WM 2006 Das Zeugnis der 32 Teilnehmer
Deutschland
Die viel belächelten Ankündigungen von Jürgen Klinsmann, seine Mannschaft werde auf den Punkt fit und habe das Zeug zum Weltmeister, bewahrheiten sich voll. Vom ersten Tor durch Philipp Lahm bis zum letzten Treffer, den Bastian Schweinsteiger gegen Portugal schoss, zeigte die Mannschaft bisweilen atemberaubenden Offensivfußball, kluges Defensivspiel und einen unglaublichen Zusammenhalt. Seit dem Turnier verfügt Deutschland wieder über ein halbes Dutzend Akteure, die auch ausländisches Klubs gerne in ihren Reihen hätten.
Angola
Trat mit einer Reihe von Spielern an, die in unteren Klassen in Portugal spielen oder sich dort gar nur fit halten. Dementsprechend durchaus beachtlich, dass die Angolaner zwei Punkte holten und Dritter in der Gruppe D wurden.
Argentinien
Galt nach dem berauschenden 6:0-Erfolg gegen Serbien und Montenegro als großer Favorit und hielt diesen Eindruck bis zum Elfmeterschießen gegen Deutschland im Viertelfinale aufrecht. Beim deutschen Torwart und Zettelfreund Jens Lehmann war dann aber Endstation.
Australien
Neben Ghana die Überraschungsmannschaft des Turniers. Zeigten zum Glück weniger Härte als in den Vorbereitungsspielen und (noch) mehr Offensivfußball. Qualifizierten sich überraschend fürs Achtelfinale und bereiteten dort dem späteren Weltmeister Italien eine der größten Herausforderungen. Aus in der fünften Minute der Nachspielzeit.
Brasilien
Die Mannschaft um Ronaldinho, Kaka und Ronaldo galt für manche Experten als bestes brasilianisches Team aller Zeiten. Schon in der Vorrunde weckten die Südamerikaner Zweifel an diesem Ruf, weil sie sich im Defensivkonzept ihres Trainers zu wenig entfalten konnten. Im unbedeutenden Spiel gegen Japan gab's die einzige Gala, nach dem 0:1 im Viertelfinale gegen Frankreich ging's nach Hause.
Costa Rica
Wahrscheinlich der schwächste unter den 32 WM-Teilnehmern. Blamierte sich vor dem Turnier in Vorbereitungsspielen gegen deutsche Regionalauswahlen und landete in der deutschen Gruppe ohne Punktgewinn und mit 3:9 Toren auf dem letzten Platz.
Ecuador
Strafte alle diejenigen Kritiker Lügen, die behaupteten, die Mannschaft sei nur in der Höhenluft ihres Heimatstadions (2850 Meter) stark. Qualifizierten sich souverän und vorzeitig hinter Deutschland fürs Achtelfinale, schieden dort unglücklich gegen England (0:1) aus.
Elfenbeinküste
Überraschten von der ersten Minute im ersten Gruppenspiel gegen Argentinien, wurden aber leider vorher schon böse überrascht von der Gruppenauslosung. Scheiterten an den Südamerikanern und den Niederlanden, besitzen aber exzellente Perspektiven und viele Sympathien für 2010.
England
Die vermeintlich beste englische Mannschaft seit dem Titelgewinn vor 40 Jahren scheiterte an ähnlichen Problemen wie Tschechien. Zwar nahm Trainer Sven-Göran Eriksson mehr starke Angreifer mit, die aber schieden verletzt (Michael Owen) oder wegen Unbeherrschtheiten (Wayne Rooney) aus. Am Ende scheiterten die Engländer – wie sollte es anders sein – im Elfmeterschießen.
Frankreich
Nach dem bitteren Aus vor vier Jahren, als sie als Titelverteidiger nicht einmal ein Tor schossen, fanden die Franzosen langsam aber sicher zu alter Form zurück. Am Ende lief es aber doch wie 2002: Als Kapitän Zinedine Zidane fehlte, verlor die Mannschaft Antrieb und Orientierung, schaffte im Finale gegen Italien nicht mehr das Siegtor, das vor Zidanes Platzverweis in der Luft lag.
