Argentiniens Nationaltrainer Alejandro Sabella: ein bisschen wie Berti Vogts

Rio de Janeiro · Um einem Deutschen Alejandro Sabella vorzustellen, bemüht man wohl am besten den Vergleich zu einem ehemaligen Bundestrainer. Denn der Nationalcoach von Superstar Lionel Messi und Endspiel-Kontrahent von Joachim Löw ist so etwas wie der argentinische Berti Vogts.

 Alejandro Sabella muss in Argentinien um Anerkennung kämpfen.

Alejandro Sabella muss in Argentinien um Anerkennung kämpfen.

Foto: afp, Desk

Beide sind klein und hatten schon als Spieler eine hohe Stirn. Beide sind ausgezeichnete Fachleute, die aber immer um Anerkennung ringen müssen, weil sie oft unterschätzt oder gar nicht ernst genommen werden. Beide reden leise, versprühen wenig Autorität, wurden aber von den Großen ihres Landes stets gestützt und gefördert - und beide sind erfolgreich.

Sabella ist 59 und erst seit fünf Jahren Chefcoach. In seiner ersten Saison gewann er mit Estudiantes de la Plata 2009 gleich die Copa Libertadores, das Gegenstück zur europäischen Champions League. Und als Nationaltrainer führte er Argentinien nun erstmals seit 1990 ins Endspiel. Vogts hatte bei der EM 1996 den bis heute letzten Titel mit der deutschen Nationalmannschaft gewonnen.

Das Verhältnis zu den Medien ist beidseitig keine Liebesbeziehung. "Wenn du nicht selbstkritisch bist, sagen alle, du seist stur. Und wenn du selbstkritisch bist, sagen sie, du seist schwach", sagte Sabella zuletzt. Auch das erinnerte extrem an das Vogts-Bonmot: "Wenn ich übers Wasser laufe, dann sagen meine Kritiker: Nicht mal schwimmen kann er..." Als er über seinen Erfolg bei diesem Turnier reden sollte, sagte Sabella schnippig und offenbar beleidigt: "Ich spreche nie über meinen Verdienst. Wenn ich denn überhaupt einen habe."

Und während Vogts als Spieler zunächst ein Lieblings-Schüler von Helmut Schön beim WM-Triumph war und später von Teamchef Franz Beckenbauer als Assistent und auserkorener Nachfolger zur Nationalmannschaft zurückgeholt wurde, vereint auch Sabella Einflüsse der größten Argentinier: Carlos Bilardo, Coach beim WM-Triumph 1986, war sein größter Förderer und ist noch in Brasilien als Sportdirektor an seiner Seite. Unter dem zweimaligen Weltmeister Daniel Passarella war er 18 Jahre treuer Assistent, unter anderem bei der argentinischen und uruguayischen Nationalmannschaft, dem FC Parma und den südamerikanischen Großklubs River Plate aus Buenos Aires und Corinthians Sao Paulo.

Passarella vermittelte als vertrauter Zögling vom 78er-Weltmeistercoach Cesar Luis Menotti dessen Lehre. Sabella versucht seitdem, das offensiv-schöngeistige "Menottismo" und das defensive "Bilardismo" zu verbinden. Für Menotti selbst ist das nicht möglich, er nimmt Sabella nicht ernst und erklärte nach dessen Amtsantritt: "Ich weiß nicht, was seine Verdienste und was seine Philosophie sein sollen. Ich mag nicht, wie seine Teams spielen."

Auch sonst ist "Alex" Sabella oft Ziel von Hohn oder Spott, mindestens aber Mittelpunkt ungünstiger Aktionen. Beim Spiel gegen Nigeria bespritzte ihn Stürmer Ezequiel Lavezzi mit Wasser. Beim Achtelfinale gegen Belgien ließ er sich nach einer vergebenen Chance zurückfallen, verlor das Gleichgewicht und torkelte in Richtung Bank, wo er von einem Betreuer aufgefangen werden musste. Die Szene wurde genüsslich im Fernsehen und Internet zelebriert.

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Doch der Erfolg gibt ihm recht, und langsam aber sicher erkennen das auch seine Kritiker an. "Der Trainer wird oft unterschätzt. Aber er hat die richtigen Entscheidungen getroffen", schrieb die Zeitung La Nacion. Und inzwischen ist sogar Diego Maradona überzeugt. Der nörgelte das gesamte Turnier über an Sabellas Taktik und erzählte trotz seines Scheiterns 2010 - durch ein 0:4 im Viertelfinale gegen Deutschland - dass es unter ihm besser gelaufen wäre. Vor dem Endspiel sagt der Kapitän der 86er-Weltmeister plötzlich: "Die Argentinier können weiter feiern."

Und Sabella stünde dann auf einer Stufe mit Menotti und Bilardo.

(sid)
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