Wolfsburg gewinnt den Supercup Der Lord ist zurück

Wolfsburg · Viele hatten Nicklas Bendtner schon als verkrachte Fußballexistenz abgestempelt. Im Supercup war er der Gewinner.

VfL Wolfsburg holt ersten Titel der Saison
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Foto: afp, agz

Das Thema Elfmeterschießen würden die Bayern vermutlich gern mal vom Stundenplan nehmen. Sie hatten in dieser Disziplin in diesem Jahr noch keine durchschlagenden Erfolge. Im DFB-Pokalhalbfinale rutschten sie zur hellen Freude der halben Fußballrepublik in seltener Eintracht am Punkt aus. Das traf sie sicher tiefer als die aus elf Metern entschiedenen Privatspielchen beim Telekom-Cup gegen Borussia Mönchengladbach oder neulich bei der Asientournee im chinesischen Guangzhou.

Am Samstag hat es mal wieder ein bisschen mehr gezwickt. Xabi Alonso rutschte im Supercup gegen den VfL Wolfsburg zwar nicht aus, aber er scheiterte an einer kühnen Kungfu-Fußparade des Torhüters Koen Casteels. 5:4 lautete die Bilanz der Wolfsburger beim Elfmeterschießen, 1:1 hatte das Spiel geendet. Das erste Titelchen der Saison ging an den Pokalsieger. Und dessen Trainer Dieter Hecking scherzte in bewusster Überschätzung der Bedeutung: "Wir haben Blut geleckt nach dem zweiten Titel in acht Wochen."

Die Münchner klopften sich zwar für die in Anbetracht des frühen Saison-Zeitpunkts tatsächlich sehr gute Vorstellung auf die Schultern. Aber sie haderten auch zu Recht damit, den Sieg im kleinen Prestigeduell vergeudet zu haben. "Ich bin enttäuscht und sauer", sagte Arjen Robben, der die Bayern in Führung gebracht hatte, "wenn wir das zweite Tor schießen, ist das Spiel vorbei." Die Münchner vergaben die Entscheidung, weil sie vielversprechende Konter nicht zu Ende spielten, und weil ausgerechnet der für Abspielfehler nicht berüchtigte Philipp Lahm im Anschluss an einen vorzüglichen Angriff von der Grundlinie einen Pass ins Niemandsland spielte.

Das gab den Wolfsburgern die Möglichkeit zu einem grandiosen Schlussakkord in dieser unterhaltsamen Begegnung. Josuha Guilavogui öffnete mit einem harten Flachpass die linke Abwehrseite, Kevin De Bruyne ließ die Bayern-Verteidiger hinter sich und flankte fast von der Eckfahne vors Tor. Und da erschien Nicklas Bendtner zur rechten Zeit am rechten Fleck. Mit einem kernigen Schuss unters Tordach glich er in letzter Minute aus. Für ihre Hilfestellung rüffelte Bayerns Trainer Pep Guardiola gleich zwei seiner Weltmeister. "Wir waren mit Xabi und Boateng zu langsam", sagte er. In der Sache wollte zumindest Jerome Boateng nicht widersprechen. "Das darf uns nicht passieren", räumte er zerknirscht ein.

Weil Bendtner anschließend noch den entscheidenden Elfmeter verwandeln durfte, wurde der Däne so etwas wie der Matchwinner. Ausgerechnet Bendtner, den die meisten längst als eine verkrachte Fußballexistenz betrachteten, als ihn die Niedersachsen vergangenes Jahr verpflichteten. "Meine beste Zeit kommt erst noch", beteuerte er damals. Geglaubt hat dem "Lord" das niemand. Schließlich war er als eines der einst größten europäischen Sturmtalente bei Juventus Turin und Arsenal London gescheitert. Und er machte in der Londoner Partyszene deutlich mehr Eindruck als auf dem Rasen.

In Wolfsburg schien er an diese Leistungen anknüpfen zu können. In 18 Einsätzen war ihm ein mageres Törchen gelungen. Folglich kam die Geschäftsleitung des VW-Klubs in der Sommerpause öffentlich ins Grübeln. "Er ist, wie er ist", sagte der Aufsichtsratschef Garcia Sanz, "wir werden überlegen müssen, wie es weitergeht."

Überlegt hat vor allem Trainer Hecking. Er sieht Licht am Ende des Tunnels. Noch nicht lange, dafür viel davon. "Seit sieben bis zehn Tagen hat er verstanden, was wir von ihm wollen", erklärte der Coach, "und wir wünschen uns, dass Nicklas in die Rolle schlüpft, die wir ihm zugedacht haben." Das heißt: Die Wolfsburger erwarten, dass er nicht nur tönt wie eine billige Kopie von Zlatan Ibrahimovic, sondern auch entsprechende Taten folgen lässt.

Zu spät ist es nicht, denn Bendtner ist erst 27. Vielleicht war der Abend im Supercup ein Wendepunkt auf der abschüssigen Karrierebahn. Sein Trainer ist davon überzeugt. "An so einem Tag weiß man, wofür man arbeitet", sagte Hecking. So viel Pathos musste einfach sein.

(RP)
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