Ghana
Die beste afrikanische Mannschaft. Schlugen überraschend Tschechien und kamen dank des tollen Michael Essien sowie des abgeklärten Stephen Appiah ins Viertelfinale, das sie auf Grund fehlender Erfahrung ungerecht hoch gegen Brasilien verloren (0:3).
Iran
Außer einem Wiedersehen mit dem bisher letzten Schnauzbartträger der Bundesliga, Ali Daei, brachte das Gastspiel des Iran wenig ein. Zielstrebig Letzter der Gruppe D, mit nur einem Punkt aus dem Spiel gegen Angola (1:1).
Italien
Der Weltmeister. Verkörperte am ehesten die Vision von modernem Fußball, die eines Titelträgers würdig erscheint. Spielte dank des genialen Trainers Marcello Lippi mal mit einer Neuner-Abwehrkette (nach dem Platzverweis gegen Australien), mal Turbo-Offensivfußball, um die starken Deutschen im Zaum zu halten. Fabio Cannavaro wird als einer der besten Innenverteidiger aller Zeiten in die Geschichte eingehen.
Japan
Erfüllte schon als Gastgeber vor vier Jahren nicht alle Erwartungen, enttäuschte diesmal noch stärker die Hoffnungen der heimischen Fans. Ein Punkt nach dem grausamen 0:0 gegen Kroatien. Einziger Trost: Japan führte zwölf Minuten 1:0 gegen Brasilien.
Südkorea
Die Fans zeigten eine ähnlich tolle Vorstellung wie bei der WM im eigenen Land, die Spieler hielten diesmal leider nicht mit. Statt Halbfinale wie 2002 hieß es diesmal Heimfahrt nach der Vorrunde, weil Frankreich im letzten Gruppenspiel zu alter Stärke fand.
Kroatien
Wohl schon nach dem 0:1 gegen die schwachen Polen im letzten Vorbereitungsspiel galten die Kroaten als wenig aussichtsreich. Schafften zwei Unentschieden gegen Japan und Australien sowie das einmalige Ereignis dreier Gelber Karten für einen Spieler in einem Spiel.
Mexiko:
Bei ihren jüngsten drei WM-Teilnahmen war die mexikanische Nationalmannschaft jeweils im Achtelfinale gescheitert. Der Zeitpunkt schien gekommen, um diesen Bann zu brechen. Doch abgesehen davon, dass die Vorrundenauslosung dem Team von Trainer Ricardo La Volpe keine leichte Gruppe beschert hatte, fanden die Mexikaner bei diesem Turnier erst zu spät zu ihrem gewohnten Niveau, so dass sie wieder einmal im Achtelfinale scheiterten.
Niederlande:
Nachdem die Niederlande sich auf eine Weise aus dem Turnier verabschiedet hat, die kaum ihrem fußballerischen Können entspricht, hört man auch von der neuen Generation holländischer Spieler dieselben alten Klagerufe. Dennoch wäre es unfair, die Leistung des Teams von Bondscoach Marco van Basten in Deutschland 2006 als nur einen weiteren der gewohnten Misserfolge der Oranjes bei Weltmeisterschaften abzutun.
Paraguay:
Die Albirrojos aus Paraguay unterlagen zwei Mal denkbar knapp mit 0:1, wobei sie gegen England schon sehr früh (3. Min.) durch ein Eigentor in Rückstand gerieten, während sie sich gegen Schweden erst in der vorletzten Spielminute (89.) geschlagen geben mussten. Die Mannschaft von Nationaltrainer Aníbal Ruiz, die es bei den vorangegangenen Endrunden (Frankreich 1998 und Korea/Japan 2002) bis ins Achtelfinale geschafft hatte, konnte dieses Mal nicht überzeugen.
Polen:
Das Abenteuer Deutschland war für Polens Elitekicker mit einem anderen Vorzeichen versehen. Die Truppe von Nationaltrainer Pawel Janas sollte die Enttäuschung von vor vier Jahren vergessen machen, als man in Japan und Korea bereits nach der Gruppenphase die Koffer packen musste. Es kam anders: Vorrunden-Aus nach schwachen Leistungen.
