50 Morde am Tag Die Sicherheit ist die größte WM-Bedrohung

Johannesburg (RPO). Mit dem Fall Peter Burgstaller fing alles an. Der Raubmord an dem ehemaligen österreichischen Fußball-Profi am Rande der Qualifikations-Auslosung in Durban im November 2007 rückte die bedenkliche Sicherheitslage in Südafrika vor der WM erstmals ins Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit. Seitdem schürte nicht nur die schaurige Statistik von im Schnitt landesweit 50 Morden pro Tag weltweit die Angst.

Südafrika: Diese Sicherheitstipps sollten Sie beachten
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Foto: AFP

Das Terrornetzwerk Al Kaida, so hieß es Mitte Mai aus irakischen Sicherheitskreisen, habe ein Auge auf die WM geworfen. Im April sorgte der Mord an dem Rechtsextremisten Eugene Terreblanche für Befürchtungen, noch während der WM könne es zu Rassenunruhen kommen. Der Terroranschlag auf den Bus der togoischen Nationalmannschaft vor dem Afrika-Cup im Januar erhöhte auch den Druck auf Südafrika. Kurz vor Beginn der Endrunde scheint das Thema Sicherheit die größte Bedrohung der ersten WM auf dem Schwarzen Kontinent darzustellen.

Joseph S. Blatter bestreitet dies trotz allem. "Niemand muss zweifeln. Viele vertrauen Südafrika nicht, aber die Sicherheit der WM-Besucher ist gewährleistet", sagt der Präsident des Weltverbandes Fifa: "Es ist einfach völlig falsch zu sagen, dass Südafrika zu gefährlich sei, wenn jedes Jahr elf Millionen Touristen gerne in dieses Land fahren. Das ist einfach der falsche Ansatz."

Blatters Alleingang

Blatter, der seine Idee von einer WM in Afrika gegen alle Widerstände durchgesetzt hat und sie kompromisslos verteidigt, will von Zweiflern nichts hören. Einer von ihnen ist Uli Hoeneß. Der Bayern-Präsident sagte, dass er die WM-Vergabe an Südafrika wegen der mangelnden Sicherheit "immer für falsch" gehalten habe und bezeichnete sie als "eine der größten Fehlentscheidungen" Blatters.

Tatsächlich hat Südafrika, finanziell und logistisch unterstützt von der Fifa und den Teilnehmerländern, beträchtliche Anstrengungen unternommen, um die WM sicher zu machen. Ob die Maßnahmen ausreichen, ist fraglich. 41.000 Polizisten sollen in den neun Spielorten vor allem die insgesamt etwa 350.000 ausländischen WM-Touristen beschützen. Ursprünglich hatten die Organisatoren mit einer knappen halben Million Besuchern gerechnet. In südafrikanischen Sicherheitskreisen und bei der FIFA wird die Differenz nur allzu gerne mit der weltweiten Finanzkrise erklärt.

"Ich bin zuversichtlich, dass wir eine sichere WM austragen werden", sagt Südafrikas Polizeichef Bheki Cele. Man sei bereit, "mit jeder Eventualität fertig zu werden". Doch selbst der Polizeichef schränkt ein. Eine Horde alkoholisierter Fans zur falschen Zeit am falschen Ort gehört offenbar auch zu seinen Albträumen: "Es gibt Gegenden, die gemieden werden sollten, zum Beispiel die Townships und die Rotlichtbezirke der großen Städte." Die Fangruppen sollen deshalb offizielle "Korridore" gar nicht erst verlassen und auf dem Weg zwischen Stadion und Hotels lückenlos von der Polizei eskortiert werden.

Dabei scheint die Polizei selbst Teil des Problems. Korruption ist ein bekanntes, aber ungelöstes Übel. Die Strategie, auch mit Blick auf die WM extrem hart gegen Kriminelle vorzugehen, hat alarmierende Nebenwirkungen. Im Jahr 2009 starben 556 Menschen durch eine Polizeikugel, 136 mehr als im Jahr zuvor. Einer von mehreren Unschuldigen war ein dreijähriger Junge in Johannesburg.

"Tot oder lebendig, für die Ganoven ist es das Ende des Weges", sagte Cele, als er im Januar in Port Elizabeth eine neue Spezialeinheit vorstellte. Spätestens zwei Monate später wusste man dort, was er damit meinte. Auf offener Straße lieferten sich Elitepolizisten mit Bankräubern eine wilde Verfolgungsjagd durch die Straßen der Stadt, in der die deutsche Nationalmannschaft am 18. Juni auf Serbien treffen wird. Die Beamten durchsiebten förmlich das Fluchtauto mit Kugeln. Augenzeugen zählten rund 50 Einschüsse - und fünf tote Bankräuber. Wie durch ein Wunder kam keiner der zahlreichen Schaulustigen am Straßenrand ums Leben.

Wie dramatisch die Sicherheitslage in Südafrika wirklich ist, lassen auch die Hinweise des Auswärtigen Amtes in Berlin erahnen. Es empfiehlt, die Innenstädte von Johannesburg, Pretoria, Durban und Kapstadt nach Geschäftsschluss ebenso zu meiden wie Fahrten mit Vorortzügen oder Township-Besuche ohne ortskundigen Führer. Bei Ausflügen zu bekannten Sehenswürdigkeiten solle man "unbelebte Gegenden meiden". Auf keinen Fall, so heißt es, solle man bei Überfällen Widerstand leisten.

(SID/chk)
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