Brasilien brennt auf sechsten WM-Titel Mach's noch einmal, Scolari!

Sao Paulo · Der Auftrag an Brasiliens Nationaltrainer ist klar: Wie 2002 soll der Trainer die Selecao zum Titel führen.

Das ist Luiz Felipe Scolari
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Der Mann, auf dessen Schultern die ganzen Hoffnungen einer Nation liegen, liebt es erstaunlich schlicht. In einer umgebauten Garage in Sao Paulo heißt Luiz Felipe Scolari seinen Besuch aus Deutschland willkommen. Es ist das Büro seines Pressesprechers. Hier erwartet Scolari gerne internationale Journalisten zu einem Hintergrundgespräch. Der 65-Jährige ist früher da als verabredet, also nutzt Brasiliens wichtigster Funktionsträger die Zeit zu einer Tasse Kaffee und einem Blick in die Tageszeitungen.

Brasiliens Nationaltrainer, der seine Geheimnisse einer schwarzen Aktentasche anvertraut, gibt sich trotz der großen Erwartungen, die er schultern muss, gelassen: "Ich habe Vertrauen in meine Arbeit, die ich in Zusammenarbeit mit meinem Trainerstab leiste. Und ich habe Vertrauen in unser Land, in unsere Fans, in die Menschen, die uns tagtäglich begleiten und darauf hoffen, dass sich unsere Selecao würdig erweist, eine WM im eigenen Land zu spielen. Und die davon träumen, den Titel zu gewinnen. Ohne dieses Vertrauen geht es nicht." Diese Gelassenheit steckt an.

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Brasilien geht als Favorit ins Turnier

Der Gastgeber, der den Titel seit dem Turnier 1958 in Schweden fünfmal holte, geht heute in einer Woche als Favorit ins Turnier. Beim 4:0 gegen Panama präsentierte sich die Selecao, wie die Auswahl in Brasilien genannt wird, noch nicht reif für den Titel. Allein ein paar Geistesblitze von Superstar Neymar verhinderten eine Blamage. Das erste Tor erzielte der Profi des FC Barcelona mit einem Freistoß in der 27. Minute - sein 35. Treffer im 55. Länderspiel. Das dritte durch Hulk (46.) bereitete er per Hacke vor und das letzte durch den eingewechselten Willian (73.) mit einem schönen Pass. Das 2:0 hatte Dani Alves (40.) erzielt.

"Es fehlen noch was weiß ich wie viel Prozent", erklärte Scolari. Er versprach für den letzten Test am Freitag gegen Serbien in Sao Paulo zu "100 Prozent" — also auch mit dem geschonten Kapitän Thiago Silva — das Team, das heute in einer Woche ebenfalls in Sao Paulo gegen Kroatien in die WM starten soll.

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Foto: afp, FF/le

Scolari redet gerne über Fußball, wenn sich die Fragen wirklich um Fußball drehen. Er weiß, dass seine Worte auf die Goldwaage gelegt werden, deswegen formuliert er diplomatisch und dennoch in der Aussage klar, wenn es um die Schwäche der nationalen Seria A geht: "Unsere Meisterschaft ist genauso hart umkämpft wie in anderen Ligen dieser Welt. Sie ist eine gute Liga, aber wir brauchen noch einiges mehr, vor allem im organisatorischen Bereich, um uns wenigstens der englischen Premier League und vor allem der deutschen Bundesliga anzunähern."

WM-Titel im Finale gegen Deutschland

Scolari will es noch einmal wissen. Seine Motivation zieht er aus einem Triumph, der schon zwölf Jahre zurückliegt. Damals wurde er mit Brasilien im Finale gegen Deutschland Weltmeister. Die "Familie Scolari" tauften die Journalisten die brasilianische Selecao, weil es Scolari verstand, die Superstars Rivaldo, Ronaldo, Cafu und Ronaldinho unter einen Hut zu bringen. Jeder stellte sich in den Dienst der Mannschaft. So formte Scolari eine Mannschaft, die zwar von ihrer indiviuellen Klasse lebte, aber auch durch ihre Geschlossenheit bestach. All das soll ihm noch einmal gelingen: "Ich erinnere mich noch gerne an die WM 2002 in Japan und Korea. Der Gewinn der Weltmeisterschaft und die Erinnerungen daran waren auch ein Grund dafür, noch einmal das Angebot anzunehmen, die brasilianische Nationalmannschaft auf die WM in meiner Heimat vorzubereiten."

Scolari zählt Deutschland zu den großen Favoriten. Ein deutscher Trainer hat es ihm besonders angetan, was auch daran liegt, dass Scolari ein echter Fan von Teambuilding ist: "Ich finde Jürgen Klopp außergewöhnlich. Ganz wunderbar. Wie er an der Seitenlinie mitgeht, seine Emotionen auslebt. Am liebsten würde ich mal eine Woche bei Borussia Dortmund hospitieren, um mir anzusehen, wie er eine Mannschaft führt, welches Gefühl er zu den Spielern aufgebaut hat. Wirklich ein außergewöhnlicher Trainer mit Gespür für Teambuilding und Mannschaftsführung." Bayern-Profi Dante verkörpert den Typ Spieler, den Scolari liebt. Sich in der Nationalmannschaft dem ganz großen Ziel komplett unterzuordnen, das erwartet Scolari. Dante habe sich beim Confed Cup innerhalb und außerhalb der Mannschaft exzellent präsentiert, auch deshalb gehört er zum WM-Aufgebot.

Polizisten demonstrieren gegen die WM
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Wie die Mannschaft auf die Proteste reagieren soll, sollte es während der WM erneut zu Demonstrationen kommen, lässt der Trainer offen: "Beim Confed Cup hat sich die Mannschaft sehr gut vor der Nation präsentiert", sagt Scolari. Die Spieler nahmen damals die Proteste auf und stellten sich hinter die Forderungen der Demonstranten. Die Folge war, dass ein Funke aufs Publikum übersprang. Noch heute läuft den Spielern ein Schauer über den Rücken, wenn sie an die Nationalhymne denken, die die Fans einfach im Stadion verlängerten, als die Musik vom Band schon zu Ende war. Scolari hat die Twitter-Nutzung während der WM freigegeben. Das werten die Nationalspieler als Zeichen dafür, dass er ihnen freie Hand lassen will, gibt es erneut Proteste zu kommentieren.

Alles hat Scolari dem großen Ziel "Hexa" (der Begriff steht für den sechsten WM-Titel) untergeordnet. Was danach kommt, ist erst einmal egal. "Ich hatte schon so meine Vorstellung von meiner Lebensplanung. Aber dann haben sich die Dinge geändert. Heute denke ich allein daran, den Titel gewinnen. Und wenn wir dazu wieder wie im Finale 2002 die deutsche Mannschaft schlagen müssen." Er wäre dann Doppel-Weltmeister und endgültig eine Legende und trotzdem zu jung, um abzutreten. Die Scolari-Story wird auch nach dieser WM noch nicht beendet sein - nur, wo es weitergeht, das steht in den Sternen.

(RP)
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