"Heimspiel" für Toni Kroos in Spanien Der Achter, der nun ein Sechser ist

Düsseldorf/Vigo · Toni Kroos ist einer der wichtigsten Spieler beim Weltmeister, der heute Abend beim Europameister Spanien antritt.

Das ist Toni Kroos
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Foto: ap, FS

Die Hochbegabten haben es auch nicht immer leicht. Diese leidvolle Erfahrung hat Toni Kroos schon früh machen müssen. Als Zwölfjähriger kam er aus Greifswald zu Hansa Rostock, und weil er ziemlich gut mit dem Ball umgehen konnte, spielte er natürlich bei den Älteren mit. Trotzdem musste er der Beste sein, er hatte nun mal das größte Talent. "Es ist nicht so einfach, wenn die Leute immer das Besondere sehen wollen", sagte er mal über seine Jugend.

Der Mann für das Besondere ist er geblieben. Inzwischen wird das überall anerkannt. Spätestens seit der Weltmeisterschaft haben auch die hartnäckigsten Kritiker des Mittelfeldspielers begriffen, was für ein großer Fußballer der kühle Junge aus dem Norden ist. Heute Abend spielt der auch erst 24-Jährige von Real Madrid in seiner neuen Wahlheimat Spanien beim Treffen des Europameisters mit dem Weltmeister (20.45 Uhr/Live-Ticker). Und er würde Spaniens Trainer Vicente del Bosque sicher zustimmen. Der sagte: "Es ist zwar ein Freundschaftsspiel, aber man kann es nicht als ein solches einordnen."

In Vigo geht es heute Abend ums Prestige. Obwohl beide Mannschaften in einem Umbruch stecken und überdies nicht in bester Besetzung antreten können, wird es sicher eine entschieden ernsthaftere Begegnung als die am vergangenen Freitag in Nürnberg. Da spazierte die deutsche Mannschaft eher gelangweilt zu einem 4:0-Erfolg in der EM-Qualifikation über den Fußballzwerg Gibraltar. Niemand musste dafür seine beste Form auf den Rasen bringen. Kroos stellte nach der ebenso unbefriedigenden wie einseitigen Begegnung fest: "Wir gehen am Stock." Er musste nicht eigens darauf verweisen, dass er derartige Spiele für überflüssig hält. Seine Wegbegleiter nickten in Anerkennung seiner Verdienste voller Ernst und Verständnis.

Schließlich könnte Kroos betonen, dass er im Jahr leicht auf 50 Spiele mit vergleichsweise sehr hohen Anforderungen kommt. Deshalb finden die meisten Fachleute das Aufstöhnen der Spitzenspieler über den aufgeblähten europäischen Spielkalender durchaus nachvollziehbar.

Begegnungen wie die mit dem Europameister aber sind ganz nach dem Geschmack von Toni Kroos. Auf diesem Niveau kann er die ganze Palette seiner Fähigkeiten ausbreiten, sein Gefühl für den Rhythmus des Spiels, seine Ballsicherheit und seine Schusstechnik. Bei der WM war von allem etwas zu sehen. Kroos war ein wesentlicher Taktgeber im Team. Und es war kein Zufall, dass er diese Rolle dem in seiner Form schwankenden Kollegen Mesut Özil wegschnappte. Auch bei Bundestrainer Joachim Löw hatte sich Toni Kroos unentbehrlich gemacht.

Er spielte auf seiner Lieblingsposition, leicht versetzt vor der defensiven Mittelfeldzentrale, auf der sogenannten Acht. Eine ideale Rolle für einen Spieler mit seinen Anlagen. Die vielleicht größte Überraschung dieses Sommers war sein Rollenwechsel ins Charakterfach des Sechsers bei Real Madrid. Dort ist er nun allein vor der Abwehr dafür zuständig, dass sich das Madrider Spiel entwickelt und der Gegner möglichst keinen offensiven Zugriff findet, wie das heute so schön heißt. Kroos spielt den Part für die ganz reifen Strategen. Und er hat es geschafft, dass bei Real nicht mal mehr die hartnäckigsten Verklärer der jüngeren Vergangenheit nach Xabi Alonso rufen. Madrid verbeugt sich vor Kroos.

Es ist eine wunderbare Ironie der Fußballgeschichte, dass Alonso gerade bei den Bayern eine entsprechende Heldenverehrung entgegen gebracht wird. Kroos' früherer Klub legte im späten Frühjahr kein angemessenes Angebot vor, weil vor allem Klubchef Karl-Heinz Rummenigge nicht zu den großen Kroos-Fans zählt. Als der FC Bayern München auch unter dem Eindruck der WM im Sommer nachlegte, stand Kroos schon bei Real im Wort. So kann's gehen.

(RP)
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