Stuttgart zurück in der Bundesliga Die Gründe für das schnelle VfB-Comeback

Düsseldorf · Jubel im Schwabenland. Der VfB Stuttgart hat sich nach einem Jahr in der 2. Bundesliga neu erfunden und den direkten Wiederaufstieg perfekt gemacht. Maßgeblich beteiligt am Erfolg war dabei ein ungewöhnliches Duo.

VfB Stuttgart: Bierdusche für Trainer Hannes Wolf bei Pressekonferenz
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Bierdusche für Trainer Hannes Wolf

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Foto: dpa, dm fdt

Der Bundesliga-Tanker VfB Stuttgart ist nach einem stürmischen Jahr in der 2. Bundesliga vorerst wieder auf Kurs. Am letzten Spieltag machte der VfB den Aufstieg durch einen 4:1-Sieg gegen Würzburg endgültig perfekt. Ein Jahr nach dem schmachvollen zweiten Bundesliga-Abstieg hat sich der Meister von 1984, 1992 und 2007 zurückgemeldet und spielt ab der kommenden Saison wieder auf der größten deutschen Fußball-Bühne. Dabei hatte es anfangs nicht unbedingt nach einem erfolgreichen Comeback ausgesehen.

Über Bad Cannstatt liegt seit Sonntagabend eine Glückseligkeit, an die im Herbst noch nicht zu denken war. Nach einer bitteren Heimniederlage gegen Heidenheim Anfang September und Dauerzoff mit Sportvorstand Jan Schindelmeiser warf Trainer Jos Luhukay nach gerade einmal vier Liga-Spielen das Handtuch. Die Anfangseuphorie wich schnell der Angst vor dem Absturz in die Bedeutungslosigkeit, bei den Schwaben herrschte Chaos.

Schindelmeiser zaubert Wolf aus dem Hut

Schindelmeiser, der nach dem Abstieg das Zepter als Sportvorstand übernommen hatte, gilt als kreativer Mann. In seiner Zeit in Hoffenheim lotste er unter anderem Chinedu Obasi oder Carlos Eduardo in den Kraichgau. Als neuen Mann an der Seitenlinie beim VfB präsentierte er nun keinen großen Namen wie André Breitenreiter oder dergleichen, sondern wagte das Experiment mit dem damals 35-jährigen Trainer-Talent Hannes Wolf. Der hatte zwar mit Jugendteams von Borussia Dortmund mehrere deutsche Meisterschaften gefeiert und sich so in der Szene erste Meriten verdient, doch in Stuttgart und Umgebung fragten sich nicht wenige: Hannes wer?

Das Projekt Wiederaufstieg legte Schindelmeiser in die Hände des Jung-Trainers, der noch keine Profimannschaft im Seniorenbereich trainiert hatte — ein hohes Risiko. Doch das Duo Wolf und Schindelmeiser schlug ein und ergänzte sich perfekt. Schindelmeiser hielt sich zumeist im Hintergrund, fädelte Transfers ohne Getöse ein, Wolf heimste als "Mr. Nice Guy" Sympathien ein, wenn er in Pressekonferenzen strahlte und von "dem großen Ziel, das wir alle haben" sprach. Dass er nicht nur eloquent, sondern auch kompetent ist, zeigte er Woche für Woche als Taktiker an der Seitenlinie.

Joker stechen regelmäßig

Wolf ließ zunächst viel rotieren um die auserkorene Stammachse Keeper Mitchell Langerak, Abwehrchef Timo Baumgartl, Kapitän Christian Gentner und Sturmtank Simon Terodde (der übrigens noch von Luhukay zum VfB geholt wurde). Auf etablierte Namen nahm Wolf keine Rücksicht, setzte auch frühere Stammkräfte wie Florian Klein oder den technisch versierten Alexandru Maxim auf die Bank oder Tribüne. Dass er die ausgemusterten Stars dennoch bei Laune hielt, zeigte sich zum Ende der Spielzeit, in der Wolf ein gutes Händchen bewies.

Denn wichtige Faktoren für den Aufstieg waren die Stuttgarter Joker und die Breite des Kaders. Der lange Zeit ausgemusterte Maxim war einer der entscheidenden VfB-Spieler in der Schlussphase der Saison. Klein, größtenteils von Wolf verschmäht, erzielte den wichtigen Siegtreffer beim 3:2-Erfolg in Nürnberg am 31. Spieltag, der die Tür zum Aufstieg weit aufriss. Viele wichtige Punkte erkämpfte sich der VfB in den Schlussminuten der Partie, drehte Spiele in der Nachspielzeit (Bielefeld, Nürnberg) oder erzielte Ausgleichstreffer nach der 90. Minute (gegen 1860 München, Dresden). Dies lässt sich als "Bayern-Dusel light" interpretieren, genauso gut aber als Indikator für den hohen Fitnesszustand, Einsatzwillen und die Qualität des Kaders. Von der Bank kamen regelmäßig Joker wie Daniel Ginczek, der wohl bei vielen Bundesligisten Startelf-Chance hätte.

