DFB-Vertragspoker mit Löw und Bierhoff Zwanziger: "Vertrauen ist kaputtgegangen"

München (RPO). Der DFB rollt Joachim Löw drei Monate vor dem WM-Start den roten Teppich aus. Der Bundestrainer widersetzt sich dem Werben des Verbandes jedoch vehement. "Zum letzten Mal: Es wird keine Vertragsgespräche vor der WM mehr geben", erklärte Löw sichtlich genervt vor dem Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft am Mittwochabend in München gegen Argentinien.

Löws Streit mit dem DFB: Reaktionen
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Foto: AP

Obwohl DFB-Präsident Theo Zwanziger und Generalsekretär Wolfgang Niersbach nach den öffentlich breit getretenen Querelen infolge der geplatzten Vertragsgesprächen mit Löw im vergangenen Monat eingelenkt und eine Verlängerung des Arbeitsverhältnis doch noch vor dem Turnier in Südafrika in Aussicht gestellt haben, schaltet der Bundestrainer auf stur. "Ich konzentriere mich jetzt voll auf die WM, unabhängig von der Vertragssituation. Alles andere interessiert mich nicht. Ich denke, das sehen die Fans ähnlich."

Auch Deutschlands Fußball-Kaiser und DFB-Vorstandsmitglied Franz Beckenbauer kann Löw nicht umstimmen. "Solche Nebenkriegsschauplätze stören bei einer WM. Es wäre gut, wenn das vorher gelöst würde", hatte der deutsche WM-OK-Chef gefordert. Doch davon will Löw, der bei den Trainingseinheiten und offiziellen Terminen mit Ausnahme auf Fragen nach seiner Zukunft gewohnt locker und souverän auftrat, nichts wissen.

Zu groß sitzt offensichtlich der Stachel der Enttäuschung über die Vorgänge Anfang Februar, als seine geplante Vertragsverlängerung mit dem DFB in letzter Sekunde platzte und Interna in die Öffentlichkeit gelangten, die den 50-Jährigen als raffgierig und machtsüchtig erscheinen ließen.

Über diese Außendarstellung, die in der Öffentlichkeit aus "Everybodys darling" einen kühlen Geschäftsmann machten, ist Löw immer noch angefressen. Auf die Frage, ob der Auftakt der DFB-Auswahl in der EM-Qualifikation am 3. September in Belgien ohne ihn stattfinden könnte, anwortete er vielsagend: "Das kann sein". Denn ob er dann noch Chefcoach des deutschen Teams sei, "kann ich jetzt nicht beantworten."

Geht es nach Zwanziger, der im Umgang mit seinem wichtigsten Angestellten im vergangenen Monat nicht besonders feinfühlig war, soll Löw aber auf jeden Fall nach der WM oberster DFB-Trainer bleiben, selbst bei einem frühen Ausscheiden in Südafrika. "Bei uns ist die Bereitschaft vorhanden, mit Löw auch über das Turnier hinaus weiterzumachen. Weil ich der festen Überzeugung bin, dass er für diese Mannschaft der richtige Trainer ist", sagte Zwanziger. An dieser Grundhaltung würde auch ein frühes WM-Aus "nichts ändern".

Der DFB-Boss ist anscheindend der festen Überzeugung, dass Löw bei den Vertragsgesprächen zu sehr von Teammanager Oliver Bierhoff beeinflusst war, dessen Zukunft beim weltgrößten Sportfachverband der Welt über die WM hinaus äußerst fraglich ist.

"Ob er ein Angebot bekommt, kann ich heute nicht sagen", so Zwanziger. Zwar schließe er Vertragsgespräche mit dem früheren DFB-Kapitän nicht aus, aber: "Vertrauen ist kaputtgegangen. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass die öffentliche Meinung für Oliver Bierhoff und gegen den DFB gerichtet ist. Es ist umgekehrt."

Inzwischen gehe das Verhältnis mit dem Teammanager, dem der Verband die Hauptschuld an den geplatzten Verhandlungen um eine Vertragsverlängerung für Löw und sein Trainerteam gibt, aber wieder in die richtige Richtung. "Von seiner Kompetenz bin ich überzeugt, aber auch das Menschliche gehört dazu", sagte Zwanziger vieldeutig.

Mit seiner erneuten Annäherung an Löw nach einer Phase der Eiszeit will Zwanziger knapp 100 Tage vor dem WM-Start vor allem die Atmosphäre rund um die Nationalmannschaft entspannen und die vielen Anhänger beruhigen. "Zwischen Trainer und Mannschaft ist ein sehr enges Vertrauensverhältnis. Das System Jogi Löw jetzt zu belasten, kann ich den Fußballfans in Deutschland nicht zumuten. Wenn man sieht, wie nah er bei den Spielern ist, stellt man unzweifelhaft fest: Bis zur WM wäre jeder ersetzbar, nur er nicht", sagte Zwanziger.

Löw hatte zuletzt immer wieder seine Zukunft nach der WM offen gelassen. Dennoch, so Zwanziger, suche der DFB nicht parallel nach einem Ersatzkandidaten: "Mit einer Unsicherheit in der Trainerfrage nach einer WM gehen alle 32 Verbände in ein Turnier." DFB-General Niersbach machte aber deutlich: "Auf jeden Fall brauchen wir nach der WM eine schnelle Entscheidung. Es wird keine Trainerfindungs-Kommission wie nach Rudi Völlers Rücktritt 2004 geben."

(SID/born)
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