Saudi-Arabien:
Die Wüstensöhne nahmen zum vierten Mal hintereinander an einer Weltmeisterschaft teil. Ihre Vorstellung hinterließ bei den Fussballfans keinen bleibenden Eindruck.
Portugal:
Die Portugiesen haben die Erwartungen sicherlich erfüllt. Nun fangen die Probleme allerdings an. Figo und Pauleta hören auf, auch andere Spieler sind in die Jahre gekommen - der Umbruch ist somit programmiert.
Schweden:
"Zwei unserer drei Ziele haben wir erreicht", so Schwedens Nationaltrainer Lars Lagerback nach dem Ausscheiden seines Teams im Achtelfinale gegen Deutschland. "Für Schweden war allein schon die Teilnahme an der Endrunde eine große Leistung - nicht zu sprechen von der Qualifikation für das Achtelfinale. In meinen Augen ist das eine gute Bilanz." Da kann man geteilter Meinung sein.
Schweiz:
Die Schweiz ist das erste Land, das sich von einer WM verabschieden musste, ohne ein einziges Gegentor kassiert zu haben. Allein dieser Fakt beweist, dass die Schweizer, die im Achtelfinale ausschieden, bei der EM im eigenen Land eine gewichtige Rolle spielen werden.
Serbien und Montenegro:
Es mag paradox erscheinen, ist aber tatsächlich so geschehen: Die beste Abwehr der gesamten WM-Qualifikation der Europa-Zone stellte sich bei der Weltmeisterschaft als die schwächste heraus. Die Mannschaft, die in zwei Jahren nur ein einziges Gegentor (durch Raúl in Madrid) zuließ, musste innerhalb weniger Tage gleich zehn Treffer hinnehmen – ein unerklärlicher Leistungsabfall.
Spanien:
Wieder einmal meinte es das Schicksal nicht gut mit einer hoffnungsvollen spanischen Nationalmannschaft. Dieses Mal sorgten die Franzosen dafür, dass die Spanier bereits nach dem Achtelfinale die Heimreise antreten mussten. Dennoch, den Iberern gehört die Zukunft.
Togo
WM-Neuling Togo konnte trotz einiger Turbulenzen, die dem internen Prämienstreit geschuldet waren, einen Hauch frischen Fußballwind verbreiten, zumal sich die Westafrikaner redlich mühten, auf dem Platz eine gute Vorstellung zu bieten.
Trinidad und Tobago
Bei seiner ersten WM-Teilnahme überhaupt überraschte das Team aus dem karibischen Inselstaat durch sein erfrischend offensives Spiel und übertraf damit alle Erwartungen. Lediglich im Abschluss mangelte es der Mannschaft an der nötigen Konsequenz und Entschlossenheit.
Tschechien
Obwohl die WM 2006 als das Turnier in die Geschichte einging, beim die „alten Garden“ noch einem triumphal auftraten, schieden die Tschechen schon in der Vorrunde aus. Den Männern um Pavel Nedved wurde zum Verhängnis, dass sie in Jan Koller nur einen internationale wertvollen Stürmer besaßen und der verletzt ausschied.
Tunesien
Wieder einmal ist eine Weltmeisterschaft früh vorbei für die Tunesier. Zu früh für ein solch Fußball verrücktes Land, das seit 1978 auf seinen zweiten Sieg bei einer Weltmeisterschaft wartet.
Ukraine
Ein Schewtschenko alleine reicht nicht. Das musste die Ukraine bei der WM schmerzlich feststellen, wo sie bei ihrer ersten Teilnahme immerhin das Viertelfinale erreichte.
USA
"Vier Jahre sind eine lange Zeit, wir müssen wieder eine neue Mannschaft aufbauen. Wir haben einige junge Spieler, die bereits sehr gut sind“, sagt Mittelfeldspieler Dempsey der damit den Nagel auf den Kopf trifft. Das US-Team ist überaltert, hat aber einmal mehr bewiesen, dass man an einem guten Tag große Mannschaften ärgern kann.