Die neue Nations League Wie? Wann? Und vor allem: Warum?

Kurz nach der Fußball-WM in Russland startet der brandneue Wettbewerb "Nations League". Am Mittwoch erfahren Joachim Löws Weltmeister ihre Gegner. Doch viele Fragen sind noch offen.

Joachim Löw ist bei der Auslosung am Mittwoch dabei.

Joachim Löw ist bei der Auslosung am Mittwoch dabei.

Foto: dpa, kno hpl

Erst Europa-Schlager gegen Italien oder England — und dann eine Mini-WM mit Brasilien oder Argentinien? Wenn Joachim Löw kommende Woche die deutschen Gegner für die Premiere der Nations League erfährt, ist dies erst Auftakt für eine mögliche Länderspiel-Revolution. Aus dem neuen Wettbewerb für europäische Nationalteams soll nach Wunsch der Europäischen Fußball-Union Uefa eine Mini-WM entstehen. Zuvor dürfte der Modus der Nationenliga aber spätestens bei der Auslosung am Mittwoch (12 Uhr) in Lausanne bei Fans für reichlich Fragezeichen sorgen: Wie läuft der Weg zum Titel? Welche Auswirkungen gibt es für die EM? Gibt es jetzt gar keine Freundschaftsspiele mehr? Und - was soll das Ganze eigentlich?

Die 55 Uefa-Mitglieder wurden entsprechend ihrer Ranglistenposition in vier Ligen eingeteilt. In Liga A spielen die besten Teams, darunter auch Deutschland. Jede Liga ist noch einmal in vier Gruppen gesplittet. Die vier Gruppensieger der Liga A spielen den Nations-League-Titel aus. Die Gruppensieger der übrigen Ligen steigen in die nächsthöhere Liga auf, die schlechtesten Teams jeder Gruppe in den Ligen A bis C steigen ab.

Der Weltmeister startet mit einem Heimspiel gegen Frankreich am 6.
September. Anschließend stehen am 13. Oktober in den Niederlanden und drei Tage später in Frankreich zwei Auswärtspartien an. Zum Gruppenfinale kommt es am 19. November, wenn das Oranje-Team in Deutschland zu Gast ist. Zwei Testspiele kann die DFB-Auswahl somit im September nach der Frankreich-Partie und im November vor dem Duell mit den Niederlanden bestreiten.

In Liga A gibt es vier Gruppen mit jeweils drei Mannschaften. Als topgesetztes Team geht die Löw-Auswahl in der Gruppenphase Spanien, Belgien und Portugal aus dem Weg. Gegner für das Löw-Team sind einerseits Frankreich, England, Schweiz oder Italien sowie eine Mannschaft auf dem Topf mit Polen, Island, Kroatien und den Niederlanden.

Der neue Wettbewerb hat direkte Auswirkungen auf die EM 2020. Die Qualifikation beginnt nicht wie bislang kurz nach der WM, sondern erst im März 2019. Zudem ergibt sich das Ranking für die Auslosung der kommenden EM-Quali-Runde aus der Platzierung in der Nations League. Noch wichtiger: Die Sieger der vier Ligen erhalten einen Platz bei der EM in zwei Jahren. Dies könnte die Prozedur aber für den Zuschauer zum undurchsichtigem Mysterium machen. Sollte ein Ligasieger sein Ticket bereits direkt über die normale EM-Qualifikation gebucht haben, würde das nächstbeste, nicht-qualifizierte Team nachrücken. Sollten alle Teams aus einer Liga bei der EM dabei sein, geht der Platz in die Liga darunter.

