Bayern als Vorbild für die Nationalmannschaft Wird die Dreierkette zum Erfolgsmodell?

Düsseldorf · Die Bayern finden das Defensiv-System mittlerweile ebenso erfolgversprechend wie die Holländer oder Juventus Turin.

Xabi Alonso nimmt bei den Bayern die zentrale Position in der Dreierkette ein.

Xabi Alonso nimmt bei den Bayern die zentrale Position in der Dreierkette ein.

Foto: dpa, kku jhe

Vor zwei Jahren hätte sich Jürgen Klopp beinahe mal wieder als taktischer Erneuerer des deutschen Fußballs feiern lassen können. Im westfälischen Bundesliga-Derby gegen Schalke 04 schickte der Dortmunder Trainer eine defensive Dreierkette auf den Rasen. Das Experiment ging gründlich daneben. Der BVB verlor 1:2, und Klopp bekannte: "Die Niederlage geht auf meine Kappe."

Vor der WM unterlag seine Mannschaft im DFB-Pokalfinale gegen Bayern München mit 0:2 nach Verlängerung. Diesmal hatte sein Konkurrent Pep Guardiola die Dreierkette eingesetzt. In Italien ist sie schon lange der taktische Maßstab, Juventus Turin hat ihn gesetzt. Und nun kommt sogar Bundestrainer Joachim Löw in Versuchung.

Nach dem defensiv vor allem auf den Außenbahnen nicht überzeugenden Auftritt in der EM-Qualifikation gegen Schottland (2:1) räumte er ein, zumindest mal an die Dreierkette gedacht zu haben. Deren Vorzüge sind ihm entsprechend geläufig. Sie ist nämlich eigentlich eine Fünferkette. Das geht so: In der Mitte stehen drei Innenverteidiger, einer davon ist so etwas wie ein Libero. Sie beschäftigen sich liebevoll mit der gegnerischen Spitze, und sie sollten das Aufbauspiel aus der eigenen Zentrale beherrschen.

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System zur Sicherung

An den Außenlinien wird diese zentrale Dreierkette von Spielern unterstützt, die im Idealfall ihr Handwerk im Mittelfeld gelernt haben und (vor allem) defensiv denken. Sie begegnen dem Gegner als Verteidiger, und sie sollen über die Flügel bei Bedarf mit nach vorn gehen — so wie das die Außenverteidiger im herkömmlichen System mit der Vierer-Abwehrkette auch tun. Die Dreier- oder Fünferkette ist also vor allem ein System zur Sicherung, und es eignet sich hervorragend zur Einleitung von Konterangriffen, weil die Kombinationswege kurz sind. Deshalb hat sie der niederländische Bondscoach Louis van Gaal bei der WM spielen lassen. Ihm war es zu risikoreich, die vielen jungen Leute in seiner Mannschaft wild nach vorn rennen zu lassen. Damit beging er im Land des totalen Fußballs einen Tabubruch. Aber das juckte ihn nicht.

Löw würde gegen seine eigenen Vorstellungen vom schönen Fußball verstoßen. Das hat er zwar bei der WM auch getan, als er vier Innenverteidiger in der Abwehr aufbot. Aber selbst das ist kein Grund für die Annahme, er habe sich grundsätzlich für den Erfolg und gegen die Ästhetik entschieden. Die Entscheidung für die Dreier- (Fünfer-) Kette wäre sogar eine gegen das eigene Personal. Das hat er selbstverständlich erkannt. "Für die Dreierkette braucht man auf den Außenbahnen Spieler mit großen Qualitäten im Spiel nach hinten", sagt Löw, "wir würden an Qualität, Kraft und Dynamik fürs Spiel nach vorn verlieren. Und unsere Spieler wie Draxler, Schürrle, Reus und Müller sollen eigentlich ihre Kraft und Dynamik vorn behalten." Er hätte auch sagen können: "Unsere Außenspieler denken einfach nicht defensiv."

In Italien ist das ganz anders. Das Publikum findet 1:0-Siege fast noch schöner als 4:1-Erfolge. Die Spieler wachsen damit auf, die Absicherung des Tors ziemlich wichtig zu finden. Deshalb konnte der heutige Nationaltrainer Antonio Conte die Dreier- (Fünfer-) Abwehr beim führenden Klub perfektionieren. Juventus Turin hat sich diesem System verschrieben. Natürlich spielt es die Nationalmannschaft ebenfalls.

Es ist unwahrscheinlich, dass Löws DFB-Auswahl diesem Beispiel folgt. Es ist aber sicher, dass die Bayern an ihrer Form des Systems arbeiten. Beim ersten Einsatz von Xabi Alonso zeigten sie das. Die Schalker Angriffe wurden von einer Dreierkette in der Zentrale empfangen. Wenn die Bayern in Ballbesitz kamen, ließ sich Alonso in diese Abwehrreihe und manchmal dahinter zurückfallen. Von dort prägte er das Aufbauspiel und den Rhythmus der Bayern-Aktionen mit seinen Pässen. Vorteil dieser Variante: Alonso hat zur Vorbereitung seiner Pässe mehr Zeit und Raum als im zentralen Mittelfeld. Und sie entspricht seiner Natur als Spieler. Löw hat niemand, der denkt wie Alonso.

(RP)
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