20 Jahre nach dem Eigentor Ermordung von Escobar: Zwölf Schüsse und viele Rätsel

Curitiba · Am 22. Juni 1994 traf Andres Escobar ins eigene Tor. Zehn Tage später starb Kolumbiens Nationalspieler im Kugelhagel. Warum, das ist bis heute nicht geklärt.

 Der Tod von Andres Escobar ist bis heute nicht abschließend geklärt.

Der Tod von Andres Escobar ist bis heute nicht abschließend geklärt.

Foto: AFP

Auf einem Parkplatz in Medellin verlor die Fußball-Welt endgültig ihre Unschuld: Im Morgengrauen des 2. Juli 1994 sank Andres Escobar blutüberströmt vor der Bar "El Indio" zusammen, durchsiebt von zwölf Schüssen ließ der kolumbianische Nationalspieler sein Leben. Seine Begleitung sagte später aus, der Schütze Humberto Munoz Castro habe das Wort "Goooooooool" gerufen, während er feuerte.

Am Sonntag jährt sich der Tag zum 20. Mal, an dem das folgenschwerste Eigentor der Fußball-Geschichte zum Ende einer jungen Karriere, eines jungen Lebens führte. Rose Bowl, Pasadena - zehn Tage vor der Bluttat von Medellin: In der 34. Minute des WM-Vorrundenspiels gegen die USA grätscht Escobar, der 27 Jahre alter Abwehrspieler, eine harmlose Hereingabe zum 0:1 ins eigene Tor. Vor 93.689 Zuschauern unterliegt Geheimfavorit Kolumbien 1:2, verpasst letztlich die fest eingeplante Qualifikation für das Achtelfinale.

Die folgenden Geschehnisse in der verhängnisvollen Nacht von Medellin sind bis heute nicht ganz geklärt. Die Polizei nahm Munoz Castro fest, verurteilte den nicht geständigen Schützen zu 43 Jahren Gefängnis. Die Strafe wurde später auf 26 Jahre reduziert, doch bereits 2005 und nach insgesamt elf Jahren im Gefängnis wurde der als Mörder verurteilte Mann trotz vieler Proteste wegen guter Führung entlassen.

Drogenbosse unter Verdacht

Wütende Drogenbosse sollen den Mord an Escobar in Auftrag gegeben haben, weil sie bei Wetten auf den Einzug Kolumbiens ins Achtelfinale viel Geld verloren haben sollen, erzählen sich die Fans noch heute in Medellin. Vor allem die Verbindungen des verurteilten Täters zu den mächtigen Drogenkartellen, für die Munoz als Bodyguard und Fahrer arbeitete, legen diese Vermutung nahe. Aber auch ein ganz normaler Streit, der zu einer Schießerei eskalierte, könnte die Ursache gewesen sein. Die Drogenmetropole Medellin galt in den frühen 90er Jahren als gefährlichste Stadt der Welt.

Escobar ist durch seinen Tod in Kolumbien zur Legende geworden, auch jenseits der Landesgrenzen suchten Journalisten fieberhaften nach den wahren Hintergründen der Geschehnisse in Pasadena und Medellin. Der Fernsehsender RCN verfilmte in einer aufwendigen Produktion die letzten Tage bis zu seinem Tod, ESPN verband in einer Dokumentation das Leben des Fußballers mit dem gleichnamigen, aber nicht verwandten Drogen-Boss Pablo Escobar. Die These: Der Pate, 1993 bei einer Schießerei gestorben, hätte als Fußballfan den Tod des Kickers nie geduldet.

Bis heute gibt es zahlreiche Fanclubs des Nationalspielers, der 1989 im Trikot von Atletico Nacional de Medellin die Copa Libertadores gewann und damit Geschichte schrieb. Es war der erste Triumph einer kolumbianischen Mannschaft im wichtigsten südamerikanischen Vereinswettbewerb. Im Alter von 27 Jahren und kurz nach seinem 50. Länderspiel nahm die Karriere des Abwehrspielers ihr blutiges Ende. Zuvor hatte Escobar auch ein Jahr für den schweizerischen Erstligisten Young Boys Bern gespielt.

Die Nachricht vom Mord erschütterte im Juli 1994 nicht nur Kolumbien, sondern überschattete auch das noch laufende WM-Turnier, das Brasilien später gewinnen sollte. Die kolumbianische Regierung ordnete nach dem Mord an Escobar Polizeischutz für die anderen Nationalspieler, die sich noch im Land aufhielten, an. Rund 120.000 Menschen säumten bei der Beerdigung Escobars die Straßen in Medellin, unter den Gästen weilte auch der damalige Staatspräsident Cesar Gaviria.

20 Jahre nach Escobars Tod ist die Lage in Kolumbien einigermaßen stabil, die Mannschaft gilt auch in Brasilien als Geheimfavorit. Die Mordnacht von Medellin bleibt aber auch in Kolumbiens Nationalteam unvergessen.

(sid)
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