Julian Nagelsmann im Interview "Habe mich davon verabschiedet, von Perfektion zu träumen"

Der jüngste Cheftrainer in der Geschichte der Bundesliga ist am Freitag 50 Tage im Amt. Dass sich Julian Nagelsmann am Saisonende als Retter von 1899 Hoffenheim feiern lassen kann, wird immer wahrscheinlicher.

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Foto: dpa, crj

Herr Nagelsmann, konnten Sie trotz der Anspannung im Abstiegskampf die Oster-Feiertage genießen?

Julian Nagelsmann (Trainer von 1899 Hoffenheim) Ich habe mich bemüht, ein bisschen Ruhe bei mir reinzubekommen. Auch wenn die Gedanken schon um den nächsten Gegner und die nächste Trainingswoche kreisen. Ich habe ein bisschen Sport gemacht, das ist gut für den Kopf. Ich war im Footbonauten - danach war ich atemlos.

Können Sie überhaupt richtig abschalten?

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Nagelsmann Es ist meine große Zielsetzung, auch abschalten zu können. Darum bemühe ich mich. Dabei steht die Familie natürlich ganz weit oben.

Haben Sie sich für die erfolgreiche Arbeit der vergangenen Wochen vielleicht mit einer Kleinigkeit selbst belohnt?

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Nagelsmann Nein. Das ist aber eine gute Idee. Vielleicht sollte ich mir was kaufen.

Sind die ersten Wochen im Amt denn so verlaufen, wie Sie sich das vorgestellt haben?

Nagelsmann Ich wusste ungefähr, was auf mich zukommt. Es war mir bewusst, dass meine Verpflichtung ein paar Wellen schlagen wird. Ich kann aber gut damit leben. Ich werde schon gelegentlich angesprochen, aber ich führe nach wie vor ein völlig normales Leben. Ich lese nicht allzu viel und versuche, mich auf die Arbeit zu konzentrieren."

Hat die Urkunde für den bestandenen Lehrgang zum Fußball-Lehrer mittlerweile einen Ehrenplatz gefunden?

Nagelsmann Ich habe sie noch nicht aufgehängt. Sie steht immer noch in dem Zimmer, bei dem ich die Tür nicht aufmache, weil zu viel drin steht.

Ist es ein Vorteil, dass Sie aufgrund Ihrer Jugend die Sprache der Spieler sprechen?

Nagelsmann Es kann natürlich ein Vorteil sein. Aber die Spieler ticken alle anders. Einige achten auch nur auf die Inhalte von dem, was man anbietet.

Gibt es Dinge, die Sie aus Ihrer Zeit als Jugendtrainer vermissen?

Nagelsmann Mir fehlt nichts aus dem Jugendbereich. Losgelöst von der medialen Seite ist die Arbeit ähnlich. Natürlich ist der Aspekt der Menschenführung anspruchsvoller. Aber es ist auch schön, mehr Austausch zu haben.

Wie wichtig ist die Menschenführung für einen Bundesliga-Trainer?

Nagelsmann Sie ist genauso wichtig wie die Inhalte. Ich denke, das gilt für alle Bereiche, in denen eine große Gruppe zusammenarbeitet - losgelöst vom Fußball."

Haben Sie schon einen Wunschzettel für die nächste Transferperiode, und wie gehen Sie mit Wechselgerüchten um?

Nagelsmann Kaderplanung ist jeden Tag ein Thema. Das ist ein fortlaufender Prozess. Ich habe aber keinen Wunschzettel. Das ist eine gemeinschaftliche Arbeit im Verein. Es gibt immer Gerüchte über Transfers und Spieler, die den Verein verlassen. Das ist nicht überraschend und beeinflusst unsere Arbeit nicht.

Gibt es für Sie Vorbilder unter den Trainern?

Nagelsmann Ich habe eigentlich keine, man kann sich aber von vielen Trainern eine Scheibe abschneiden. Zum Beispiel bei Ottmar Hitzfeld seinen Umgang mit den ganzen Stars.

Sind sie eigentlich als Trainer ein Perfektionist?

Nagelsmann Ich habe mich davon verabschiedet, von Perfektion zu träumen. Jeder Mensch macht Fehler. Grundsätzlich bin ich aber damit zufrieden, was die Mannschaft in den vergangenen Wochen umgesetzt hat.

Wie groß sehen Sie den Einfluss der Trainer während des Spiels?

Nagelsmann Grundsätzlich ist Bundesliga-Fußball ein 'Players-Game' und kein 'Coaches-Game'. Die Einflussnahme von außen ist begrenzt. Über 90 Minuten passieren so viele Dinge, die nicht planbar sind.

Wie gut können Sie verlieren? Darf man Sie nach Niederlagen ansprechen oder besser nicht?

Nagelsmann Bis jetzt durfte mich auch nach Niederlagen jeder ansprechen - auch wenn die Antwort dann vielleicht ein bisschen pampig war. Es gehört auch dazu, das Verlieren zu lernen.

Glauben Sie, dass Sie der Türöffner für andere junge Trainer sind?

Nagelsmann Das weiß ich nicht. Es kommt immer auf die Konstellation bei den Vereinen an. Es muss eben für beide Seiten passen, das Alter ist eher zweitrangig.

Stichwort: Max Kruse. Wie viel Freiraum lassen Sie den Spielern?

Nagelsmann Ich bin keiner, der die Spieler in ihrer Freizeit kontrolliert. Ich appelliere an den Leistungsgedanken. Deshalb hoffe ich darauf, dass die Spieler auch professionell leben. Bisher bin ich sehr zufrieden damit.

Was antworten Sie der Mannschaft, wenn sie nach dem letzten Spieltag einen trinken gehen möchte?

Nagelsmann Wenn wir dringeblieben sind, sage ich sicher nicht nein, wenn die Mannschaft einen trinken gehen will.

Welche Schlagzeile wünschen Sie sich am Saisonende?

Nagelsmann Die Überschrift, dass die Mannschaft sich in der Bundesliga gehalten hat, reicht mir.

(sid)
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