Analyse Ultras und Klubs - Streit mit Geschichte

Düsseldorf · Münchens Präsident Hoeneß polterte bei einer Versammlung. Düsseldorfs Geschäftsführer Jäger schrieb einen wütenden Brief.

Bundesliga 12/13: Fortuna-Fans schweigen für die Fankultur
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Bundesliga 12/13: Fortuna-Fans schweigen für die Fankultur

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Paul Jäger zählt zu den umgänglichen Zeitgenossen im deutschen Fußball. Ganz selten aber kann er auch bildschön aus der Haut fahren. Die andauernden Proteste der Ultras gegen das Sicherheitskonzept der Deutschen Fußball Liga (DFL), die sich in beredtem Schweigen auf den Rängen ausdrücken, haben den Finanzvorstand des Bundesligisten Fortuna Düsseldorf so nachhaltig in Rage gebracht, dass er dieser Fangruppe einen wütenden Brief widmete. Tendenz: Es darf immer nur um den Verein gehen. Wer ihm die Unterstützung entzieht, der möge daheim bleiben.

Jägers Auftritt erinnert an eine Brandrede, die Bayern Münchens Präsident Uli Hoeneß vor fünf Jahren bei der Mitgliederversammlung hielt. Damals war er noch Manager, und er ereiferte sich darüber, dass die Ultragruppe "Schickeria" die ausgiebige Vermarktung von Logen beklagte. Durch diese Einnahmen erst könne der Klub den Stehplatz-Fans günstige Kartenpreise einräumen, sagte Hoeneß. "Was glaubt ihr eigentlich, was wir das ganze Jahr über machen, damit wir euch für sieben Euro in die Südkurve gehen lassen können?", fragte er, "was glaubt ihr, wer euch finanziert? Die Leute in den Logen, denen wir die Gelder aus der Tasche ziehen."

Stimmung als Gegenleistung

Hoeneß betrachtet die organisierten Fans als Teil eines Geschäfts. Als Gegenleistung für Vergünstigungen, die der Klub gewährt, erwartet er Stimmung.

Die Ultras sehen sich nicht als Teil des Geschäfts. Sie halten sich einerseits für unentbehrlich, weil sie den Fußball im Stadion bunt und laut machen. Sie stellen sich andererseits in einer romantisch-naiven Selbstverklärung gegen die zunehmende Professionalisierung. Sie halten sich für eine Protestbewegung. Daraus beziehen sie ein hohes Selbstwertgefühl.

Es hat dazu geführt, dass sie es als nicht hinnehmbare Kränkung empfanden, von den Klubs als Kundschaft behandelt zu werden. Sie sehen sich als die Wahrer der großen romantischen Werte des Fußballs. Dass zu diesen Werten ein offenkundiger Hang zum Abbrennen von Feuerwerkskörpern gehört, ist das Kernproblem der Entfremdung zwischen Ultras, Klubs und der überwiegenden Mehrheit der anderen Fans in den Arenen.

"Ultras raus!"

Zunächst fanden die Ultras mit ihren Protesten bei anderen organisierten Fans Zuspruch, weil sich viele in ihren Bedürfnissen bei der Deutschen Fußball Liga, der Vertretung aller Klubs, nicht ernst genommen fühlten. Nun aber ist die große Mehrheit hörbar auf Distanz gegangen. In Dortmund gab es laute Pfiffe, als Ultras Sprechchöre gegen die DFL anstimmten. In Gelsenkirchen riefen "normale Fans": "Ultras raus!"

Den Widerspruch der großen Mehrheit haben sich die Ultras durch ihre Beharrlichkeit, weniger nett ausgedrückt: durch ihren Starrsinn verdient.

Die Wut von Hoeneß und Jäger hat eine längere Geschichte. Beide haben in ihren Ämtern — Hoeneß als Erfinder des überragenden deutschen Klubs, Jäger als maßgebliche Größe bei der Wiedererweckung der Fortuna — bewiesen, dass sie zu ihren Vereinen mindestens ebenso hingebungsvoll stehen wie die Fans. Beide haben viel Arbeit darauf verwendet, das romantische Fußballgut auch den kleinen Leuten zu erhalten. Und sie haben sich weder der Diskussion noch dem Dialog verweigert.

Sie sehen sich persönlich angegriffen. Das erklärt das hohe Maß an Emotion. Und das wiederum spricht dafür, wie ernst sie die Ultras nehmen. Für diese Fans also noch ein Grund weniger zur Klage.

(RP/can/csi)
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