Christian Streich Der Prediger

Düsseldorf/Freiburg · Christian Streich nutzt die wöchentlichen Pressekonferenzen als Bundesligatrainer des SC Freiburg, um seine Meinung zu gesellschaftlich relevanten Themen kundzutun. Am Samstag gastiert er mit den Badenern bei Bayer Leverkusen.

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Foto: dpa/Jürgen Kessler

Viele Pressekonferenzen im Vorfeld eines Bundesligaspiels sind ritualisierte Ausdrucksform des Nichtssagens. Journalisten versuchen, dem Trainer Wortgewaltiges zu entlocken, der Trainer versucht, nicht zu viel preiszugeben, was die anstehende Partie betrifft. Als Quintessenz der Veranstaltung steht dann oft: Der Gegner steht defensiv sehr kompakt und schaltet schnell um, ob Spieler XY am Wochenende spielen kann, entscheidet sich kurzfristig, und Statistiken sind nur etwas für die Medien. In Freiburg sieht die Welt der Pressekonferenzen ganz anders aus. Denn in Freiburg arbeitet Christian Streich. Und er ist der Prediger unter den Bundesligatrainern.

Wo Amtskollegen anderswo in der Republik froh sind, den Pflichttermin hinter sich gebracht zu haben, redet sich der 51-Jährige regelmäßig in Rage. Nicht so sehr in Bezug auf das nächste Spiel, viel öfter zu Themen, die abseits des Rasens gerade auf der gesellschaftlichen Agenda stehen. Streich, mit fast fünf Jahren Amtszeit dienstältester Erstligatrainer, tut dies in so verlässlicher Regelmäßigkeit, dass die "Badische Zeitung" mal das Videoformat "Streich der Woche" ins Leben rief. Weil die Freiburger Journalisten natürlich längst wissen, wie sie den früheren Lehramtsstudenten (Germanistik, Geschichte, Sport) kitzeln müssen, damit er loslegt, ist auch kein Ende der Predigten in Sicht.

In der Vorwoche hatte Streich es auf die sozialen Medien abgesehen. "Google und Facebook machen Meinung, das sind mit die mächtigsten Leute auf der Welt", referierte Streich. Er hoffe, dass seine Spieler wissen, welche Bedeutung diese Art von Informationsquellen hätte und forderte dann, einmal in Fahrt, der Umgang mit Facebook, Twitter und Co. "müsste Schulfach sein, von der Grundschule angefangen", denn "ich würde gerne weiterhin in einer Demokratie leben, wenn das möglich ist".

An anderer Stelle rief Streich seine Spieler auch schon mal öffentlich auf, in jedem Fall wählen zu gehen, um "möglichst viele Stimmen abzugeben für demokratische Parteien und gegen diese unsägliche fremdenfeindliche und gästefeindliche Politik einiger Parteien". Denn die Flüchtlingsdebatte treibt Streich wie Millionen Bundesbürger um. Doch weil er im Gegensatz zu Millionen Bundesbürgern eben die mediale Bühne der Fußball-Bundesliga besitzt, machte seine Meinung zum Thema hinterher die Runde - nicht zuletzt seine Forderung, Flüchtlinge schnell in Arbeit zu bringen. "Hätte man mich mit 30 Jahren nicht arbeiten lassen, sondern in einem Haus mit anderen Menschen eingesperrt über eine längere Zeit, wüsste ich nicht, was ich gemacht hätte. Auf jeden Fall wäre der Aggressionspegel gestiegen. Und ich hätte mich geschämt, weil ich meinen Kindern keine kleinen Roller oder irgendwas besorgen hätte können", sagte Streich damals.

Aber Streich denkt auch an seine Kollegen. An Roger Schmidt vom heutigen Gegner Bayer Leverkusen (15.30 Uhr), zum Beispiel. Als besagter Schmidt unlängst nach seiner von TV-Kameras eingefangenen und danach geahndeten Entgleisung am Spielfeldrand erneut kritisiert wurde, sprang ihm Streich medial zur Seite. Schmidt werde "wie eine Sau durchs Dorf getrieben. Das ist Wahnsinn. Wir Trainer werden vorgeführt, in einer Situation, in der wir unter totaler Anspannung sind", polterte Streich - selbst nicht gerade ein tiefenentspannter Vertreter in der Coaching Zone.

Im Vorfeld des heutigen Spiels wollte sich Streich gar nicht viel mit Bayer Leverkusen beschäftigen, sagte er. Wichtiger sei ihm, "mit welcher Haltung wir spielen". Ein bisschen Predigt ist eben jede Woche in Freiburg.

(klü)
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