Brasilien gegen Chile Treterei in Santiago, Rasierklingen-Skandal im Maracana

Belo Horizonte · Treterei in Santiago, Rasierklingen-Skandal im Maracana und jede Menge Enttäuschungen für den Außenseiter Chile: Brasilien pflegt zur La Roja zwar nicht so eine leidenschaftliche Rivalität wie zu seinen Nachbarn Argentinien oder Uruguay - doch besonders zwei Partien zwischen der Selecao und Chile erregen vor ihrem Duell im Achtelfinale ( Samstag, 18 Uhr, Live-Ticker) noch heute die Gemüter.

 Skandaltorwart: Roberto Rojas verletzte sich mit einer Rasierklinge während des Spiels selber, um zu simulieren, dass er von einem Feuerwerkskörper getroffen worden war.

Skandaltorwart: Roberto Rojas verletzte sich mit einer Rasierklinge während des Spiels selber, um zu simulieren, dass er von einem Feuerwerkskörper getroffen worden war.

Foto: dpa, ml jai

Treterei in Santiago, Rasierklingen-Skandal im Maracana und jede Menge Enttäuschungen für den Außenseiter Chile: Brasilien pflegt zur La Roja zwar nicht so eine leidenschaftliche Rivalität wie zu seinen Nachbarn Argentinien oder Uruguay - doch besonders zwei Partien zwischen der Selecao und Chile erregen vor ihrem Duell im Achtelfinale (Samstag, 18 Uhr, Live-Ticker) noch heute die Gemüter.

"Hätte ich die Wahl gehabt, ich hätte sie sicher nicht ausgesucht", sagte Brasiliens Trainer Luiz Felipe Scolari. Die Stimmung ist vor dem ersten Südamerika-Duell dieser WM bereits aufgeladen. "Wir wollten nicht gegen Brasilien spielen", sagte Chiles früherer Bundesliga-Profi Arturo Vidal: "Aber Brasilien wollte noch viel weniger gegen uns spielen. Weil wir eine Mannschaft sind wie ein Selbstmord-Kommando. Wir geben unser Leben für diese WM."

Nicht immer spielten die Chilenen in den bisher 68 Duellen mit fairen Tricks. Im August 1989 lief Roberto Rojas plötzlich das Blut übers Gesicht. Der chilenische Torwart wälzte sich auf dem Rasen im Maracana, vermeintlich getroffen von einer Leuchtrakete. Dabei hatte sich Rojas die klaffende Wunde im enorm wichtigen Qualifikationsspiel zur WM 1990 gegen Brasilien selbst zugefügt - er wollte damit beim Stande von 0:1 den Abbruch der Partie erzwingen.

Der Skandal war wenige Tage später perfekt. TV-Bilder bewiesen, dass der Feuerwerkskörper Rojas gar nicht getroffen hatte. Es stellte sich heraus, dass sich der Torwart - damals ausgerechnet in Diensten des FC Sao Paulo - die Verletzung mit einer in seinem Handschuh eingeschleusten Rasierklinge selbst zugefügt hatte. Brasilien wurde zum Sieger erklärt, Chile von der weiteren WM-Quali für Italien und der nächsten zum Turnier in den USA verbannt.

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Oder 1962, WM-Halbfinale in Chile: Der Gastgeber macht in Santiago regelrecht Jagd auf den Titelverteidiger um den großartigen Garrincha. "Die haben auf alles eingetreten, was sich bewegt hat", erinnert sich Pele, der damals verletzt nur auf der Tribüne saß: "Garrincha war es leid, von den Chilenen auf dem Feld gejagt zu werden."

Schließlich rastet der Wunderdribbler mit den krummen Beinen aus, revanchiert sich mit einem Kniestoß und fliegt vom Platz. Auf dem Weg in die Kabine wird er von einer Flasche getroffen, es fließt Blut. Trotzdem zieht Brasilien ins Finale ein, Garrincha und Vava hatten mit jeweils zwei Treffern vorher alles klargemacht. Chiles Traum vom Titel in der Heimat ist geplatzt.

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Garrincha durfte trotz der Roten Karte im Finale gegen die Tschechoslowakei spielen, weil der Linienrichter, der als einziger die Tätlichkeit gesehen hatte, zu einer eilig anberaumten Anhörung nicht erschien - unter bis heute nicht geklärten Umständen. Angeblich soll sich der spätere Fifa-Chef Joao Havelange um die Sache gekümmert haben. Linienrichter Esteban Marino flog jedenfalls unmittelbar nach dem Spiel nach Paris - um sich ausgiebig zu amüsieren.

Chile ist für die Brasilianer so etwas wie der Lieblingsgegner, stets setzte sich die Selecao in den großen Spielen durch. Drei mal erreichte Chile bisher die K.o.-Runde einer WM - immer scheiterte das Land an Brasilien. Nach 1962 noch in den Achtelfinals 1998 und 2010 (0:3 und 1:4). Doch die Mannschaft von Jorge Sampaoli ist so stark wie nie. "Das wird kniffelig", sagte auch Superstar Neymar.

So mancher Fan in Brasilien träumt aber jetzt schon von dem möglichen Viertelfinale gegen Uruguay, das im Achtelfinale auf Kolumbien trifft. Brasilien gegen Uruguay - da war doch was? Richtig. 1950, Maracanazo, Brasilien verliert den Titel vor 200.000 Fans und versinkt in Trauer. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

(sid)
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