MSV Duisburg Sven Beuckert: Daumen rauf

Am Neujahrstag hat sich Sven Beuckert mal wieder seine Torwarthandschuhe übergestreift. "Die passten wie angegossen, das war ein gutes Gefühl”, erzählt der Fußballer. Vor einem halben Jahr wurde Beuckert bei einem Reitunfall der rechte Daumen abgerissen.

 Daumen rauf: Sven Beuckert hofft auf sein Comeback.

Daumen rauf: Sven Beuckert hofft auf sein Comeback.

Foto: Roland Leroi

Für den früheren Bundesligakeeper des MSV Duisburg ist das alles andere als alltäglich. Nach einer komplizierten Operation und mehreren Monaten der Ungewissheit, peilt der 37-Jährige jetzt aber seine Rückkehr ins Profigeschäft an. Noch fehlt ihm zwar das Gefühl im mittlerweile wieder angenähten Daumen, doch die Diagnosen der Ärzte seien positiv.

"Ich will zeigen, dass man auch nach so einer Sache wieder auf höchstem Niveau Bälle halten kann”, sagt Beuckert.
Medizinisch gesehen ist es kein Drama, einen Finger zu verlieren. Allenfalls Pianisten, so heißt es in Unfallkliniken, hätten Probleme, beispielsweise den Verlust eines Ringfingers zu kompensieren.

Beim Daumen verhält sich das anders. Und gerade ein Torwart benötigt beide kompletten Hände zum Zupacken. Beuckert weiß das. Auf den Keeper, der sechs Bundesliga- und 56 Zweitligaspiele für den MSV Duisburg und Union Berlin bestritten hat, war stets Verlass, bis er am 22. Juni 2009 einen Totalschaden erlitten hat. Ein abgerissener Daumen ist in seiner Berufssparte gravierender als ein Kreuzbandriss.

Dabei hat es weder wehgetan noch großartig geblutet. Seit Jahren hält sich die Familie Beuckert mehrere Pferde auf einem Gestüt im niederrheinischen Hünxe. Als er Luisa, die Stute eines Freundes zur Koppel führen wollte, riss sich das Pferd plötzlich los. Instinktiv fasste Beuckert den Haltestrick, doch seine Hand verhedderte sich in einer Schlaufe, die den rechten Daumen mit einem Ruck abtrennte.

"Durch den Schock hatte ich keine Schmerzen und habe mir die Bescherung erstmal in Ruhe angesehen”, erinnert sich Beuckert. Alles war zerstört: Sehnen, Muskeln und Gelenk. Lediglich ein zwei Millimeter dünner Fetzen mit einer Arterie, der den abgetrennten Daumen mit Blut versorgte, war noch heil.

"So ein Mist”, war sein erster Gedanke, als er den baumelnden Daumen inspizierte. Direkt hatte Beuckert realisiert, dass aussichtsreiche Verhandlungen mit dem ambitionierten Fünftligisten RB Leipzig, der mit der Unterstützung des Sponsoren Red Bull den Durchmarsch in den Profifußball anstrebt, hinfällig geworden waren. Dass der acht Tage später auslaufende Vertrag beim MSV nicht verlängert wird, hatten ihm die Duisburger bereits mitgeteilt.

"Hast du ne Meise?”, sagte Beuckerts Frau Arlett, als er ihr direkt von dem Unfall erzählte. Wenige Sekunden später alarmierte sie aber einen Notarzt, der den Torwart ins St. Barbara-Krankenhaus in Duisburg-Neumühl brachte. "Da gab es echte Experten”, erzählt er. Aus dem Unterarm operierten die Chirurgen einen Nerv, der in den Daumen transplantiert wurde, doch die Folgen waren zunächst nicht absehbar.

"Junge, bleib dran”, redete Beuckert immer wieder auf seinen Kumpel, den Daumen, ein. Erst zwei Monate später hatte er Gewissheit, dass eine Amputation vermeidbar sei. Jetzt müsse nur noch der transplantierte Nerv so weit wachsen, bis Beuckert wieder ein Gefühl in allen Teilen seiner rechten Hand habe: "Die Ärzte sagen, dass es nicht mehr lange dauert.”

Ohnehin habe er gleich nach vorne gesehen und sich nie die nahe liegende Frage "Warum gerade ich?” gestellt. "Einen Daumen zu verlieren, ist ein Schicksalsschlag, aber eine Krebsdiagnose wäre doch viel schlimmer”, sagt Beuckert. Demnächst wolle er auch wieder reiten, momentan passe dieser Sport allerdings nicht in seinen Reha-Plan.

Jeden Tag arbeitet Beuckert auf sein Comeback hin und spricht über das Glück, dass seine Frau ausgebildete Physiotherapeutin ist und sich der Behandlung angenommen habe. "Wenn es kribbelt, ist es gut. Manchmal wird der Daumen bei Belastung aber noch dick.”

Um nicht untätig zu sein, hat er beim Frauenfußball-Bundesligisten FCR Duisburg die Marketingleitung übernommen. "Ehrenamtlich”, wie er sagt, aber durchaus auch aus Eigennutz: "Wenn es als Torwart nicht mehr klappt, habe ich schon Erfahrungen in einer Branche, die mich interessiert.” So weit ist es aber noch lange nicht. Im März will Beuckert wieder fit sein und spätestens zur nächsten Saison in einem Tor stehen. "Das Ziel, wieder in ein Stadion einzulaufen, spornt mich an. Vier Jahre kann ich noch in höheren Ligen spielen”, sagt er. Erste Anfragen liegen bereits vor.

(rl)
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