Wolf lernte aus taktischen Fehlern, nach dem missglückten Versuch einer Dreierkette beim 0:1 in Fürth stellte er konsequent auf ein 4-2-3-1-System um — mit Erfolg. Selten setzte er auf die exakt gleiche Startaufstellung, warf immer wieder neue Spieler in die Formation, hielt den Konkurrenzkampf dadurch am Leben.

Brekalo fügt sich mit Traumtor ein

Dass der Kader diese Breite erreichte, kann sich insbesondere Schindelmeiser auf die Fahne schreiben. Die im Sommer als Last-Minute-Transfers geholten Carlos Mané, Benjamin Pavard und Takuma Asano entwickelten sich zu Leistungsträgern. Von Luhukay noch verschmäht, setzte Wolf die neuen Spieler geschickt ein. Mané avancierte in nur 19 Spielen mit sechs Treffern und neun Vorlagen zum zweitbesten VfB-Scorer, bis ihn eine schwere Knieverletzung stoppte.

Kurz vor Ende der Winter-Transferfrist schlug Schindelmeiser erneut zu und angelte sich Julian Green, Ebenezer Ofori und Josip Brekalo. Der 18-jährige Brekalo, der vom VfL Wolfsburg an den Neckar wechselte, erzielte prompt im zweiten Spiel den entscheidenden Treffer gegen Heidenheim per Traumtor.

Beispiele wie diese zeigen, dass am Ende viele Spieler einen großen Anteil am Aufstieg hatten. Immer wieder stachen andere Akteure hervor. Die Summe der einzelnen Leistungsschübe ergab am Ende das erfolgreiche Aufstiegs-Puzzle.

Rummel um Großkreutz

Andere Personalien bereiteten den Verantworlichen aber auch Kopfzerbrechen. Einer der Tiefpunkte der VfB-Saison war die unrühmliche Affäre um Weltmeister Kevin Großkreutz, der nach einer durchzechten Party-Nacht mit VfB-Jugendspielern in eine Schlägerei geriet und anschließend seinen Vertrag mit dem Klub in gegenseitigem Einvernehmen auflöste. Ob Zufall oder nicht, anschließend folgten fünf sieglose Spiele in Serie. Unruhe machte sich bei den Fans breit. Der Begriff "Großkreutz-Fluch" geisterte am Neckar herum.

Wendepunkt war der Derbysieg gegen den KSC, mit dem der VfB eine erneute Siegesserie einläutete. Den fünf sieglosen Spielen folgten fünf Siege in Serie. Am Ende war die Offensive so fleißig wie ein Klischee-Schwabe und zu stark für die 2. Bundesliga. Mit 63 Toren brannte der VfB ein Offensivfeuerwerk ab, allen voran Torschützenkönig Simon Terodde traf im Stakkato und entpuppte sich als offensive Lebensversicherung der Stuttgarter. Teilweise hatte der Stürmer mehr Probleme mit den Jubeln als dem Toreschießen.

Starker Fan-Rückhalt

Getragen wurde der VfB auch von einer Euphoriewelle, die durch das Schwabenland schwappte. Der Rückhalt in der Region war enorm. Mit über 50.000 Zuschauern pro Partie haben die Schwaben einen neuen Zuschauerrekord für die 2. Bundesliga aufgestellt, den zuvor der 1. FC Köln innehatte.

Der VfB hat die Herausforderung nach den Startschwierigkeiten gemeistert und die Gefahr einer langjährigen Talfahrt vorerst gebannt. Wie schnell es auch anders laufen kann, zeigen die Beispiele 1860 München, Karlsruher SC oder 1. FC Kaiserslautern. Nun will der Aufsteiger wieder in der obersten Etage im Profifußball angreifen. Dass sich ein Klub nach einem Aufstieg mit guter Arbeit etablieren kann, zeigt aktuell der 1. FC Köln. Gut möglich, dass das Duo Schindelmeiser/Wolf ähnlich erfolgreich agieren kann wie das Kölner Pendant Jörg Schmadtke/Peter Stöger. Der Vertrag von Schindelmeiser läuft bis 2019, das Arbeitspapier von Wolf bis 2018. Zuletzt machten Gerüchte um ein angebliches BVB-Interesse an dem Coach die Runde. Doch Wolf wiegelte umgehend ab. "Ich gehe davon aus, dass ich nächstes Jahr hier bin. Das ist kein Thema, ich bin hier glücklich und total zufrieden. Ich kann mir vorstellen, ganz lange hier zu bleiben", sagte er.

Für das Erfolgsduo des VfB hat die Arbeit erst begonnen.

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