Trainer-Legende beendet seine Laufbahn Hitzfeld bleibt auch nach Drama ganz der Gentleman

Düsseldorf · Das letzte Spiel in Ottmar Hitzfelds Trainer-Laufbahn war kein normales für den 65-Jährigen. Und es endete mit einer dramatischen Niederlage für den Schweizer Nationaltrainer. Doch Hitzfeld verabschiedete sich so, wie ihn die Fans seit über 20 Jahren als Trainer erlebt hatten: als Gentleman.

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Foto: dpa, pk gh

Hitzfeld dachte vor dem Spiel wahrscheinlich selbst, er habe schon alles erlebt. Doch wie schwer es ihm gefallen sein muss, nach dem Tod seines Bruders Winfried an der Seitenlinie zu stehen, das lässt sich allenfalls erahnen. Diesen Schicksalsschlag hätte für ihn ohnehin kein sportlicher Erfolg aufwiegen können. Die bittere Niederlage gegen Argentinien in der vorletzten Minute der Verlängerung nagte dennoch an Hitzfeld.

"Jeder Moment im Fußball bleibt in meiner Erinnerung. Aber das hatte schon eine gewaltige Dimension", sagte er nach dem 0:1. Erinnerungen an den schwärzesten Tag seiner Karriere kamen sofort hoch: Manchester United. In Barcelona. Der 25. Mai 1999. Das verlorene Champions-League-Finale. 1:2. Zwei Gegentore in der Nachspielzeit. "Ich habe es schon mal erlebt, in den letzten drei Minuten ein Champions-League-Finale zu verlieren. Das hier war ähnlich."

Hitzfeld reagierte, wie eben wahrscheinlich nur Hitzfeld nach solch einer NIederlage zum Karriereende reagiert. Er richtete sich die Krawatte und ging auf den Rasen, um seinen niedergeschlagenen Spielern die Hand zu reichen. Er kämpfte kurz mit den Tränen. Ein paar Minuten später gratulierte er dem Gegner.

Der Name Hitzfeld steht für Erfolg

Hitzfeld hat mit dem FC Bayern München und Borussia Dortmund die Champions League gewonnen, er hat mit seinen Klubs sieben Mal die deutsche und zweimal die Schweizer Meisterschaft gewonnen. Hitzfeld, bei den Bayern-Fans wohl auf ewig "Gottmar", stand während seiner Karriere für Erfolg, nicht unbedingt für Innovation. Aber er bleibt vor allem wegen seiner Selbstdisziplin, seinem Respekt vor dem Gegner und seinen Spielern in Erinnerung.

Ehemalige Schützlinge wie Oliver Kahn, Stefan Effenberg, Matthias Sammer. Mehmet Scholl oder Franck Ribery loben immer wieder seinen sensiblen Umgang mit den Profis, die Ruhe, die er auch in kritischen Momenten ausstrahlt, die Fähigkeit, ein Team durch akribische Arbeit zum Ziel zu führen. Ein Mensch, der stets darauf bedacht ist, seine Emotionen zu verstecken, um sich nicht angreifbar zu machen — ein technokratischer Analytiker. Bezeichnend auch sein einprägsamer Torjubel. Hitzfeld ballte stets die Hand zur Faust, in die die Daumen verschwanden, dann sprang er auf und ab. Druck, der bei ihm oft sichtbar war, fiel in diesen Momenten von ihm ab.

Der als schwierig geltende Effenberg nannte ihn den "perfekten Trainer" und rühmte Hitzfelds "herausragende Menschenführung" — der zur Divenhaftigkeit neigende Ribery sah in ihm den "Monsieur", den er als "große Respektperson" betrachtete. "Ottmar ist nicht umsonst so erfolgreich. Man sieht in den Augen der Spieler, wie sehr sie ihn mögen. Hitzfeld würde im Leben nicht auf die Idee kommen, einem Shaqiri die Laufwege zu erklären. So ein Spieler genießt bei ihm Sonderstatus. Dafür erwartet Ottmar natürlich auch nichts anderes, als dass Shaqiri ständig unterwegs ist", hatte Scholl während des Vorrundenspiels gegen Honduras in der "ARD" ananlysiert. Kahn, der Erfinder der "Immer weiter"-Mentalität, lobte während der WM im "ZDF" immer wieder Hitzfelds Willen, nie aufzugeben und zurückzukommen. Hitzfeld gelang es, die Bayern nach dem tragischen 1:2 gegen Manchester wieder aufzubauen und gewann mit diesem Team zwei Jahre später doch noch die europäische Königsklasse.

Michael Meier wurde als Manager mit Hitzfeld in Dortmund zwei Mal Meister und gerät immer noch ins Schwärmen, wenn er über Hitzfeld spricht. "Wir haben ihn immer als ehemaligen Mathematik-Lehrer gekennzeichnet, der sehr akribisch und zielgerichtet arbeitet", erinnert er sich im Gespräch mit der "Deutschen Welle", "ich kenne keinen Trainer, der sowohl seine eigene Karriere, als auch die Erfolge einer Mannschaft so sorgfältig planen konnte." Hitzfeld gehe Spielsituationen und Eventualitäten sehr detailliert schon vorher durch, um immer auf den Ernstfall vorbereitet zu sein. "Das war für mich immer ein Kennzeichen, wie er diesen Job macht. Sehr akribisch, sicherlich aber auch hart und konsequent in der Entscheidung."

Di Maria beendet Hitzfelds letzte Mission

An seinem letzten sportlichen Auftrag scheiterte der "General". Er sollte die Eidgenossen erstmals seit der Heim-WM 1954 und der dramatischen 5:7-Niederlage gegen Österreich in der berühmten "Hitzeschlacht von Lausanne", dem torreichsten Spiel der WM-Geschichte, wieder ins Viertelfinale führen. Der Siegertyp wollte nach dem Vorrunden-Aus bei der WM 2010 und dem Verpassen der EM 2012 noch etwas Zählbares erreichenauf seiner letzten Trainerstation. Doch Lionel Messi setzte kurz vor Schluss zum Solo an und bediente Argentiniens Angel di Maria, der die Schweiz aus dem Turnier und Hitzfeld in Rente schoss.

"In den letzten drei Minuten hat man noch einmal alles erlebt, was in einem Trainerleben möglich ist", sagte Hitzfeld anschließend auf der Pressekonferenz. Er sei stolz auf seine Laufbahn. Dann stand er auf und ging.

(can)
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