"Das Herz blutet" Der DFB-Elf laufen die Zuschauer davon

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft erwartet beim WM-Qualifikationsspiel gegen San Marino ein trister Rahmen. Die Führung hat den Zuschauerschwund als Problem erkannt.

Deutschland - San Marino: Fakten
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Foto: dpa, vge

Russland murrt schon. Und auch die deutschen Fans rennen ihrer Fußball-Nationalmannschaft nicht gerade die Türen ein. Am Donnerstag flogen Bundestrainer Joachim Löw und sein Team der vielen Unbekannten vom stürmischen Kopenhagen aus einem tristen Rahmen für das WM-Qualifikationsspiel gegen San Marino am Samstag (20.45 Uhr/RTL) in Nürnberg entgegen. Nur 27.000 Karten sind verkauft - sehr wenig für ein Pflichtspiel des Weltmeisters. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) sucht Wege, um gegenzusteuern.

"Die wichtigen und besonderen Spiele sind immer noch bestens besucht, aber der Hype, der durch die Heim-WM zwischen 2005 und 2014 entstand, hat ein wenig abgenommen", sagte Teammanager Oliver Bierhoff. "Man darf Länderspiele nicht als Selbstläufer sehen. Wir müssen uns die Gunst der Fans erspielen und erarbeiten." Ob das mit dem aktuellen Perspektivkader gelingen kann?

"Wir hatten noch nie ein Länderspiel mit weniger als 30.000 Zuschauern", klagte Nürnbergs Stadionchef und Bürgermeister Christian Vogel (SPD) in der Nürnberger Zeitung. Zum 1. FCN kamen in der vergangenen Zweitliga-Saison 28.833 Fans im Schnitt, laut Analyse des Fachmagazins kicker ("Verschmähte Weltmeister") droht der schwächste Besuch eines deutschen Pflichtheimspiels seit über 16 Jahren. Am 24. März 2001 hatten sich 22.500 Zuschauer zum 2:1 gegen Albanien in Leverkusen eingefunden. Von 2003 bis 2008 waren hingegen 22 Pflichtheimspiele in Serie ausverkauft.

Ein Abwärtstrend? "Gegenargument: Die Einschaltquoten sind sehr stabil", sagte DFB-Präsident Reinhard Grindel der FAZ: "Das Grundproblem ist keineswegs eine abnehmende Akzeptanz der Nationalmannschaft oder eine überzogene Kommerzialisierung." Die Zuschauer hätten eben "ein feines Gespür, ob es um etwas geht oder eben nicht". Nationalspieler Jonas Hector meinte: "Es ist ein Spiel, das nicht so reizvoll ist wie die Spiele gegen die großen Nationen." Er hoffe dennoch auf ein volles Haus.

Allerdings kommt am Samstag einiges zusammen. Nur drei und dazu noch wenig populäre Weltmeister stehen im Kader, der anschließend zum Confed Cup (17. Juni bis 2. Juli) fliegen wird. Fans sind des Fußballs müde, San Marino reißt niemanden von den Stühlen. Zuletzt waren Heimspiele selten sportliche Festtage. Das Ergebnis scheint zudem programmiert: In San Marino gewann Deutschland 8:0.

Bierhoff sieht Eintrittspreise nicht als Hauptproblem

Die Kartenpreise in Nürnberg bewegen sich auf stabil hohem Niveau (25 bis 80 Euro), was laut Bierhoff aber keine Erklärung für den Schwund ist. Es gebe grundsätzlich "eher Probleme beim Verkauf der günstigeren Tickets", berichtete er. Grindel will Spiele künftig nach dem Vorbild Spanien in kleinere Stadien in Regionen legen, die selten bis nie internationalen (Klub-)Fußball zu sehen bekommen.

Bis dahin dürften leere Ränge aber zur Gewohnheit werden - auch beim Confed Cup. WM-Cheforganisator Alexej Sorokin sprach in der Sport Bild vor der Mini-WM für viele Russen, die auf einen Besuch verzichten. "Natürlich blutet dem Fußball-Fan das Herz, wenn der amtierende Weltmeister ohne seine Stars antritt", sagte der 45-Jährige: "Denn für die kommen die Zuschauer ins Stadion." Wohl auch deshalb wollten ganze 15.488 Zuschauer das deutsche Testspiel in Dänemark (1:1) am Dienstag sehen. Fast die Hälfte des Stadions blieb leer.

Sportlich, das hat die ansprechende Leistung gezeigt, liegt Bundestrainer Joachim Löw mit seinem "WM-Casting" goldrichtig. Russland hätte zwar gerne Toni Kroos, Manuel Neuer und andere herumgereicht, doch gierige Spieler aus der zweiten Reihe können attraktiver sein als semi-motivierte Stars, die das Turnier am Ende einer kraftraubenden Saison als lästig empfinden.

Dennoch ist Löw in seiner Meinung bei aller Freude über die Chance auf Experimente eindeutig. Er wäre nicht böse, "wenn es das Turnier 2021 nicht mehr geben würde". Eine Verknappung der Ware Fußball könne die Anziehungskraft stärken, sagte er im SID-Interview, und die Stars schonen. Grindel hält den Confed Cup ohnehin für "verzichtbar" - und ist dafür, ihn "abzuschaffen".

(sid)
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