Borussia Mönchengladbach "Ich bin Sympathisant von Borussia"

Mönchengladbach · Gleich am ersten Spieltag spielt die Borussia gegen Angstgegner 1899 Hoffenheim. Mike Diehl (48) ist Fanbeauftragter und Stadionsprecher der TSG. Wir sprachen mit ihm über Borussias schlechte Bilanz und seinen Lieblingsverein neben Hoffenheim.

 Mike Diehl, Fanbeauftragter und Stadionsprecher der TSG Hoffenheim, hat in den 70ern Allan Simonsen die Hand geschüttelt und war deshalb Borussen-Fan.

Mike Diehl, Fanbeauftragter und Stadionsprecher der TSG Hoffenheim, hat in den 70ern Allan Simonsen die Hand geschüttelt und war deshalb Borussen-Fan.

Foto: uwe grün

Muss ein Fanbetreuer selbst Fan sein?

Mike Diehl Wenn ich das Herz nicht an den Verein verloren hätte, könnte ich mich ja gar nicht mit ihm identifizieren. Also klar, ich bin Fan von Hoffenheim. Ich wohne in der Gegend, und in England heißt es ja so schön "Support your local team".

Wann ging das los?

Diehl Das ist schon über zehn Jahre her. Damals spielte Hoffenheim unter Trainer Hansi Flick in der Oberliga richtig erfrischenden Offensivfußball. Aber Schuld war Dietmar Hopp.

Wie kam das?

Diehl Damals habe ich im Odenwald in Hessen gewohnt und war Moderator bei Radio Regenbogen im Mannheim. Dort habe ich Herrn Hopp schon Ende der 90er kennengelernt. Irgendwann hat er mich zu einem Spiel eingeladen. Und dann habe ich in diesem Dorf dieses tolle Stadion. Ich konnte einfach mit dem Auto bis direkt vors Stadion fahren, Bratwurst holen, Fußball gucken und wieder heimfahren. So habe ich mein Herz an Hoffenheim verloren.

Das klingt familiär.

Diehl Mehr als 30 Fans waren das anfangs nie. Wenn überhaupt. Da stand der Beckers-Heinz mit der Trommel hinterm Tor und das war's. Sie dürfen nicht vergessen: Hoffenheim ist ein Ort von 3000 Einwohnern. Als wir dann 2006 die Vorwärtsstrategie gewählt haben, brauchte es nicht nur ein Konzept, um den Nachwuchs zu fördern, sondern eben auch die Entwicklung einer Fangemeinde. Dabei sollte ich dann helfen.

Wie haben Sie da angefangen? Schließlich kannte den Verein ja niemand.

Diehl Auf einer Landkarte habe ich einen Kreis von 20 Kilometern um Hoffenheim gezogen und bin von Bürgerhaus zu Bürgerhaus gezogen, um das Konzept des Vereins zu erklären. Am Anfang saß ich da vor 30 Leuten, am Ende waren es dann in einer Gemeindehalle im Kraichgau fast 2000.

Nur durch Erklärungen ist noch keiner zum Fan geworden.

Diehl Es hat natürlich sehr geholfen, dass die Mannschaft sehr schnell von der Regionalliga in die erste Liga aufgestiegen ist und einen sensationellen Fußball gespielt hat. Die Medien wurden aufmerksam. Und dann wurde das Team Herbstmeister der Bundesliga. Da kamen die Fans plötzlich aus allen Ecken. Nun haben wir einen Stehplatzbereich von 5000 Plätzen, das ist wie eine blaue Wand. Früher waren das ein paar Hundert. Warten Sie noch mal zehn Jahre ab. Wir haben jetzt schon wieder fast 17000 Dauerkarten verkauft, obwohl wir eine mäßige Saison gespielt und nur viermal zu Hause gewonnen haben.

Für welchen Verein hat Ihr Herz vorher geschlagen?

Diehl Ich war Fan und bin immer noch Sympathisant von Borussia Mönchengladbach. Das lässt sich ja nicht einfach abstellen.

Oha.

Diehl Das kam, weil ich in den 70ern Allan Simonsen die Hand schütteln durfte. Das vergesse ich nie. Das war am Tag nach dem Hinspiel des Uefa-Pokal-Finals gegen Twente Enschede. Mein Papa und ich hatten uns das angesehen und danach in Düsseldorf übernachtet. Plötzlich stand da Allan Simonsen im Hotel, und ich bin zu ihm hin. Ich war zwölf, und trotzdem war er kaum größer als ich. Zu den großen Spielen war ich danach noch oft am Bökelberg.

