Wolfsburg blamiert sich Von Emotionen und Werksklubs

Meinung | Hamburg · Der VfL Wolfsburg und Bayer Leverkusen haben sich in dieser Saison gründlich blamiert, den Niedersachsen droht sogar der Gang in die Zweitklassigkeit. Möglicherweise, weil die Identifikation fehlt.

Mario Gomez guckt bestürzt in den Himmel.

Mario Gomez guckt bestürzt in den Himmel.

Foto: dpa, chc fdt

Im Fußball geht es zu einem großen Teil um Gefühle. Erstaunlich bei millionenschweren Unternehmen. Besonders die sogenannten Traditionsklubs sind oft wie berauscht von ihren Emotionen. Das muss nicht immer zu ihrem Vorteil gereichen. Aber es macht eben den Reiz des Spiels aus. Nicht das Kalkulierte, sondern das Unberechenbare.

Unlängst hat sich Julian Nagelsmann etwas verstört gezeigt. In Sinsheim bei den Heimspielen der TSG 1899 Hoffenheim sind in dieser Saison etliche Plätze frei geblieben. "Ich glaube, unsere Ticketpreise sind relativ normal. Das ist auch eine strukturstarke Region. Viel mehr Spiele daheim gewinnen, ist schwer", befand der Trainer. Hoffenheim ist so etwas wie die Werksmannschaft von Dietmar Hopp, dem SAP-Milliardär. Zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte spielt der Klub aus dem Kraichgau als Tabellenvierter nun in der Qualifikation für die Champions League. Und das ist völlig verdient — Nagelsmann hat den wohl aufregendsten Fußball spielen lassen. Taktisch ausgereift, offensiv ansehnlich attraktiv. Es hilft sicherlich, finanziell abgesichert durch den Mäzen ans Werk gehen zu können, aber man muss aus den zur Verfügung stehenden Mitteln auch etwas machen. Nagelsmann hat sein Team kontinuierlich besser gemacht.

An den Standorten Leverkusen (Bayer) und Wolfsburg (Volkswagen) haben sich die dortigen Werksteams trotz üppiger Unterstützung bis auf die Knochen blamiert. Leverkusen konnte sich gerade so vor dem Abstieg retten. Der VfL muss in der Relegation nachsitzen.

In den beiden Entscheidungsspielen trifft er sehr wahrscheinlich im Niedersachsen-Derby auf Eintracht Braunschweig. Und dort könnte spielentscheidend sein, wer mehr Emotionen ins Spiel einbringen kann. Sind die Wölfe genau dazu in der Lage? Qualitativ können sie selbstverständlich auf den besseren Kader verweisen. Aber ist ein Mario Gomez nicht in Gedanken schon bei den Verhandlungen mit einem neuen Arbeitgeber? Ein weiteres Jahr dieser Güte wird er sich im fortgeschrittenen Fußballeralter von 31 Jahren ganz bestimmt nicht antun. Den Gang in die Zweitklassigkeit sowieso nicht. Aber braucht es nicht auch ein Mindestmaß an Identifikation, um eben große Emotionen zu entfachen?

Und Gomez war noch der, dem man am meisten abkaufte, in der Autostadt etwas erreichen zu wollen. Neben ihm stehen viele Mitläufer und klassische Söldner. Sie haben nun immerhin noch zwei Chancen, um zu zeigen, dass auch sie neben ihrem hoch bezahlten Talent vielleicht das viel entscheidendere einbringen können: Leidenschaft.

Man darf seine Zweifel haben, ob das wirklich gelingt.

(gic)
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