Die Nations League war neben der europaweiten EM 2020 mit 13 Gastgeberländern ein Lieblingsprojekt des inzwischen aus dem Fußball entfernten Michel Platini. "Die Freundschaftsspiele interessieren niemanden wirklich mehr, weder die Zuschauer noch die Journalisten oder Spieler", formulierte der damalige Uefa-Präsident im März 2014. Ein Trend, der sich inzwischen verschärft hat. Das Spiel Deutschlands gegen Frankreich vor zwei Monaten wollten in Köln gerade einmal noch 36.948 Besucher sehen. Das Uefa-Rezept gegen die Test-Tristesse: Mehr Pflichtspiele, die zu einem neuen Titel führen.

Die Gruppenspiele der Nations League finden im September, Oktober und November 2018 statt. Kurz vor der Sommerpause gibt es im Juni 2019 das Finalturnier der Liga A, in der der erste Titelträger der Nations League gekrönt wird. Von März bis November 2019 sind die Gruppenspiele der EM-Qualifikation geplant. Die Playoffspiele, in denen sich die vier letzten Mannschaften für die Euro qualifizieren, steigen im März 2020.

Vor allem aus Deutschland gibt es Kritik. "Wir brauchen nicht mehr Länderspiele, sondern weniger Länderspiele, denn die Spieler sind körperlich absolut am Limit", warnt Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. Durch die Nations League steigt zwar nicht die Anzahl der Auftritte von Nationalmannschaften, allerdings sind deutlich mehr Pflichtspiele zu bestreiten.

Auch innerhalb des Deutschen Fußball-Bundes ist die Meinung zur Nations League gespalten. Verbandschef Reinhard Grindel betont die wirtschaftliche Bedeutung für kleinere Nationen. Die sportliche Führung um Löw und Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff sieht den Wettbewerb jedoch zwiespältig, da die Möglichkeiten zum risikofreien Testen von jungen Spielern abseits des Titeldrucks geringer wird. Die reinen Freundschaftsspiele werden nun deutlich weniger - aber nicht gänzlich verschwinden. Vor Europa- und Weltmeisterschaften wird es beispielsweise noch Platz zum Ausprobieren geben. Auch von September bis November 2018 ist bei sechs Länderspiel-Slots und vier Nations-League-Partien noch Platz für zwei Tests.

Und im Ausland?

Besonders die kleinen Nationen freuen sich über die Nations League, der UEFA-Beschluss fiel einstimmig. Doch neben Deutschland gibt es vor allem aus England wegen des Modus Kritik. "Das ist weniger ein Sportwettbewerb als ein beklopptes Abenteuer. Ein Versuch, etwas Leben in ein tot geweihtes Produkt einzuhauchen, in dem die künstliche Dramaturgie einer Fernsehshow übernommen wird", schrieb der englische "Independent". "Und diese schaut übrigens niemand mehr."

Im Gegensatz zu regulären EM-Qualifikationsspielen, die RTL überträgt, haben sich ARD und ZDF die Rechte für die deutschen Spiele der Nations League gesichert. Die öffentlich-rechtlichen Sender werden von 2018 bis 2022 bis zu zwölf Partien der DFB-Auswahl in dem Wettbewerb zeigen. Das Finale wäre auch ohne deutsche Beteiligung zu sehen.

Die Uefa will die Nations League auf die ganze Welt ausweiten. Beim Treffen des Fifa-Councils soll nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur eine Global Nations League verhandelt werden. Das Modell nach europäischem Wunsch: Neben drei Teams, die sich aus Europa qualifizieren, sollen sich auch die Gewinner der anderen fünf Konföderationen im November alle zwei Jahre messen. Den bisherigen Confed Cup soll es nicht mehr geben.

Skurriles

Bei bestimmten Konstellationen könnte es durch die Nations League sogar zu einer zweiten Auslosung für die EM nach der ersten Ziehung im Dezember 2019 kommen. Wenn beispielsweise zwei Teams, die EM-Gruppenspiele ausrichten, in den Quali-Playoffs aufeinander treffen, könnte es zu Komplikationen kommen, bestätigte die Uefa auf Anfrage. Passendes Datum für die Nach-Auslosung: 1. April 2020.

(dpa/sid/areh)
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