Also haben Sie zwei Lieblingsvereine.

Diehl Borussia interessiert mich noch immer, aber weil ich hier im Kraichgau lebe, mit den Fans arbeite und sich beinahe jeder Tag bei mir um die TSG dreht, bin ich automatisch Fan geworden. Ich bin allerdings nur zweimal in der Saison gegen Gladbach.

Sprechen wir es doch lieber gleich an: Warum sieht Gladbach immer so schlecht gegen Hoffenheim aus?

Diehl Das sind meine mentalen Fähigkeiten. Ich habe dafür gesorgt, dass Gladbach immer nur dann gegen Hoffenheim gewinnt, wenn es wirklich wichtig ist. Aber in der vergangenen Saison stand Hoffenheim kurz vor dem Abstiegskampf. Da musste ein Sieg in Gladbach her.

Hoffenheim-Fans müssen viel Spott hinnehmen.

Diehl Das sind eben die Ultras. Ich finde es nicht schlimm, wenn man Spottlieder singt, aber doch bitte nicht unterhalb der Gürtellinie. Das tut weh. Es lässt aber langsam nach. Viele haben auch gesehen, dass wir nicht die seelenlose Übermannschaft sind und dass wir ein schlüssiges, professionelles und funktionierendes Konzept haben. Wir wollen und werden uns den Platz eines etablierten Bundesligavereins in den Köpfen der Menschen erarbeiten.

Aber ertragen die Fans die Häme?

Diehl Ach, da müssen die Anhänger anderer Vereine ja auch drüberstehen. Unsere Fans sind sehr selbstironisch. Unser Leitspruch ist "Hurra, hurra, das ganze Dorf ist da". Das singen wir immer bei Auswärtsspielen. Und spätestens, wenn Red Bull Leipzig in der 1. Liga spielt, sind wir aus der Schusslinie.

Wie viele Fans fahren denn mit zu Auswärtsspielen?

Diehl Rund 400 kommen wirklich zu jedem Spiel mit. Aber gegen München können es auch mal 6000 sein. Doch im Gegensatz zu großen Vereinen wie zum Beispiel Gladbach kommen unsere Fans auch tatsächlich fast nur aus der Region. Dafür ist es gemütlich. Für Bus eins backen Traudl und Walter Mittag jedes Mal Kuchen.

Dabei wird dem Verein ja immer vorgeworfen, es fehle ihm die Seele.

Diehl Wir haben auf alle Fälle Seele. Da brauchen wir uns von außen auch nichts anderes einreden zu lassen. Man darf nicht vergessen: Hoffenheim hat nur 3000 Einwohner. Und gerade trennt sich die Spreu vom Weizen, weil wir ja in der vergangenen Saison nicht vorne mitgespielt haben.

Können die Fans des Vereins denn noch etwas lernen?

Diehl Bei Heimspielen müssen sie sich noch besser koordinieren. Es singen noch nicht alle mit im Block. Aber es wird von Saison zu Saison im Heimblock lauter. Auch dort entwickelt sich etwas.

In der vergangenen Saison war Hoffenheim so ein wenig die graue Maus.

Diehl Hoffentlich wird aus der grauen Maus diesmal eine buntere. Wir gucken Richtung Europa League.

Holger Stanislawski hat das in der vergangenen Saison nicht geschafft.

Diehl Am Anfang lief es ja wunderbar, aber dann ging es leider in Richtung Abstiegskampf. Der ist ein sensationeller Mensch, aber so ist das in dem Job. Dafür kriegst du auch eine Menge Schmerzensgeld.

Mit wie vielen Hoffenheim-Fans dürfen wir beim Spiel morgen rechnen?

Diehl In Gladbach hätten wir 5000 Karten frei, das ist für uns aber viel zu viel. Beim letzten Spiel im März waren es 1200, und die haben eine Menge Lärm gemacht. Aber mal abwarten, es sind ja Ferien. Und ohne Witz: Wir haben viele Landwirte. Da kannst du nicht immer samstags zum Auswärtsspiel fahren. Manchmal sagt der Vater auch: Du spinnst! Geh auf den Acker und schaff!

Sebastian Dalkowski führte das Gespräch.

(RP/rl/seeg)
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