Julian Draxler Nächste Ausfahrt Paris

Wolfsburg/Düsseldorf · Für eine Ablöse von über 40 Millionen Euro wechselt der frühere Schalker Julian Draxler von Wolfsburg zu Paris St. Germain. Draxler muss nun zeigen, ob er konstant auf höchstem Niveau spielen kann. In Wolfsburg blieb er den Nachweis solcher Fähigkeiten schuldig.

 Schalke-Fan Lucas steht 2013 vor einem Plakat mit Julian Draxler und der Aufschrift "Mit Stolz und Leidenschaft bis 2018". Seit dieser Aktion hat Draxler nun schon bei zwei anderen Vereinen unterschrieben.

Schalke-Fan Lucas steht 2013 vor einem Plakat mit Julian Draxler und der Aufschrift "Mit Stolz und Leidenschaft bis 2018". Seit dieser Aktion hat Draxler nun schon bei zwei anderen Vereinen unterschrieben.

Foto: dpa, bt jai

Julian Draxler ist 23 Jahre alt, und er hätte eigentlich eine gesicherte berufliche Zukunft vor sich, was längst nicht jeder in seinem Alter sagen darf. Wenn es nach Verträgen ginge im Profifußball, dann dürfte der Nationalspieler noch bis 2018 bei Schalke 04 spielen. Vor gut drei Jahren, die Älteren werden sich erinnern, wurde dort sein Vertrag mit außerordentlichem Getöse verlängert. Der Klub ließ acht Lastwagen durchs Revier rollen, darauf überlebensgroße Bilder des Spielers, und auf den Plakaten war zu lesen: "Mit Stolz und Leidenschaft bis 2018."

Daraus ist nichts geworden. Denn es kam etwas dazwischen - viel Geld vor allem. Draxlers Leidenschaft für Schalke erkaltete, als der VW-Klub Wolfsburg mit den großen Scheinen wedelte. Zwischen 33 und 37 Millionen Euro soll der Verein aus Niedersachsen für die Verpflichtung Draxlers überwiesen haben. So ganz genau wissen das nur der Verein und der Spieler.

Das ist aber ebenfalls nicht mehr wichtig, denn auch Wolfsburg muss den 23-Jährigen vor Vertragsablauf (das wäre 2020) ziehen lassen. Diesmal griffen die Scheichs aus Katar zu. Ihnen gehört der französische Meister Paris St. Germain, und sie zahlen um die 45 Millionen Euro Ablösegebühr. Das können sie sich locker leisten. Seit 2011 pumpten sie frisches Personal für 400 Millionen Euro frisches Personal in den Klub. Wolfsburg hat an dem teuren Missverständnis Draxler folglich sogar verdient. Nicht allzu viel allerdings, denn von den zehn Milliönchen, die zwischen 35 und 45 Millionen liegen, fließen angeblich sechs Millionen aufs Konto von Schalke 04. Und Draxlers Management soll ebenfalls beteiligt sein. Im Doppelpass mit seinem Mandanten hat es die Wolfsburger Firmenleitung mindestens ein halbes Jahr lang am Nasenring durch die Arena geführt. Neben weniger guten Leistungen bot Draxler vor allem auf dem Transfermarkt anstrengende Unterhaltung. Weil es von Anfang an nicht so recht lief in der niedersächsischen Provinz, beschloss der in jungen Jahren hochdekorierte Nationalspieler im vergangenen Sommer die große Schmoll-Offensive. Interessierte Kreise, also die Mitarbeiter in der kaufmännischen Abteilung des Produkts Julian Draxler, sprachen von Angeboten aus London, Paris, Turin. Und der Spieler behauptete, Wolfsburg habe ihm zugesagt, bei entsprechenden Offerten gehen zu dürfen.

Davon wollte der Klub aber nichts wissen. Draxler schaltete daraufhin die "Bild"-Zeitung in die Verhandlungen ein. Das war nicht ganz so schlau, wie es von einem gewitzten Kerlchen erwartet werden konnte. Denn jetzt musste der Klub seine Sicht öffentlich machen. Er wies den Spieler an, den Vertrag ausführlich zu studieren und sich seiner beruflichen Pflichten zu erinnern. Sogar VW-Vorstand Garcia Sanz soll sich zu einer kleinen Nachhilfestunde in Vertragsrecht herabgelassen haben.

Draxler murrte, aber er blieb. Gut gespielt hat er natürlich nicht mehr, schon gar nicht so gut, wie es seinem großen Talent entspricht. Auch dadurch geriet der Klub ins Schlingern, nacheinander mussten Trainer Dieter Hecking und Sportchef Klaus Allofs gehen. Sie hatten am härtesten auf Vertragserfüllung gedrängt. Ihre Nachfolger sind da deutlich liberaler. Coach Valérien Ismael erklärte: "Ich bedauere einerseits den Weggang von Julian, denn er ist ein herausragender Fußballer. Andererseits denke ich, dass dieser Schritt für alle Seiten der richtige ist." Olaf Rebbe, der neue Sportliche Leiter, sagte: "Wir haben mit Julian Draxler und seinem Management sowie mit Paris St. Germain intensive und konstruktive Gespräche geführt und ein für alle Seiten sehr gutes Ergebnis erzielt. Wir wünschen Julian in Paris privat und sportlich alles Gute."

Bei seinem neuen Verein steht der Hochbegabte vor einer entscheidenden Station seiner Karriere. Er wird dort weder Welpenschutz wie auf Schalke genießen noch öffentliche Fürsprecher wie Bundestrainer Joachim Löw haben, die seine große Veranlagung mit ebenso großer Geduld belohnen. Draxler muss nun zeigen, ob er konstant auf höchstem Niveau spielen kann.

In Wolfsburg blieb er den Nachweis solcher Fähigkeiten schuldig. Er wurde nicht einmal in Ansätzen der Rolle gerecht, die sie ihm beim VfL zugedacht hatten. Gehandelt wurde er als legitimer Nachfolger des Belgiers Kevin De Bruyne, der für 75 Millionen Euro zu Manchester City gegangen war. Gelandet ist er als ein Spieler ohne Wiedererkennungswert.

Allenfalls an die Wolfsburger Werbeaktionen wird man sich länger erinnern. Im Sommer steckten die Öffentlichkeitsarbeiter im Verein den Spieler Draxler ins neue Trikot für die Saison 2016/17. Aufs Werbeplakat druckten sie die schöne Zeile: "Wolfsburger. Mit jeder Faser."

Vorher hätten sie lieber mal bei den Schalkern nachfragen sollen.

(pet)
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