Kaum noch sportliche Schlagzeilen Kevin Großkreutz — Weltmeister auf Instagram

Düsseldorf · Kevin Großkreutz – Social-Media-Superstar: Der Stuttgarter grätscht und ackert sich regelmäßig in die Nachrichten – zurzeit allerdings nur verbal via Instagram und Twitter. Seit gut einem Jahr schreibt er unfreiwillig meist neben dem Platz die Schlagzeilen.

Kevin Großkreutz – Dortmunder, Weltmeister, Skandalnudel
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Das ist Kevin Großkreutz

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Kevin Großkreutz — Social-Media-Superstar: Der Stuttgarter grätscht und ackert sich regelmäßig in die Nachrichten — zurzeit allerdings nur verbal via Instagram und Twitter. Seit gut einem Jahr schreibt er unfreiwillig meist neben dem Platz die Schlagzeilen.

Erst wurde Großkreutz im vergangenen Sommer bei Borussia Dortmund ausgemustert, dann durfte er aufgrund einer Transfer-Panne nicht spielen, nach erfolgreichem Neubeginn in Stuttgart plagten ihn schließlich Verletzungssorgen. Am Ende stand sogar der Abstieg in die 2. Bundesliga mit dem Meister von 2007. Alles in allem eine Spielzeit zum Vergessen für Großkreutz.

Trotz allem vermittelt der gebürtige Dortmunder stets Freude an seinem Beruf und seinen eigenen Humor in sozialen Netzwerken: #spaßGehörtDazu schreibt er dann zum Beispiel unter seine Einträge. Zuweilen wirkt es so, als betreibe Großkreutz unter seinem Alias "Fischkreutz" auf Instagram und Twitter eine Art Comedy-Kanal. Beliebtes Ziel der Feixereien des 28-Jährigen sind abwanderungswillige Mitspieler oder Vereine, auf die er eher nicht gut zu sprechen ist, namentlich Leipzig, Hoffenheim, Schalke oder Bayern.

Jüngst verkündete er seinen eigenen Wechsel zum "Traditionsverein" RB Leipzig. Dabei ist allen klar, dass er nicht all zu viel von Vereinen wie Leipzig und Hoffenheim hält. Und mit seinen Sticheleien trifft er offenbar einen Nerv bei vielen Fußballfans.

Zuvor zog er schon Ex-Mitspieler Timo Werner (Wechsel nach Leipzig), Lukas Rupp (Hoffenheim) und auch Bundestrainer Joachim Löw auf — zeigte dabei aber auch Selbstironie. Er sei eigentlich für die EM nachnominiert worden, habe aber abgesagt. "Sie müssen auch mal ohne mich Titel holen", schrieb er scherzhaft, als der Bundestrainer schon Monate zuvor verkündet hatte, nicht mehr auf die Dienste von Großkreutz zu setzen. In letzter Zeit gab es von seiner Seite auch Kritk am Fußballgeschäft ("Dankbarkeit gibt es nur von den Fans") und an den Medien. Als ein Trainings-Streit in den Medien thematisiert wurde, schrieb er am folgenden Tag auf Instagram "Ja sowas, der Fisch tritt gegen den Ball. Bitte keine Story daraus machen."

Großkreutz weiß auf der Klaviatur der Social-Media-Kanäle zu spielen. Er bedient die Nachfrage nach Emotionen seitens der Fans und polarisiert dabei immer wieder. Bei vielen kommt sein Humor gut an, anderen geht das zu weit: Manche Anhänger fordern mehr kommunikative Zurückhaltung und dafür mehr Konzentration auf ein Comeback im VfB-Dress. Andere unken, bisweile wirke es so, als habe er zu viel überschüssige Energie, die er in den sozialen Netzwerken ablasse.

Meister, Double-Gewinner, Weltmeister

Es ist noch gar nicht so lange her, da garnierte er seine Ausflüge in die Social-Media-Welt mit entsprechend frechen und erfolgreichen Auftritten auf dem Platz. Von 2011 an beackerte er damals noch das Mittelfeld für seinen Herzensverein Borussia Dortmund. Er füllte die trockene Fußball-Vokabel "Polyvalenz" mit Leben. 2011 wurde er mit dem BVB sensationell deutscher Meister (sieben Tore, acht Assists), im Jahr darauf gelang sogar das Double (sieben Tore, sieben Assists) und Großkreutz, der Dortmunder Jung, feierte bierselig auf dem Borsigplatz. 2013 stand er im Champions-League-Finale, ein Jahr später bekam er in Rio den Zusatz "Weltmeister" — wenn auch ohne Einsatz. Nach der WM begann in Dortmund die Ära Thomas Tuchel und damit endete gleichzeitig die von Großkreutz. Für den Dortmunder gab es unter dem neuen BVB-Trainer keine Zukunft im Klub, er stand nun auf dem Abstellgleis und spielte in der zweiten Mannschaft in der Regionalliga.

