sicher. Mit Emre Can auf der rechten Außenbahn und Antonio Rüdiger in der Innenverteidigung fehlte es der Hintermannschaft an Stabilität. Dennoch verhalf Löw dem Leverkusener Jonathan Tah im zweiten Durchgang im Tausch gegen Abwehrchef Mats Hummels zum Länderspiel-Debüt.

Jamie Vardy trifft gegen Deutschland mit der Hacke
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Vardy trifft gegen Deutschland mit der Hacke

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Die Gäste, die schon keinen ihrer vorherigen acht Auftritte in der deutschen Hauptstadt gegen die DFB-Auswahl verloren hatten, konnten die immer wieder aufreißenden Lücken aber zunächst nicht nutzen. Kane vergab dabei früh die zunächst beste Gelegenheit für den Weltmeister von 1966 (7.).

Im Spiel nach vorne wussten die Platzherren in ihrem ersten Spiel nach den Terroranschlägen von Paris beim Länderspiel in Frankreich am 13. November bis zum 2:0 punktuell durchaus immer wieder zu gefallen. Allerdings blieben ganz große Chancen weitgehend Mangelware. Gomez und auch Kroos hatten zwar vereinzelt gute Szenen im Strafraum der Three Lions, unter dem Strich hatte Englands Ersatztorhüter Jack Butland allerdings abgesehen vom nicht anerkannten Gomez-Treffer bis zu seiner verletzungsbedingten Auswechselung nach Deutschlands Führungstreffer kaum brenzlige Situationen zu bestehen.

In der zweiten Hälfte bot sich insbesondere nach Englands Anschlusstreffer das gleiche Bild. Mehrfach geriet Löws Abwehr bei den weiter schnellen Angriffen der ohne Stürmerstar Wayne Rooney angereisten Gäste nunmehr in immer ärgere Bedrängnis, wiederholt auch durch individuelle Schwächen.

Die Hausherren gerieten denn auch schon vor Diers Siegtreffer immer bedrohlicher in die Nähe der Niederlage, zumal praktisch keinerlei Angriffe wenigstens zur vorübergehenden Entlastung gestartet wurden. Von Mesut Özil war faktisch nichts zusehen, und auch Marco Reus und Thomas Müller blieben ausgesprochen blass. Auch die Hereinnahme von Lukas Podolski veränderte an der Gewichteverteilung im Spiel kaum etwas zugunsten von Löws Mannschaft, in der die beiden Torschützen sich die Bestnoten verdienten.

Die Begegnung fand nach den jüngsten Terroranschlägen von Brüssel unter verstärkten Sicherheitsvorkehrungen statt. Vor dem Anpfiff blieb es nach Polizeiangaben in der Hauptstadt ruhig. Beide Teams trugen in Gedenken an die Opfer der Terroranschläge in der belgischen Hauptstadt Trauerflor, zudem hatte es vor dem Anpfiff eine Schweigeminute gegeben.

(sid)
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