Nationalelf Verhaltenes Zuschauer-Interesse: DFB will handeln

Gelsenkirchen · Nach dem WM-Triumph erwartete der Deutsche Fußball-Bund (DFB) einen Boom. Der Zuschauerzuspruch bei Heimspielen erfüllt die Hoffnungen nicht.

Deutschland - Irland: Fakten
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Foto: dpa, ve jai

Julian Draxler versuchte die unangenehme Frage mit einem Scherz zu umgehen. "Vielleicht ist es im Moment auf Schalke interessanter, das Training unter dem neuen Trainer Roberto Di Matteo zu schauen", sagte der Fußball-Nationalspieler über die Zurückhaltung der Gelsenkirchener, die nicht gerade in Scharen zum EM-Qualifikationsspiel in der Veltins-Arena gegen Irland pilgerten. Dabei gab es dort immerhin 14 Weltmeister zu sehen. 14 Spieler, denen im Juli auf der Berliner Fanmeile noch rund 500.000 Menschen zujubelten - obwohl da keiner von denen Fußball spielte.

Am Dienstagabend taten sie das dann zum dritten Mal seit dem Triumph von Rio wieder vor heimischem Publikum. Doch wie schon im Spiel der EM-Quali gegen Schottland in Dortmund (2:1) - nach der ausverkauften Nach-WM-Feier in Düsseldorf gegen Argentinien (2:4) -, blieben auch auf Schalke Plätze leer. Dabei hatte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach nach der WM im Magazin Der Spiegel noch frohlockt: "Wir erwarten einen Boom."

Den gibt es tatsächlich - nur er findet nicht in den Stadien statt, der ureigenen Manege der Stars. Am Montagabend wurde die Mannschaft vor dem Stadion am Uhlenkrug von Hunderten kreischenden Teenies und Kindern empfangen, obwohl das Training dort hinter verschlossenen Toren stattfand. Einige kletterten auf Zäune oder Bäume, nur um einen kurzen Blick auf ihre Lieblinge zu erhaschen. Als Torwart Manuel Neuer am Sonntagabend in Gelsenkirchen ein Kinder- und Jugendhaus eröffnete, bettelten Hunderte um ein Autogramm.

Warum nur kommen all diese Menschen nicht auch ins Stadion? "Das ist eine Thematik, die wir ernst nehmen und mit der wir uns nach diesen Länderspielen befassen werden", sagt Teamsprecher Jens Grittner auf Anfrage: "Wir haben natürlich ein großes Interesse daran, dass die Nationalmannschaft vor vollen Rängen spielt." Hinter den Kulissen wird eifrig Ursachenforschung betrieben.

Zumal das Problem nicht neu ist. Das Duell mit den Iren war das 14. Heimspiel der DFB-Elf seit der EM 2012, sieben waren ausverkauft. Teammanager Oliver Bierhoff erklärt am Beispiel des Schottland-Spiels: "Bei dem Termin kam vieles zusammen: Urlaubszeit, Bundesliga-Start, früher Zeitpunkt nach der WM. Wir dürfen den Fan nicht überfordern."

Dass das Irland-Spiel jetzt wieder an einen Ort verlegt wurde, an dem gerade Ferien sind, ist da etwas ungeschickt. Zumal die Anstoßzeit (20.45 Uhr) nicht gerade familienfreundlich ist. Zudem meinen viele Fans, dass die Quali-Spiele nach der Aufblähung der EM-Endrunde auf 24 Mannschaften ohnehin keine große Bedeutung mehr haben. Zur EM fährt "Schland" sowieso, heißt es da. Spannungsfaktor? Null!

"Wir müssen darauf achten, die Länderspiele weiterhin attraktiv zu halten", mahnt Bierhoff - eine klare Ansage an die internationalen Verbände UEFA und FIFA. Der DFB tue sein Möglichstes. "Im Vergleich zum Ausland sind unsere Preise moderat", sagt Bierhoff etwa. Wer Deutschland gegen Irland sehen wollte, musste für eine (nicht ermäßigte Karte) zwischen 25 und 100 Euro bezahlen. Für manchen ist das aber viel Geld, vor allem in einer strukturschwachen Stadt wie Gelsenkirchen.

Wenn dann die Nationalelf nicht so zaubert wie bei der WM, kann der Fan auch mal böse werden. In Düsseldorf gab es zuletzt Pfiffe gegen Mario Gomez. Bundestrainer Joachim Löw hatte dafür "kein Verständnis", wie er verschnupft wissen ließ. Kein Einzelfall. Im März 2013 wurde Neuer beim 4:1 in der WM-Quali gegen Kasachstan nach einem missglückten Ausflug von Teilen des Nürnberger Publikums verhöhnt. Löw schimpfte über "unfaire Häme".

Das nächste Heimspiel am 14. November gegen Gibraltar, das Löw wegen der Überbelastung der Spieler ohne viele WM-Helden bestreiten wird, findet übrigens in Nürnberg statt. Karten in allen fünf Kategorien (25 bis 80 Euro) sind noch genügend vorhanden.

(sid)
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