Vor ziemlich genau einem Jahr war eine Lösung in Sicht, doch dann wurde das schließende Transferfenster zum Verhängnis für Großkreutz. Der Wechsel zu Galatasaray Istanbul entwickelte sich zur Posse. Entsprechende Unterlagen wurden vom türkischen Klub unvollständig und ohne Unterschrift abgeschickt — die Frist verstrich. In der Folge gab es keine Spielberechtigung für Großkreutz, der sich dennoch dem Klub anschloss. Ein Comeback im Stile von Mario Gomez (Torschützenkönig bei Besiktas) rückte damit in weite Ferne. Großkreutz durfte nur mittrainieren und an Freundschaftsspielen teilnehmen, ab Januar hätte er offiziell auflaufen dürfen. Dazu kam er allerdings nicht.

Neuanfang beim VfB

Das Heimweh zog in zurück nach Deutschland. Schon vorher war Großkreutz immer wieder nach Hause geflogen, was bei vielen, unter anderem Löw, auf Kritik stieß. Der damalige VfB-Sportdirektor Robin Dutt lotste den Rückkehrer nach Stuttgart. Dort sollte er im Abstiegskampf als routinierte Stütze helfen. Nach der Winterpause durfte er sofort von Beginn an ran, verdrängte den österreichischen Nationalspieler Florian Klein auf der rechten Abwehrseite. Für seine Auftritte wurde der Begriff "solide" erfunden — Stuttgart cruiste zunächst zu vier Siegen in Folge. Im Spiel gegen Ingolstadt zog er sich dann einen Muskelbündelriss im rechten Oberschenkel zu. Nach seinem Ausfall gelang dem VfB kein einziger Sieg mehr, die Schwaben taumelten dem zweiten Absteig der Vereinsgeschichte entgegen. Zwar wurde Großkreutz im Spiel gegen Mainz nochmal in die Startelf geschmissen, doch den Abstieg konnte auch er nicht mehr verhindern.

Für Großkreutz und seinen neuen Arbeitgeber ist der Wiederaufstieg das große Ziel in der laufenden Saison. Der VfB ist die diese Mission mit zwei Siegen aus drei Spielen angegangen. Für Großkreutz kam ein Einsatz bislang noch zu früh, die Spätfolgen der Oberschenkel-Verletzung machen ihm noch zu Schaffen. Seit Mitte Juli ist er wieder im Mannschaftstraining Zwischendurch zwickte der Muskel erneut. Großkreutz fiebert dem Comeback entgegen, genau wie die Fans.

"Furchtlos und troy"

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet der Ur-Dortmunder, der die Skyline der Ruhrgebietsstadt auf der Wade tätowiert hat, mit offenen Armen der VfB-Fans aufgenommen wird. Das liegt zum einen wohl daran, dass Großkreutz authentisch als Emotionsfußballer mit Kämpfermentalität auftritt.

Vielelicht liegt es auch daran, dass er vor allen anderen Spielern seine Verbleib beim abstiegsbedrohten VfB verkündete und ganz im Sinne des VfB-Stadionliedes "furchtlos und troy" handelte. Als VfB-Fans nach der desolaten Heimpleite gegen Mainz im Mai, die den Abstieg fast schon besiegelte, auf den Platz stürmten, war es Großkreutz, der als Erster auf die Fans zuging. Im TV-Interview danach kullerten Tränen — Szenen, die in Erinnerung bleiben.

In Erinnerung bleibt auch die Großkreutz-Grußformel und sein Lieblingswort #isso, das er stets unter seine Posts schreibt. Nach wenigen Tagen im Schwabenland passte er seinen Social-Media-Signatur dem schwäbischen Zungenschlag an. Seitdem steht stets auch das schwäbelnde #ischso unter seinen Einträgen. Darauf, dass Großkreutz auch sportlich in seiner neuen Heimat ankommt, hoffen die Fans nun in den kommenden Monaten.

(ems)
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