Krul provoziert Elfmeterschützen Holland verspielt Sympathien

Düsseldorf · Das deutsch-niederländische Fußball-Verhältnis ist schwierig. Arjen Robbens Flugeinlagen, das mehr als selbstbewusste Auftreten von Trainer Louis van Gaal und die Mätzchen von Torhüter Tim Krul machen das Miteinander nicht leichter.

Krul provoziert Costa Ricas Elfmeterschützen
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Jetzt droht die Stimmung wieder zu kippen. Alte Ressentiments keimen auf zwischen den Niederlanden und Deutschland. Das liegt zum einen daran, dass eine Neuauflage des WM-Endspiels vom 7. Juli 1974 in Sichtweite gerät. Aber auch an ein paar Zwischenfällen, mit denen die Holländer in den brasilianischen Wochen Sympathien verspielt haben.

Arjen Robben wirkt mitunter, als sei er bei Bernd Hölzenbein, dem Erfinder der Schwalbe, in die Lehre gegangen. Er fällt zu leicht und sorgt dafür, dass der Spruch vom "Fliegenden Holländer" überstrapaziert wird. Nach dem Achtelfinalspiel gegen Mexiko räumte er ein, die Flatter gemacht zu haben. Die Folge: Jede seiner Aktionen steht — gerade beim deutschen Publikum — unter Verdacht, sobald er den Kreidestrich zum "Sechzehner" überschritten, das Bein des Gegenspielers gesucht und gefunden hat. Allerdings spielen die Gegenspieler dem fixen Flügelmann mitunter auch übel mit. "Wenn ein Stürmer schnell, mobil und stark ist, dann kriegt er mehr Elfmeter als ein langsamer Typ, der nie an irgendeinem vorbeikommt", hatte Hölzenbein ja mal gesagt. So kann man's eben auch sehen.

Tim Krul wird zum Buhmann

In der Nacht von Samstag auf Sonntag erhielten diejenigen, die den Nachbarn skeptisch gegenüberstehen, einen neuen Buhmann: Tim Krul. Der Torwart übernahm den Job zwischen den Pfosten im Elfmeterschießen. Sowohl beim Schuss von Bryan Ruiz als auch beim Versuch von Giancarlo Gonzalez redete er auf die Schützen aus Costa Rica ein. Er gewann für Holland die Partie, brachte die Elftal ins Halbfinale.

So weit, so schlecht. Verlierer waren aber auch zwei andere. Schiedrichter Ravshan Irmatov hätte dem Theater mit einer Gelben Karte Einhalt gebieten können. Oliver Kahn hätte die Klappe halten können, anstatt Unfairness zu predigen und lapidar zu sagen: "Das gehört zum Profisport halt dazu, dass man mal das ein oder andere kleine Gespräch mit dem Schützen führt und ihm in die Augen schaut." Zum Glück kümmert sich die Fifa, die "Fairplay" auf ihre Fahnen schreibt, jetzt noch einmal um den "Fall Krul".

Ein kleines bisschen ist der deutsche Erfolg der Gegenwart auch das Werk des Trainers Louis van Gaal, man darf das nicht vergessen. Jener wuchtige Mann, der alles kennt, nur keine Selbstzweifel, hatte einst in München die Chuzpe, auf junge Kerle zu bauen. So wie er es immer getan hat in den langen Jahren als Trainer. Ob bei Ajax Amsterdam oder beim FC Barcelona.

Als er 2009 seine Arbeit beim FC Bayern aufnahm, setzte er auf die damals nur einem vergleichsweise kleinen Kreis bekannten Talente David Alaba, Holger Badstuber und Thomas Müller. Ein paar Monate später übernahmen die beiden letzteren tragende Rollen bei der WM in Südafrika. Und Thomas Müller schickt sich nun in Brasilien an, zum zweiten Mal hintereinander Torschützenkönig einer Weltmeisterschaft zu werden. Van Gaal hatte Deutschland gelehrt, dass Jugend auf dem Platz kein Manko ist.

Impulse aus den Niederlanden haben dem deutschen Fußball oftmals gut getan. Man sollte das betonen, denn das deutsch-holländische Fußballverhältnis ist ein schwieriges. Belastet durch die Ur-Schwalbe, die sich Bernd Hölzenbein 1974 im WM-Finale leistete, und durch Frank Rijkaards Spuckattacke 1990 auf Rudi Völler. Der Tiefpunkt kam 1988, als Oranjes Ronald Koeman so tat, als wische er sich den Hintern mit Olaf Thons Trikot ab. Blöde Sprüche von Torwart Hans van Breukelen kamen hinzu. Ihre deutschen Gegenspieler benahmen sich kaum besser.

Doch das Verhältnis zwischen den beiden Fußball-Nationen hat sich über die Jahre entspannt. Eine gesunde Rivalität ist aus der einstigen Feindschaft geworden. Die so genannten Philosophien haben sich einander genähert. Schön und erfolglos - das galt ehedem für das Spiel der Niederländer; hässlich und erfolgreich — so war Deutschland. Beides gilt nicht mehr.

Und der einstmals skeptisch betrachtetete Fußball-Patriotimus in Oranje ist ein bisschen Vorbild fürs laute und grelle "Schland". Pils und Blasmusik und bunte Fähnchen auf beiden Seiten der Grenze. Frohsinn statt Feindseligkeit — so soll's doch bitte bleiben.

(RP)
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