WM-Qualifikation Oranje braucht ein kleines Fußball-Wunder

Amsterdam/Düsseldorf · Drei Tage nach dem blamablen 0:4 in Paris gegen Frankreich müht sich die Niederlande zum 3:1 gegen Bulgarien und hat noch die Chance auf die WM-Teilnahme. Zur internationalen Spitzenklasse gehört die Mannschaft von Dick Advocaat trotzdem nicht mehr.

WM-Qualifikation: 8. Spieltag, Statistik
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8. Spieltag, Statistik

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Foto: rtr, mb

Als endlich der Schlusspfiff in der Amsterdam Arena ertönt, ist von großem Jubel nicht viel zu spüren. Pflichtbewusst klatschen Arjen Robben und seine Kollegen sich ab. Ihnen ist auch nach dem 3:1-Sieg gegen Bulgarien klar, dass Oranje für die Teilnahme an der Weltmeisterschaft im kommenden Jahr in Russland ein kleines Fußball-Wunder benötigt: Drei Punkte und sechs Treffer müssten die Niederländer in den letzten beiden Spielen, darunter ein direktes Duell, auf Schweden aufholen, um noch sicher Zweiter zu werden. Eine Mammutaufgabe.

Wenn man aber ehrlich ist, hat dieses Oranje bei der WM sportlich wenig zu suchen. Beim "Gipfeltreffen" am vergangenen Donnerstag in Frankreich (0:4) wurde deutlich: Die Niederländer sind im europäischen Vergleich nicht mehr wettbewerbsfähig. Körperlich, taktisch, technisch - auf allen Ebenen waren die Franzosen drückend überlegen. An dieser Einschätzung konnten die Niederländer auch gegen deutlich schwächere Bulgaren nur wenig rütteln. Lange Zeit tat sich das Team von Trainer Dick Advocaat schwer, Tore von Arjen Robben und Davy Pröpper entschieden das schwache Spiel erst in der Schlussphase.

Wie konnte die Nation, die dreimal im WM-Finale stand und großartige Fußballer hervorbrachte, derart den Anschluss verlieren? Der wichtigste Grund ist eine für Holländer fast typische Selbstüberschätzung. Die kostete schon den WM-Titel 1974 - und sorgt auch aktuell dafür, dass andere Länder vorbeigezogen sind. Während diese ihr Spielsystem über Jahrzehnte hinwegs anpassten und verbesserten, spielte Holland stoisch weiter im antiquierten 4-3-3 - ohne jedoch die nötige defensive Stabilität für ein solch offensives System zu haben.

Denn die Spieler im Oranje-Trikot werden immer schlechter. Seit Jahren produzieren die Talentschmieden von Ajax Amsterdam, Feyenoord Rotterdam und PSV Eindhoven keine Nachwuchskräfte der Marke "Spitzenklasse" mehr. Und gibt es doch mal ein kleines Juwel, erliegt der junge Kicker noch vor dem Durchbruch dem Geld aus England. Viele Top-Talente wechseln für viel Geld in die Nachwuchsabteilungen der Premier-League-Klubs, versauern dort in Reserveteams und landen dann Jahre später, wie Karim Rekik (Berlin) oder Jeffrey Bruma (Wolfsburg), als durchschnittliche Kicker in Europas Ligen. Es ist ein Teufelskreis: Die Eredivisie ist im europäischen Vergleich längst nicht mehr konkurrenzfähig, wodurch junge Spieler immer früher den Sprung ins Ausland wagen und die heimische Liga qualitativ noch weiter ausblutet.

Aussicht auf Besserung ist kaum gegeben. Anders als in Deutschland, wo nach dem EM-Debakel 2004 der Fußball komplett auf den Kopf gestellt wurde, gibt es Innovationen höchstens auf dem Papier. Das beste Beispiel dafür ist der Bondscoach: Dick Advocaat ist 69 und bereits zum dritten Mal Nationaltrainer. Seine besten Zeiten als Trainer sind bereits Jahrzehnte vorbei - zuletzt sah man Advocaat nur noch dort, wo das meiste Geld zu verdienen war. Reformen sehen anders aus. Und solange beim Verband kein radikales Umdenken einsetzt, werden sich die niederländischen Fußball-Fans daran gewöhnen müssen, dass ihr Team bei den großen Turnieren nicht dabei ist.

(RP)
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