Sidney Sam bei Darmstadt 98 Hoffen auf den "Wagner-Effekt"

Er schien das Potenzial zum Top-Spieler zu haben. Die Karriere von Sidney Sam verlief nicht kometenhaft, aber stetig bergauf. Doch dann ging einiges schief. Mittlerweile ist er an den Tabellenletzten Darmstadt 98 ausgeliehen. Vielleicht seine letzte Chance. Sam und der Verein hoffen auf den "Wagner-Effekt".

 Sidney Sam hat gegen Köln sein Debüt für Darmstadt gefeiert.

Sidney Sam hat gegen Köln sein Debüt für Darmstadt gefeiert.

Foto: dpa, twa

Rückblick 2015: Im August wechselte Sandro Wagner von Hertha BSC zum Aufsteiger Darmstadt 98. Ein interessanter Transfer — aber auch einer ohne große öffentliche Bedeutung. Darmstadt galt als Himmelfahrtskommando, die Erwartungen waren entsprechend gering. Das einstige Top-Talent war zudem zum Wandervogel verkommen und bei seinen früheren Vereinen — höflich ausgedrückt — kein Leistungsträger.

Doch bei den "Lilien" kam die Wende: Wagner wurde der Hauptakteur des "Darmstädter-Märchens" und steuerte zum sensationellen Klassenerhalt 14 Tore und drei Vorlagen bei. Der 28-Jährige war plötzlich in aller Munde und begehrt. Seinen Weg führte er nach der Saison erfolgreich bei Liga-Konkurrent TSG Hoffenheim fort. Darmstadt als "Karriere-Retter".

Möglichweise wird Sam diese Geschichte im Hinterkopf gehabt haben. Seit dem Winter ist er als Leihspieler ebenfalls für Darmstadt im Einsatz — und wird auf einen ähnlichen Effekt hoffen. Anders als Wagner war der 29-Jährige aber schon fast ganz oben: fünf Länderspiele unter Jogi Löw, Stammspieler bei Bayer Leverkusen und dauerhaft in der Königsklasse im Einsatz. Sam hat einiges erreicht — allerdings liegt das Jahre zurück. Zum Verhängnis wurde dem gebürtigen Kieler, der beim Hamburger SV ausgebildet wurde, sein Wechsel Anfang 2014 von Leverkusen nach Schalke — für lediglich 2,5 Millionen Euro festgeschriebene Ablöse. Öffentlich damals ein Transfercoup für die Schalker. "Er ist auf vielen Positionen einsetzbar, sehr ehrgeizig und möchte mit Schalke viel erreichen", hatte Schalkes damaliger Sportvorstand Horst Heldt bei seiner Vorstellung gesagt.

Ein großes Missverständnis. Verletzungen, mäßige Leistungen, ein ständiger Wechsel zwischen Regionalliga-Team und Profi-Mannschaft und schließlich eine Freistellung zusammen mit Kevin-Prince Boateng unter Trainer Roberto di Matteo — Sam ließ während seiner Zeit bei Schalke nichts aus. Auch eine Leihe im Sommer 2015 zu Eintracht Frankfurt scheiterte an erhöhten Nierenwerten. "Ich war verletzt, es läuft nicht, dann wird der Trainer gewechselt. Und ich wurde suspendiert. Das war eine Sache, mit der ich nie gerechnet hätte", sagte Sam gegenüber der "Sport Bild". Unter Neu-Trainer André Breitenreiter wurde er begnadigt und kehrte in der Vorsaison zurück in den Schalker Kader. Nur zwei Ligaspielen entzogen aber jegliche Perspektive für eine weitere Zusammenarbeit.

"Eigentlich habe ich in den vergangenen zwei Jahren nie eine richtige Chance bekommen", betitelt Sam seine Zeit in Gelsenkirchen. Das Kapitel scheint wohl zu Ende. Als gescheitert sieht er sich jedoch nicht. "Es wird immer von den gescheiterten Profis geschrieben, aber ich sehe mich nicht als gescheitert”, so Sam. "Ich habe bewiesen, dass ich ein Top-Spieler war. Und ich kann es wieder sein”. Genau darauf hoffen die Verantwortlichen in Darmstadt.

Sam ist Darmstadts Hoffnungsträger

Mit seinem Namen ragt er aus dem Kader heraus — und ist damit einer der große Hoffnungsträger bei der heiklen Klassenerhalt-Mission der "Lilien". Trainer Torsten Frings lockte ihn, indem er ihm klar machte, dass der Wechsel für ihn ein Riesenschritt sein könnte, um sich wieder nach oben zu spielen. "So hat er mich überzeugt. Wenn der Trainer dich nicht will, bringt das alles nichts. Das habe ich in den letzten Jahren festgestellt", sagt Sam. Er spürt wieder das Vertrauen.

Und zeigte das auch bei seinem ersten Einsatz gegen Köln am vergangenen Wochenende: Der 29-Jährige übernahm die Verantwortung beim Elfmeter und verwandelte kaltschnäuzig per Lupfer ins linke Toreck. Die Partie ging dennoch mit 1:6 verloren. Aufstecken gilt jedoch nicht. "Wir müssen jetzt die Köpfe oben behalten und mit einer guten Einstellung an das nächste Spiel herangehen", gibt er die Richtung vor. Er könnte zur Symbolfigur in der Rückrunde des Tabellenletzten werden.

Ein perfekter Zeitpunkt für den Anfang wäre das Hessen-Derby gegen Eintracht Frankfurt (17.30 Uhr/Live-Ticker). Auch, wenn Darmstadt der Abstieg droht — für Sam kann es ein Aufstieg sein. Er scheint seine Chance erkannt zu haben.

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