Reizthema RB Leipzig Schwerbekömmliches aus der Dose

Leipzig/Düsseldorf · Beim Projekt von Brausehersteller Red Bull in Leipzig geht es um eine grundsätzliche Frage: Wem gehört der Fußball? In diesen Tagen stellt sie sich besonders den Fans von Fortuna Düsseldorf.

Chronologie des Fan-Widerstands gegen RB Leipzig
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Foto: dpa, ude hak

Der Untergang der Fußballkultur kommt also aus der Dose. Das sagen die Traditionalisten. Das müssen nicht unbedingt ältere Menschen sein. Viele von denen, die jetzt für den Erhalt von was auch immer kämpfen, waren in der vermeintlich goldenen Zeit, auf die sie sich gerne beziehen, noch gar nicht geboren. Da lässt es sich umso befreiter demonstrieren. In diesem Fall gegen RB Leipzig, das künstliche Fußballprodukt aus dem Hause Red Bull.

In den 1980er Jahren ist man einfach nur zum Fußball gegangen. Heute reklamiert ein Teil des Publikums ein Mitspracherecht. Das sind die Menschen schließlich aus vielen anderen Lebensbereichen mittlerweile gewöhnt. Es fängt schon bei den Kleinsten an — in vielen Kindertagesstätten gehört Partizipation zum erzieherischen Leitbild.

In Leipzig wächst derzeit das umstrittenste Projekt im deutschen Profifußball heran. Die Beschützer des "echten" Fußballs sehen in der Filiale des österreichischen Brauseherstellers Red Bull eine große Bedrohung. Rechtlich ist die Expansion nicht mehr zu stoppen. Sportlich ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Zweitligist RasenBallsport Leipzig (so der offizielle Titel) der Sprung in die Bundesliga gelingt. RB hatte sich den dahin darbenden Standort im Osten der Republik bewusst ausgesucht. Dort gab es lange keinen Profifußball mehr. Zarte Versuche der Wiederbelebung wurden von Gewaltorgien sogenannter erlebnisorientierter Fans buchstäblich zerschlagen. Der Wirtschaftskonzern Red Bull lässt nun nach seinen Regeln spielen.

Vereinsführungen und Anhängerschaft an anderen Profispielorten haben sich bei vielen Themen mittlerweile sehr weit voneinander entfernt. Das Thema Red Bull führt sie oft wieder etwas näher zusammen. Wenngleich es unterschiedliche Dinge sind, die sie in ihrer Furcht antreiben.

Die Funktionäre haben Angst davor, von den offenbar schier unbegrenzten wirtschaftlichen Möglichkeiten des Imperiums RB und anderen dieser Preisklasse überrollt zu werden. Die Fans, weil sie sich nicht noch mehr zu Marionetten im Milliardengeschäft Bundesliga machen wollen. In Hannover ist derzeit gut zu sehen, was passiert, wenn die Emotionen aus dem Spiel genommen werden, wenn sich die Ultras verweigern und dem Profisport den Rücken kehren im Streit mit der Klubführung um verlorene Privilegien und mangelnden Respekt.

Das fehlende Spektakel auf den Stadionrängen ist nicht zuträglich für das Produkt. Die Fans sind die große Stärke der Liga — solange sie das machen, was von ihnen erwartet wird: Geld abliefern, Stimmung machen und für schöne Bilder sorgen.

RB Leipzig ist für viele so etwas wie die letzte rote Linie. Wenn sich das Projekt etabliert, wird es den Fußball hierzulande grundlegend verändern. Schon jetzt muss man lange suchen, um beim Engagement der Fleischschlachter, Aktiengesellschaften, Pharmariesen, Ölkonzerne, Autobauer und Softwareerfinder so etwas wie Romantik zu finden. Es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis sie sich nehmen, was ihnen ihrer Meinung nach sowieso zusteht: die Mehrheit am von ihnen größtenteils finanzierten Fußball. Der Markt wird entscheiden, ob die Rechnung aufgeht, ob die Ränge weiter gefüllt sind, ob die Quoten stimmen, ob die Erlöse wachsen.

Am Montag geht es in Leipzig für viele Anhänger von Fortuna Düsseldorf um mehr als drei Punkte, um mehr als ein Spiel. Es geht um ein Statement. Man mag das kindisch finden, aber es ist eine legitime Form des Protests, sich dieser Begegnung zu verweigern und stattdessen Schattentickets zu verkaufen und von deren Erlös Nachwuchsarbeit des Vereins zu unterstützen. Einen Boykottaufruf des Energydrinks hätte man sich sparen können. Ein paar Wirte nehmen das Getränk an diesem Abend aus dem Sortiment. Tags darauf ist es aber wieder auf der Karte. Kapitalismus eben.

Allemal sind diese Protestformen besser als der blanke Hass, der RB unter dem Deckmantel der Bewahrung von Traditionen wie zuletzt in Karlsruhe entgegenschlägt. Vielleicht ist irgendwann auch die Zeit reif, sich gegenseitig zuzuhören. Vielleicht nächste Saison.

(RP)
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