Ex-Nationalspieler in Krefeld Ein Jahr nach Hitzlspergers Coming Out

Krefeld · Bei einem Besuch in Krefeld sagte der ehemalige Fußball-Nationalspieler: "Ich habe es nicht bereut."

Das ist Thomas Hitzlsperger
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Foto: dpa, Marijan Murat

Wer Thomas Hitzlsperger an diesem Nachmittag im Krefelder Café "Together" begegnet, der ahnt, warum es so lange gedauert hat, bis sich der erste prominente Fußballer in Deutschland als homosexuell outete. Der 32-Jährige ist eigentlich nach Krefeld gekommen, um mit jungen Lesben und Schwulen zu sprechen, um ihnen Mut zu machen, sich zu ihrer Sexualität zu bekennen. In der Pressekonferenz aber, die er vorher in diesem Jugendcafé gibt, wird er mit Fragen gelöchert, die darauf abzielen, ihn zu einer neuen Ikone der Schwulenbewegung, einem Aktivisten für Homosexuelle machen. Zu Menschenrechten in Katar und AfD-Chef Bernd Lucke soll Hitzlsperger sich plötzlich äußern. Geduldig, freundlich und professionell antwortet er, aber Hitzlsperger weiß auch, zu was er sich nicht melden möchte.

Sein Naturell ist es, bescheiden und höflich aufzutreten. Hitzlsperger, 1982 geboren, wurde auf einem Bauernhof groß, spielte in der Jugend beim FC Bayern, wechselte dann in jungen Jahren nach England. Als "Hitz The Hammer" wurde er bei Aston Villa bekannt, bevor er 2005 zum VfB Stuttgart ging, wo er den größten sportlichen Erfolg seiner Karriere hatte: 2007 wurde er mit dem VfB Deutscher Meister, absolvierte 52 Länderspiele. Wer ihn in seinen Profijahren in Deutschland beobachtete, der meinte einen sensiblen und zurückhaltenden jungen Mann zu treffen, dem die Rolle als Lautsprecher nicht behagt. Und so jemand soll Schwulenikone sein?

"Ich habe es nicht bereut", sagt Thomas Hitzlsperger über sein Coming Out. Ein "tolles Gefühl" sei es gewesen, endlich die Wahrheit sagen zu können, "intensiv" sei die Zeit danach gewesen. Viele Leute , seien auf ihn zugekommen. "Endlich ein Fußballer", hätten sie gesagt. Ex-Fußballer, um genau zu sein: Denn in seiner aktiven Zeit traute sich Hitzlsperger nicht, seine Homosexualität öffentlich zu machen.

Hitzlsperger sagt heute, er habe seine Neigung erst spät entdeckt. In seinen frühen Profijahren habe sich alles um den Sport gedreht. Er lebte lange mit seiner Freundin zusammen, die geplante Hochzeit platzte aber 2007. Erst gegen Ende seiner aktiven Zeit beim VfL Wolfsburg, seiner vorletzten Profi-Station vor dem Karriereende in Everton 2013, dachte er erstmals darüber nach, das Geheimnis öffentlich zu machen. Während einer Verletzungspause reiste er nach San Francisco, in den USA lernte er auch seinen bisher einzigen Partner kennen, der mit ihm auch in Everton zusammenlebte. "Das war meine einzige schwule Sozialisierung", sagte Hitzlsperger unlängst im Interview mit dem Schwulenmagazin "Männer". "Es waren nur ein paar Monate, aber es war schön, mit einem Mann in einer Beziehung zu leben." Auf die Straße gegangen sei er aber nicht mit ihm.

Jetzt ist Hitzlsperger wieder Single und sucht seine Rolle. Mit einer Agentur steuert er sorgsam seine öffentlichen Auftritte, zum Jahrestag seines Coming Outs gab er "Männer" ein großes Interview und forderte darin, dass sich endlich der erste Profifußballer zum Schwulsein bekennen müsse. "Einer muss da jetzt mal durch." Der Satz wirkt irritierend, weiß doch Hitzlsperger selbst, welche Folgen es hatte, als er im Januar 2014 seine Homosexualität öffentlich machte.

Auf Hitzlspergers Bekenntnis folgte damals zwar eine breite gesellschaftliche Debatte. Sie ging aber in Teilen in eine andere Richtung, als es beabsichtigt war. Plötzlich wurde diskutiert, ob er seine geschlechtliche Neigung auf diese Art öffentlich inszenieren musste. Thomas Hitzlsperger hat sich danach nie versteckt, als ZDF-Fußballexperte und Praktikant des Fußballmagazins "Elf Freunde" die Öffentlichkeit gesucht, nicht primär als "Schwuler", sondern als Ex-Fußballer. Er setzt kleine Signale: Hitzls-perger arbeitet mit der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld zusammen. Er will im Sommer die schwul-lesbische Fußball-Europameisterschaft in Hamburg besuchen, ist Botschafter der EuroGames in Stockholm.

Ein Jahr nach dem Coming Out - Thomas Hitzlsperger in Krefeld. Rund 20 junge Menschen sitzen auf einer Sofagarnitur, Hitzlsperger mitten drin. Es gibt selbst gebackenen Kuchen, und es wird munter geplauscht. Er will von den Jugendlichen wissen, wie es ihnen in ihrer Stadt ergeht, welche Erfahrungen sie mit ihrer Homosexualität im Freundeskreis und der Schule gemacht haben. Ein Mädchen fragt ihn, ob er am Abend mit zu einer Party nach Mönchengladbach kommen will. "Ich habe leider meinen Rückflug schon gebucht, das hätte ich eher wissen müssen", sagt Hitzlsperger und lächelt. Er spürt, dass sein Bekenntnis vielen jungen Menschen Mut gemacht hat.

(RP)
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